Der pensionierte Baudirektor Eckehard Knoll wirft Ingenieuren vor, bei der Planung des Buckels falsche Vorschriften herangezogen zu haben.

Bargteheide. Die Geschichte über den 1,40 Meter hohen Bargteheider Buckel droht sich zu einem Skandal auszuwachsen. Der Ahrensburger Diplom-Ingenieur Eckehard Knoll hat sich die Einmündung der neuen Westumgehung in die Alte Landstraße genau angesehen und Akteneinsicht genommen. Jetzt erhebt der frühere Baudirektor bei der Hamburger Stadtentwicklung schwere Vorwürfe: "Es wurden falsche Vorschriften verwendet. Und kein Mensch hat das gemerkt: Die Planer nicht, die Prüfer nicht, die Stadt nicht." Seine Erkenntnis: Der Buckel ist unsinnig und wäre vermeidbar gewesen.

Zweifel an der Richtigkeit dieses Bauwerks hatte es von Anfang an gegeben. Zahlreiche Bürger hatten belustigt bis verärgert im Rathaus angerufen, um zu erfahren, ob das wirklich so bleiben darf. Die Stadt selbst hegte Zweifel. "Wir haben mehrfach nachgefragt und extra noch einmal zum Ortstermin geladen", sagt Bürgermeister Henning Görtz. Die Antwort des zuständigen Oststeinbeker Ingenieurbüros Masuch und Olbrisch und der Lübecker Niederlassung des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr in Schleswig-Holstein lautete einhellig: die DIN-Normen und alle Vorschriften seien erfüllt.

Knoll, der in Hamburg selbst Vorschriften für den Straßenbau gemacht hatte, genügte das nicht. Auf Anfrage bekam er von der Stadt Bargteheide die Genehmigung, die Bauunterlagen einzusehen. Knoll: "Eine falsche Vorschrift anzuwenden ist das Schlimmste, was bei einer Planung passieren kann."

Bei der Westumgehung handele es sich um den Typ B III - um eine anbaufreie Straße mit sogenannter zwischengemeindlicher Verbindungsfunktion innerhalb bebauter Gebiete. "So steht es mehrfach im Erläuterungsbericht zum Bauentwurf. Und für diesen Straßentyp war die Vorschrift EAHV maßgebend, die Empfehlung für die Anlage von Hauptverkehrsstraßen."

Stattdessen habe das Planungsbüro die RAS-L (Richtlinien für die Anlage von Straßen, Linienführung) und die dazugehörende Berechnungstabelle herangezogen. Knoll: "Nach dieser Grafik ergibt sich bei Tempo 70 und dem vorhandenen Kurvenradius von 250 Metern tatsächlich eine Neigung von 5,5 Prozent und damit der besagte Bargteheider Buckel. " Richtig wäre jedoch die EAHV-Vorschrift gewesen. "Und danach hätte eine Straßenneigung von vier Prozent ausgereicht." Damit wäre der Buckel um rund 20 Zentimeter kleiner ausgefallen. "Aber es kommt noch schlimmer", sagt Knoll, der nicht nur die Vorschriften, sondern auch die Vorgaben überprüft hat.

"Der Buckel soll nach Aussage der Planer verhindern, dass die Autos aus der Kurve fliegen. Aber die Westumgehung ist nicht der Nürburgring. Die Bargteheider Trasse führt auch nicht durch die Walachei. Wir haben hier eine mit Ampeln geregelte Kreuzung." Und das habe Konsequenzen für die Geschwindigkeitsbegrenzung. Weil die Ampel in der 90-sekundigen Umlaufzeit nur 20 Sekunden auf Grün stehe, könnte weniger als ein Viertel aller Fahrzeuge mit 70 Stundenkilometern über die Kreuzung fahren. Knoll: "Schon von daher ist Tempo 70 gar nicht machbar." Aber selbst bei Grün dürften die Autofahrer nicht einfach über die Kreuzung brettern. "Wer links Richtung Ammersbek abbiegen will, muss abbremsen. Und wenn für die Tempo 70 nicht zugelassen werden kann, muss das auch für alle anderen Autofahrer gelten, die die Kreuzung passieren. Das schwächste Glied in der Kette ist immer maßgebend", sagt Knoll, "da hilft es nichts, dass die Stadt Tempo 70 will, um den Westring attraktiv zu machen." Tempo 60 sei im Einmündungsbereich unabdingbar. Knoll: "Bei Tempo 60 und unter Heranziehung der richtigen Vorschrift ergibt sich eine Neigung von nur 2,5 Prozent. Von Buckel wäre da nichts zu sehen."

"Wir geben ungeprüft keinen Kommentar dazu"

In der Verantwortung sieht Knoll vor allem das Planungsbüro Masuch und Olbrisch. Von dort war gestern keine Stellungnahme zu bekommen. "Wir geben ungeprüft keinen Kommentar dazu", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Andreas Mühlenbeck, "im Übrigen haben wir alle Planungsvorgaben mit dem Auftraggeber, dem Land Schleswig-Holstein, abgestimmt."

Der Direktor des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, Torsten Conradt, sagt: "Wir hatten uns darauf verständigt, bei Tempo 70 zu bleiben, um durch Geschwindigkeit die Länge der Strecke auszugleichen. Und Tempo 70 ist für solche Bereiche Standard. Und was die Vorschriften und den Straßentyp angeht, müssen wir abwarten, was Lübeck herausfindet." Jens Sommerburg, Leiter der Lübecker Niederlassung, hat bereits angekündigt, die Unterlagen noch einmal prüfen zu lassen. "Den Hinweis auf Tempo 60 weist er schon jetzt zurück: "Wo steht das denn geschrieben?"

Bargteheides Bürgermeister Henning Görtz sieht sich derweil unter Rechtfertigungszwang "für Dinge, für die ich nichts kann. Ich muss mich doch auf die Aussagen der Planer verlassen können." Viel Handlungsspielraum für Änderungen gebe es nicht. Das Planfeststellungsverfahren sei gelaufen, auch schon für den zweiten Teil der Umgehung. Die Stadt werde jetzt kritisch beobachten, ob der Winterdienst trotz der Straßensteigung funktioniert und ob die Sicherheit gewährleistet ist. Görtz: "Schön ist der Buckel nicht, aber hässlich allein reicht nicht. Wichtig ist, dass die Straße funktioniert."