Lehrer aus zahlreichen Stormarner Schulen widersetzen sich heute dem Streikverbot und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen

Bad Oldesloe. Lehrer, Eltern und Schüler vieler Schulen in Stormarn protestieren heute gegen die Kieler Bildungspolitik. Sie wehren sich gegen steigende Arbeitsbelastung, fehlende Kontinuität in der Bildungspolitik und die neuen Sparpläne. Das Land will bis 2020 etwa 4000 Lehrerstellen streichen und ab kommendem Schuljahr die Arbeitszeit erhöhen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die Lehrer deshalb aufgerufen, ab der dritten Stunde zu streiken. Einige Stormarner Pädagogen wollen dem Aufruf folgen und sich bei Kundgebungen in Bad Oldesloe und Ahrensburg treffen. An anderen Schulen halten sich die Lehrer an das Streikverbot für Beamte - protestieren aber in Zusammenarbeit mit Eltern und Schülern in anderer Form gegen den Sparkurs von Bildungsminister Ekkehard Klug.

"Das Maß ist voll", sagt Georg Schau, Kreisvorsitzender der GEW. "Ständig gibt es neue Aufgaben - bis hin zur kompletten Neu- und wieder Rückgestaltung eines neuen Schultyps. Dazu Pflichtstundenerhöhung, Stellenabbau, Kuddelmuddel mit der acht- oder neunjährigen Lernzeit bis zum Abitur - nur einige Beispiele für das Kieler Bildungs-Chaos." In Bad Oldesloe ist deshalb heute um 12 Uhr eine Kundgebung auf der Hude geplant. Motto: Klug macht dumm. Erwartet werden mindestens 150 Teilnehmer. "Auch von uns werden einige Kollegen mitmarschieren", sagt Bernd Wienicke, Lehrer an der Theodor-Mommsen-Schule. "Viele Kollegen sagen jetzt: Es reicht!"

"Wir müssen immer mehr arbeiten - für immer weniger Geld", sagt Maria McCrae. Sie ist Lehrerin an der IGS Ahrensburg, die ab August Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule heißen wird. Zu der Arbeitsbelastung komme das Hin und Her in der Schulpolitik. "Es ist für Lehrer und Schüler unerfreulich, wenn immer wieder neue Reformen kommen, die nicht durchdacht sind", sagt die 59-Jährige. So würden Gymnasiallehrer an Gemeinschaftsschulen geringer bezahlt als an Gymnasien - trotz des höheren Aufwandes durch gemischte Schülergruppen und ständigen Einsatzes in der Oberstufe. McCrae: "Die Gymnasiallehrer werden die Gemeinschaftsschulen verlassen. Uns vergeht die Lust. Es geht nur noch ums Sparen."

Deshalb werden knapp 30 Lehrer der IGS heute ihre Arbeit niederlegen. Auch Maria McCrae ist dabei: "Ich streike, weil ich für die Schüler und die jüngern Kollegen gerade stehen möchte." Die Ahrensburger Lehrer marschieren zum Muschelläufer auf dem Rondeel, um die Figur um 11 Uhr in "Herr Klug" umzubenennen. Eine gewisse Ähnlichkeit sei erkennbar, sagt McCrae. "Er hat gelbe Haare, einen blauen Anzug, ein leeres Füllhorn, ist unbeliebt und beschädigt."

Unzufrieden sind auch die Lehrer an der Ahrensburger Gemeinschaftsschule am Heimgarten. Ihr Protest richtet sich vor allem gegen die mangelnde Unterstützung aus Kiel bei dem Aufbau der Gemeinschaftsschule. Die Sparmaßnahmen hätten "verheerende Auswirkungen" auf die Gestaltung dieser neuen Schulform, sagt Lehrer Thomas Gehrke als Sprecher des Kollegiums. In einem Schreiben des Personalrats und des Schulelternbeirats heißt es: "Die Umsetzung einer 'Schule für alle Kinder' kostet Kraft und Zeit. Dafür waren bessere personelle und räumliche Rahmenbedingungen versprochen worden." Stattdessen müssten neu eingestellte Realschul- und Gymnasiallehrer nun Gehaltseinbußen hinnehmen, wenn sie an einer Gemeinschaftsschule unterrichten. "Damit steht das Konzept unserer Schule vor dem Scheitern." Eltern und Lehrer befürchten, dass die Gemeinschaftsschule zur "ungeliebten Restschule" verkommt. Sie fordern bessere Rahmenbedingungen für die Einbindung von Kindern mit besonderem Betreuungsbedarf, Unterstützung durch Fachkräfte, die Beibehaltung der Besoldungsstufen und eine einheitliche Stundenverpflichtung von 26 Unterrichtstunden.

Auch in Glinde, Reinbek und Barsbüttel wird heute nicht nach Plan unterrichtet. "Viele unserer Kollegen machen mit", sagt Volker Wurr, Schulleiter der IGS Glinde. Der Schulelternbeirat unterstütze die Arbeitsniederlegung. Wurr: "Die Beaufsichtigung der Schüler ist gewährleistet." Die Glinder Lehrer treffen sich nach der dritten Stunde mit Kollegen aus Südstormarn auf dem Marktplatz und fahren dann zur Oldesloer Kundgebung. "Noch mehr Arbeitsbelastung wäre nicht mehr zu ertragen", sagt Lehrerin Anke Grothe. "Das kann nur zu Lasten der Kinder gehen."

Imke Adami, die Vorsitzenden des GEW-Ortsverbandes in Glinde, ist Lehrerin am Förderzentrum. "Wir fühlen uns im Stich gelassen", sagt sie. Die hohe Belastung und die ständigen Reformen zehrten an den Nerven der Lehrer. Es fehle Zeit für Unterrichtsvorbereitung, die Konzeptarbeit und die Planung der Integrationsmaßnahmen. Fortbildungen müssten meist am Wochenende besucht werden. "Dass sich jetzt viele Lehrer trotz der angedrohten Konsequenzen am Streik beteiligen, ist ein Zeichen." Eine Alternativveranstaltung zum Streik wird es am Glinder Gymnasium geben. Dort hat die Schülervertretung - unterstützt von Elternvertretern und dem Personalrat - eine Demonstration organisiert. "Es gibt eine Luftballonaktion, ein Aktionslied und Informationen für Schüler, Eltern und Lehrer", sagt Thomas Wilken, Oberstufenleiter und Personalrat.

In Bargteheide gibt es um 15 Uhr eine Streikaktion auf dem Marktplatz. "Wir werden aber angesichts der Rechtslage nicht streiken", sagt Heiko Rahf, stellvertretender Schulleiter des Eckhorst-Gymnasiums. Protestieren wollen die Lehrer trotzdem. "Wir werden vom 3. Juni an die freiwilligen Aktivitäten reduzieren." Eine Liste mit den gestrichenen Angeboten wird an das Ministerium geschickt. Freiwillige Arbeitgemeinschaften seien bei größerer Arbeitsbelastung nicht mehr möglich, sagt Rahf. "Erst diese zusätzliche Arbeit macht aber eine gute Schule aus."

Obwohl das Ministerium angekündigt hat, dass streikende Lehrer mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben, hält die Gewerkschaft am Streikaufruf fest. "Die jüngsten Kürzungsbeschlüsse zeigen, dass der Minister offenbar nie etwas von der PISA-Studie gehört hat, die Deutschland erhebliche Defizite in der Bildung nachgewiesen hat", sagt Heiko Winckel-Rienhoff, GEW-Kreissprecher. "Jetzt in der Bildung zu kürzen, ist kurzsichtig."