Radfahrer beklagen zunehmende Rücksichtslosigkeit und Aggressivität von Autofahrern. Aber auch Radler verhalten sich nicht immer vorbildlich

Ahrensburg. Mit den Temperaturen steigt auch die Lust vieler Stormarner, sich wieder auf das Fahrrad zu schwingen. Und schon gibt es Ärger. Immer wieder kommen sie sich mit Autofahrern in die Quere. Insbesondere, wenn sie auf der Fahrbahn unterwegs sind. Autofahrer nervt es, wenn sie wegen der Drahtesel abbremsen müssen. Sie wollen, dass die Radwege genutzt werden und verweisen auf die Radwege-Benutzungspflicht.

Was viele Autofahrer aber nicht wissen: eine generelle Verpflichtung, Radwege zu benutzen, gibt es nicht. "Viele kennen nicht einmal die Gesetze", sagt Radfahrerin Ani Winkler aus Großensee. Solange keines der drei möglichen Gebotsschilder aufgestellt ist, dürfen Radfahrer die Fahrbahn benutzen. Davon macht Ani Winkler gern Gebrauch. "Auf der Straße kann ich das Tempo fahren, das ich möchte", sagt die 45-Jährige, die ursprünglich aus Hessen kommt. "Dort ist es üblich, dass Radfahrer auf der Straße unterwegs sind." In Stormarn müsse sie zum Teil auf kombinierten Rad- und Fußwegen fahren und werde von Autofahrern nicht ernst genommen. Wann immer sie die Fahrbahn nutze, ernte sie böse Blicke von Autofahrern. Winkler: "Ich wurde sogar schon angehalten und aufgefordert, mein Rad zu schieben."

Unebenheiten und Ausfahrten machen viele Radwege unsicher

Viele Radfahrer können nicht nachvollziehen, warum welche Wege als benutzungspflichtig gekennzeichnet werden. Reiner Hinsch, Vorsitzender des Kreisverbandes des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), kritisiert: "Die Benutzungspflicht wird oft auf Radwegen ausgewiesen, die baulich gar nicht dafür geeignet sind." Unebenheiten, zum Beispiel durch Baumwurzeln bedingt, und Ausfahrten machten die Wege unsicher. Als Beispiel nennt Hinsch die Grabauer Straße und die Hagenstraße in Bad Oldesloe: "Die kann man eigentlich gar nicht benutzen."

Solche Probleme kennt Dixon Rod aus Ahrensburg nur zu gut. Oft ist er mit Anhänger unterwegs, in dem sein Töchterchen Lotta sitzt. Rod: "Viele Wege sind in einem miserablen Zustand. Es ist schwierig, dort zu fahren." Genervt sei er von Ahrensburgern, die mit ihren Autos Radwege zuparken. "Da komme ich oft nicht mit dem Anhänger vorbei", sagt der 30-Jährige.

Eine besonders gefährliche Situation habe Rod im Winter in der Innenstadt erlebt: "Ein Auto hat mir an der Kreuzung Große Straße/Woldenhorn die Vorfahrt genommen. Ich musste stark bremsen, bin auf der eisglatten Fahrbahn ausgerutscht und gestürzt."

Reiner Hinsch vom Fahrradclub schätzt kombinierte Rad- und Fußwege als gefährlich ein. Die Straßen seien meistens in einem viel besseren Zustand als die Radwege. Der ADFC empfehle deshalb, lieber auf der Fahrbahn zu fahren. Hinsch: "Das ist meist sicherer - insbesondere, wenn es sich nicht um viel befahrene Straßen handelt."

Das sieht Verkehrsexperte Kay-Uwe Güsmer von der Stormarner Polizei anders: "Ich würde meinen Kindern immer sagen, ihr fahrt auf dem Sonderweg." Denn er habe Zweifel daran, dass Neunjährige die Verkehrsregeln gut genug kennen, um sicher auf der Straße zu fahren. Güsmer weist auch darauf hin, dass Eltern für die Verkehrserziehung ihrer Kinder verantwortlich sind. Und er erinnert daran, dass Schutzhelme bei Unfällen Leben retten können.

Oftmals gefährdeten sich Radfahrer selbst, sagt die Polizei. Wer gegen Verkehrsregeln verstößt, bringe sich und andere in Gefahr. Obendrein müsse die Polizei immer wieder Fahrräder aus dem Verkehr ziehen, die nicht sicher sind. Güsmer: "Häufig funktionieren die Bremsen oder das Licht nicht." Auch hier seien die Eltern gefordert. Sie müssten zum Beispiel darauf achten, ob das Fahrrad die richtige Größe für das Kind habe. Güsmer: "Viele Kinder haben High-Tech-Räder, die viel zu groß für sie sind. Kinder müssen mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen können, wenn sie auf dem Sattel sitzen."

Die Erfahrungen der Polizei decken sich mit Untersuchungen des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC), wonach jeder zweite Radfahrer eine Gefahr für sich und andere darstellt. 2009 registrierte die Polizei in Stormarn 243 schwere Unfälle mit Radfahrern. 240 Menschen wurden verletzt. Kinder sind laut Polizei besonders gefährdet. 45 Kinder wurden 2009 in Stormarn verletzt, neun dieser Unfälle ereigneten sich auf dem Schulweg.

Fahrradclub-Sprecher Hinsch nennt aber auch positive Beispiele für Radwege. "Auf der Hamburger Straße in Bad Oldesloe gibt es einen 500 bis 600 Meter langen Abschnitt, bei dem auf der Straße für die Radfahrer ein eigener Streifen gekennzeichnet ist." Eine gute Lösung, sagt der ADFC-Vorsitzende: "Da fahren die Radfahrer im Sichtfeld der Autos."

Jürgen Hentschke vom ADFC-Ortsverband Ahrensburg hat eine ganz andere Gefahrenquelle ausgemacht. Noch immer seien nicht alle Reste von Streusand aus dem Winter beseitigt. "Es gibt Leute, die die Wege vor ihrem Grundstück nicht gesäubert haben. Wir geben die Adressen der Stadt, damit die Leute ermahnt werden. Aber bei einigen hilft auch das nicht."

Viele haben sich ewig nicht mit der Straßenverkehrsordnung beschäftigt

Auch der Schlossstädter Jürgen Hentschke berichtet von Konfliktsituationen zwischen Auto- und Radfahrern. Er appelliert an alle Verkehrsteilnehmer, mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen und dem Ärger nicht sofort freien Lauf zu lassen. "Ganz wichtig ist Kommunikation."

Grund für viele der Streitigkeiten ist nach Hentschkes Ansicht häufig eine mangelnde Kenntnis der Gesetze. "Viele Autofahrer haben sich seit der Führerschein-Prüfung nicht mehr mit der Straßenverkehrsordnung beschäftigt." Dabei habe sie sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Regionalausgabe Stormarn hat sich deshalb mit den größten Irrtümern beschäftigt und die wichtigsten Regeln der Straßenverkehrsordnung zum Fahrradfahren zusammengestellt (siehe Bericht rechts).