Es ist eine schwere Entscheidung, den Vater ins Pflegeheim zu geben, auch wenn er dort medizinisch besser versorgt ist. Es gibt einen Stich ins Herz, die Wohnung der Mutter aufzulösen, auch wenn sie in eine noch so schöne Seniorenresidenz zieht.

Ein Stück Familie wird in die Hände von Fremden gelegt. Umso wichtiger ist das Vertrauen in diese Einrichtungen. Die Awo hatte das Vertrauen.

Mehr als 13 Jahre lang hat sie das Servicehaus im Gartenholz aufgebaut und betrieben - mit Herzblut. Das tat den Senioren gut, war eine Beruhigung für die Verwandten. Ironie des Schicksals: Genau das hat den Betrieb zu Fall gebracht. Betreutes Wohnen ist angesichts der demografischen Entwicklung eine Wachstumsbranche. Wer bestehen will, muss sich dem Wettbewerb stellen. Herzblut sollte sein - knallhartes Kalkulieren muss sein. Nun kommt ein neuer Betreiber. Für die Bewohner, die Angehörigen und die Mitarbeiter ist es ein schmerzvoller Wechsel. Aber die Zeit, in der die Großfamilie zuständig war, ist vorbei. Und die Zeit, in der die Awo mit ihrem Konzept überlebensfähig war, auch.

Jetzt gilt es, der Zukunft ins Auge zu sehen. Der neue Betreiber sollte nicht zu forsch vorgehen, mit dem vermutlich lukrativeren Management den alten Geist des Mit- und Füreinanders austreiben. Die Awo sollte aus dem Desaster lernen und gutes Wirtschaften nicht gleichsetzen mit Herzlosigkeit. Wie sollte sie ihr soziales Engagement sonst finanzieren? Und die Bewohner? Sie sollten nicht grollen, sondern den Hausherren zeigen, wo es langgeht und wie bisher ihren dritten Lebensabschnitt mitgestalten. Diese Freiheit ist kostbar. Die sollte sich keiner durch einen sehnsuchtsvollen Blick zurück nehmen lassen.