E.on prüft Veräußerung seiner Müllverbrennungssparte. Die Gemeinde Stapelfeld rechnet mit einem Abriss der 32 Jahre alten Anlage.

Stapelfeld. Die E.on-Tochterfirma Energy from Waste (EEW) soll offenbar verkauft werden. "Wir haben einen möglichen Verkauf geprüft, und diese Prüfung ist abgeschlossen", sagte E.on-Pressesprecher Alexander Ihl auf Anfrage. Wie diese Prüfung ausgefallen ist, mochte er nicht erläutern. "Zu einem möglichen Verkauf äußern wir uns nicht", sagte er.

Die E.on-Pläne sind auch für die Gemeinde Stapelfeld von großer Bedeutung, denn die dortige Müllverbrennungsanlage (MVA) ist einer von europaweit 18 EEW-Öfen. In Stapelfeld fährt das Unternehmen Jahr für Jahr schöne Gewinne ein. 2010 waren es 15 Millionen Euro, 2009 gar 22 Millionen Euro. Dennoch fragen sich viele der rund 100 Beschäftigten der MVA schon seit längerem, wie es weitergeht mit der Anlage im Gewerbegebiet. Denn in der Müllbranche gibt es eine Währung, die wichtiger ist als Geld: Lieferverträge. Welche Kommune bringt seinen Restabfall zur MVA und bezahlt für die Verbrennung? Nach derzeitigem Stand tut das in Stapelfeld ab Jahresbeginn 2017 niemand mehr. Im aktuellen Lagebericht des Unternehmens heißt es dazu lapidar: "Im Januar 2011 wurden von den Vertragspartnern die bestehenden Entsorgungsverträge fristgerecht zum 31.12.2016 gekündigt. Um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, werden zusammen mit dem Stoffstrommanagement der EEW-Gruppe Strategien entwickelt, um die Anlage auch nach 2016 auszulasten."

Welche Strategien das sein könnten, bleibt vorerst das Geheimnis von EEW. Pressesprecher Andreas Aumüller mochte sich nicht zur Zukunft der mehr als 30 Jahre alten MVA äußern. "Es werden verschiedene Optionen geprüft", sagte er. "Welche das sind, kann ich Ihnen nicht sagen."

Eine Option ist sicher die Stilllegung. Stapelfeld stellt sich schon darauf ein. Die Gemeinde ist abhängig von der MVA, denn viele Einfamilienhäuser im Ort werden mit der Abwärme der Müllöfen beheizt. Erlischt dort das Feuer, bleiben die Heizkörper in rund 500 Haushalten kalt. "Wir gehen davon aus, dass die MVA geschlossen wird", sagt Dieter Scheel, Fraktionschef der CDU in der Stapelfelder Gemeindevertretung und stellvertretender Bürgermeister. Derzeit werden intensive Gespräche über den Bau eines Blockheizkraftwerks geführt, das die "Mülle" als Lieferant heißen Wassers ersetzen soll.

Und auch in der MVA selbst stellt man sich offenbar schon auf die Stilllegung ein. Kay Grümmert, seit vielen Jahren Geschäftsführer, geht demnächst in Ruhestand. Sein Nachfolger, so heißt es im Unternehmen, werde sich im Wesentlichen darum kümmern müssen, die Fachkräfte zu halten. Denn angesichts der ungewissen Zukunft würden sich viele MVA-Mitarbeiter schon jetzt nach einem anderen, sicheren Arbeitsplatz umsehen.

Mit dem Abriss des markanten Gebäudes ginge in Stapelfeld ein Stück Industriegeschichte zu Ende. Seit 1979 wird in der MVA Abfall verbrannt. Oft genug wurde die "Mülle" zum Brennpunkt von Protesten, die Umweltschutzorganisationen organisiert hatten. Sie befürchteten, dass die Anlage Dioxin ausstoßen könnte.

Die Stapelfelder selbst haben sich in ihrer Mehrheit mit der Müllverbrennung arrangiert. In der Schwimmhalle der MVA konnten und können sie gegen einen kleinen Vereinsbeitrag kostenlos baden. Und für die Fernwärme gibt es ebenfalls Sonderkonditionen. Kein Wunder, dass Dieter Scheel es "schade" findet, wenn die MVA abgerissen werden sollte.

Aber die Lage auf dem Müllmarkt hat sich seit 1979 gravierend verändert. Neue Verbrennungsanlagen sind dazugekommen. Weil zugleich immer mehr Abfall verwertet wird, ist Restmüll zum seltenen Gut geworden. Viele Öfen sind nicht ausgelastet, die Entsorgungspreise sinken. Von diesem Trend wollen zumindest zwei der drei momentanen Vertragspartner der MVA profitieren: die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg. Sie liefern bislang zusammen 115 000 Tonnen Restmüll pro Jahr an. Hamburg, der dritte Partner, bringt 200 000 Tonnen nach Stapelfeld.

Die beiden Kreise wollen ab 2017 nur noch maximal 90 000 Tonnen verbrennen lassen, und sie wollen einen geringeren Preis pro Tonne bezahlen. Wer den Auftrag bekommt, ist noch unklar. Klar ist: Er muss ausgeschrieben werden. Jede Müllverbrennungsanlage kann sich bewerben. Auch die MVA.

Aber selbst mit diesem Auftrag wäre die aus zwei Öfen bestehende Anlage, die 350 000 Tonnen schlucken kann, noch längst nicht ausgelastet. Nicht einmal ein Ofen könnte damit weiterbetrieben werden. Und Hamburg fällt als Kunde weg. Dort wird zurzeit die Mülltrennung ausgebaut. 33 Prozent aller Haushalte haben mittlerweile eine Biotonne. Reinhard Fiedler, Pressesprecher der Stadtreinigung, rechnet damit, dass sich diese Zahl noch deutlich erhöhen wird. Folge: "Wir werden Ende 2016 deutlich weniger Restmüll produzieren. Deshalb brauchen wir die MVA Stapelfeld nicht mehr." Gut möglich, dass auch die neuen Eigentümer der Anlage zu diesem Schluss kommen.