Das Hamburger Abendblatt stellt Stormarner und ihre Berufe vor. Heute begleiten wir für einen Tag den Piloten Till Kowalczyk aus Ammersbek.

Das Schönste am Fliegen ist, dass man jeden Tag die Sonne sieht, so kitschig es auch klingt. "Das ist gut fürs Gemüt", sagt Till Kowalczyk, der demnach ein ziemlich sonniges Gemüt haben muss, denn er arbeitet als Co-Pilot bei der Fluggesellschaft Air Berlin.

An diesem Tag scheint die Sonne so halb, sogar unter der Wolkendecke, "für Hamburg im Winter ist das schon viel", sagt Kowalczyk. Es ist 9.15 Uhr, Kowalczyk ist gerade am Flughafen Hamburg angekommen, 20 Minuten braucht er mit dem Auto von Ammersbek hier her, 25 Minuten bei zähem Verkehr. Der kurze Weg ist ein Grund dafür, dass er in Stormarn wohnt, ein anderer Grund ist das Pferd seiner Freundin.

9.30 Uhr: Hamburg-Fuhlsbüttel, null Meter über dem Boden

Das erste an jedem Arbeitstag ist der Sicherheitscheck. Der unterscheidet sich nur durch die Länge der Warteschlange von dem, durch den die Passagiere müssen. Auch hier wird das Gepäck durchleuchtet, in Kowalczyks Fall ein Pilotenkoffer, schwarz, rechteckig, ganz klassisch. Und dann der Pilot, Anzug, Krawatte gemustert mit Logos der Fluggesellschaft, ebenfalls klassisch. Kowalczyk kennt die Abläufe, seit fünf Jahren arbeitet der 29-Jährige als Pilot. Kollege Bastian Heide ist seit zehn Jahren dabei, er ist Kapitän. Heute fliegen sie nach Stuttgart und zurück.

Vorher treffen sie sich zum Cockpit-Briefing, bei dem unter anderem besprochen wird, wie viele Tonnen Kerosin mitgenommen werden müssen: fünf, also etwa 7000 Liter. "Wir nehmen genug Reserve mit, um eine halbe Stunde Warteschleife und zu einem Ausweichflughafen fliegen zu können. Bei schlechtem Wetter mehr", sagt Bastian Heide. Wer Warteschleifen fliegt, fliegt übrigens keine Schleifen, sondern Ovale. Warum es dann nicht Warteoval heißt? Weil Warteschleife umgangssprachlich ist, offiziell werden die Schleifen Warterunden genannt.

Auch das Wetter am Zielflughafen und am Abflughafen wird besprochen. Kurz: "Alles gut, ne?" "Ja, alles gut." Anschließend treffen sich die beiden Piloten mit der Cabin Crew, heute nur Flugbegleiterinnen, zum Briefing. Auch hier wird über das Wetter gesprochen und darüber, ob Passagiere mit speziellen Bedürfnissen an Bord sein werden, etwa ob ein Kranker transportiert wird. Heute keine Besonderheiten. Mit dem Airbus 320 fliegen an diesem Tag hauptsächlich Geschäftsleute und Fußballfans, die das Spiel VfB Stuttgart gegen Bayern München sehen wollen.

10 Uhr: Vor dem Start wird der Airbus A 320 kontrolliert

Um im Cockpit arbeiten zu dürfen, lernte Till Kowalczyk in zweieinhalb Jahren, wie man ein Flugzeug bedient, so lange dauert die Grundausbildung. Danach folgten zwei, drei Monate für den speziellen Flugzeugtyp. Teil der Ausbildung ist nicht nur die Technik im Cockpit. Einer der beiden Piloten muss vor jedem Abheben das Flugzeug kontrollieren. "Die Maschine ist heute noch nicht geflogen, sie kommt also direkt vom Techniker", sagt Kowalczyk. "Trotzdem kontrollieren wir immer noch mal selbst." Mit neongelber Weste über seiner Uniform geht er ums Flugzeug, schaut nach, ob Flüssigkeiten auf dem Boden sind, die Reifen genügend Profil haben, kein Schmutz auf dem Staudruckmesser und kein Riss in den Lamellen der Triebwerke ist. Im Cockpit wischt er kurz mit einem Tuch über die Tastaturen und seinen Kopfhörer.

10.20 Uhr: Immer noch am Boden, aber schon im Cockpit

Was so richtig gut ist am Im-Cockpit-Sitzen ist, dass man schon vor dem Start Getränke und Snacks bekommt. Bastian Heide trinkt Kaffee, Till Kowalczyk Tee, beide bekommen Lebkuchen. Sie lassen den Bordcomputer die Startgeschwindigkeit ausrechnen, diese bemisst sich nach Luftdruck, Gewicht des Flugzeugs, der Temperatur und dem Wind. Derweil kommen die 129 Passagiere an Bord. "Weil der Wind gedreht hat, haben wir eine neue Startbahn bekommen. Damit wir möglichst viel Gegenwind beim Start haben, müssen wir Geschwindigkeit und Route neu berechnen", sagt Kowalczyk.

Vorwärts kann das Flugzeug alleine. Deshalb werden jetzt schon mal die Triebwerke angelassen. "Rückwärts kann es nicht, deshalb schiebt ein Pusher uns in Position", sagt Kowalczyk. Als die Nase des A320 richtig ausgerichtet ist, landet erst noch ein anderes Flugzeug auf der kreuzenden Landebahn. Wäre dies hier ein Computerspiel, müsste man nun schießen, um die volle Punktzahl zu erreichen. Ist aber kein Spiel, deshalb muss man warten, bis der Tower das Okay zum Start gibt. "Wir starten in Richtung Stellingen und fliegen dann über Blankenese und das Volksparkstadion", sagt Kowalczyk.

11 Uhr: In der Luft, 10 000 Meter über dem Boden

"Nach dem Start gehen wir in den Autopilot", sagt Till Kowalczyk. Die beiden Piloten haben dann eine überwachende Funktion und bleiben in Kontakt mit dem Funk. "Man hört immer den gesamten Funk und muss selektieren, ob man gemeint ist oder nicht", sagt er. Bleibt noch, die Anschnallzeichen auszuschalten und die Passagiere zu begrüßen, "Guten Morgen aus dem Cockpit". Dafür gibt es ein Gerät, das ein bisschen so aussieht wie ein altes Autotelefon.

Am meisten Spaß machen eigentlich Start und Landung, weil man da noch manuell fliegt, das finden sowohl Kowalczyk als auch Bastian Heide. Und einen gemeinsamen Lieblingsflughafen haben sie auch: Hamburg. "Weil ich dort zu Hause bin", sagt Kowalczyk. So richtig viel bekommen sie von den anderen Flughäfen ohnehin nicht mit. Sie fliegen keine Langstrecken und deshalb eigentlich meist am selben Tag wieder zurück, manchmal auch vier Strecken, also Hamburg - Zürich - Hamburg - Wien - Hamburg, manchmal auch auf die Kanaren, aber immer maximal 14 Stunden Dienst am Stück. Wenn sie die Länder nicht nur von oben anschauen wollen, müssen auch sie in den Urlaub fliegen. Der anspruchsvollste Flughafen, den Heide und Kowalczyk je angeflogen haben, ist Madeira. "Wegen der Winde dort und wegen des reinen Sichtanflugs, weil es kein Instrumentenlandesystem gibt", sagt Bastian Heide. Er hat eine Spezialeinweisung bekommen, die nötig ist, wenn man auf Madeira landen will. In Stuttgart landen ist nicht so anspruchsvoll. Eine Stimme zählt runter, 400, 300, 200...bis man aufsetzt, an diesem Tag nach 53 Minuten Flug.

12 Uhr: Auf dem Flughafen Stuttgart, nach der Landung

Die Passagiere verlassen den A 320, neue Passagiere steigen ein, die Crew unterhält sich, man trinkt noch einen Kaffee oder einen Tee. Die Piloten tragen auf Zettel und in das Bordsystem die Landezeit und die Parkposition ein - für die Statistik und die Wartung - und sie stellen ein, wie viel getankt werden soll für den Rückflug. Auch hier geht einer der beiden Piloten wieder um das Flugzeug herum, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist: keine Flüssigkeit, kein Schmutz, kein Riss. Eine knappe Stunde später geht es schon wieder zurück in die Luft. "Eigentlich sitzt man den ganzen Tag", sagt Till Kowalczyk. Er geht als Ausgleich joggen und zum Rückentraining. Das klingt nach einem ganz normalen Bürojob, es riecht sogar wie im Büro, nach Teppich. "Aber jeder Tag ist anders, das ist das Besondere", sagt Kowalczyk. Für ihn war klar, dass er Pilot werden wollte, deshalb sparte er schon während der Schulzeit Geld. Etwa 58 000 Euro kostete die Ausbildung an einer privaten Schule, "aber heute ist die viel teurer", sagt Kowalczyk.

13 Uhr: Flughafen Stuttgart, nach dem Start

Druck auf den Ohren, etwa beim Landen, merken sowohl Heide als auch Kowalczyk kaum noch. "Man macht diese Mundbewegungen automatisch", sagt Kowalczyk. "Nach zehn Jahren als Pilot ist meine Eustachische Röhre ganz schön elastisch", sagt Bastian Heide. Wer sich jetzt fragt, was das ist: Diese Röhre verbindet die Mittelohrhöhle mit dem Nasen-Rachen-Raum und dient dem Druckausgleich. Auch Ruckeln macht den beiden nichts aus. "Das ist wie Fahren auf einer unruhigen Straße", sagt Bastian Heide. "So ein Flugzeug kann ganz schön was ab. Außerdem wäre es schlimm, wenn wir Angst vorm Fliegen hätten." Auch Nebel finden beide nicht beunruhigend. Mindestens 75 Meter sollte die Sicht beim Landen betragen, beim Start 125 Meter. "Das ist aber von Flughafen zu Flughafen verschieden", sagt Kowalczyk.

In 51 Minuten werden sie in Hamburg aufsetzen, dann wird es etwa 13.45 Uhr sein. Den restlichen Nachmittag hat Till Kowalczyk noch nicht verplant. "Vielleicht werde ich etwas mit meiner Freundin unternehmen", sagt er. Immerhin scheint ja die Sonne selbst in Norddeutschland an diesem Tag nicht nur über den Wolken.

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