Junge lag nach Sturz von Parkhaus monatelang im Koma. Jetzt organisieren Mitschüler einen Charity-Abend

Großhansdorf. "Wir wollen der leidgeplagten Familie unter die Arme greifen", sagt Vera Martens. Dann fügt die Schülerin an: "Wir haben gesehen, wie sehr sie gelitten hat." Sie, das ist Familie Meyer aus Hoisdorf. 18 Monate ist es her, dass Nico, damals 15 Jahre alt, in Ahrensburg vom Parkhaus Alter Lokschuppen stürzte. Auf eine Betonplatte fiel, lebensgefährliche Kopfverletzungen erlitt. Monatelang lag er im Wachkoma. Daraus ist Nico wieder erwacht. Doch der Weg zurück ins Leben ist lang und steinig. Nico braucht Reha-Maßnahmen. Und die sind teuer.

Dabei wollen Vera Martens und ihre Mitschüler aus dem 13. Jahrgang des Emil-von-Behring-Gymnasiums helfen. Für den 7. Mai haben sie einen Benefiz-Abend nur für Nico organisiert. Karten gibt es für fünf Euro im Sekretariat der Schule. Das Geld kommt ausschließlich Nico zugute.

Rückblick: Es ist Freitag, 10. Oktober 2008. Letzter Schultag vor den Herbstferien. Nico trifft sich mit Freunden auf dem obersten Deck des Parkhauses. Die Jugendlichen wollen feiern, haben Musik dabei. Die Stimmung ist ausgelassen. Nico macht einen unbedachten Schritt nach hinten, fällt vom Parkdeck. Er stürzt sieben Meter in die Tiefe. Seine Freunde reagieren schnell, leisten Erste Hilfe, rufen einen Notarzt.

Mit schwersten Kopfverletzungen wird Nico in die Asklepios Klinik Nord in Hamburg-Ochsenzoll gebracht. Diagnose: Schweres Schädel-Hirn-Trauma, appalisches Syndrom, Beckenbruch und Lungenquetschung. Die Ärzte kämpfen lange um Nicos Leben. 13 Mal operieren sie den Schüler. Immer wieder muss die Familie mit Rückschlägen fertig werden. Bei einigen Eingriffen ist der Junge dem Tod näher als dem Leben. Doch die Mutter gibt nie auf: "Ich habe mich für den Weg der Hoffnung und des Kampfes entschieden", sagt Angela Meyer. "Ich glaube ganz fest daran, dass Nico gesund wird."

Lichtblicke im Oktober: Nico ist aus dem Koma erwacht, macht langsam Fortschritte. Er beginnt, wieder am Leben teilzunehmen. "Nico versteht alles, lacht laut, wenn Witze erzählt werden", berichtet die Mutter. Die Entwicklung macht ihr Mut, sie öffnet Nico die Tür für einen Platz in einem Schul- und Therapiezentrum für Behinderte. "Wir hoffen, dass Nico durch den Kontakt mit Jugendlichen seine Sprache wieder erlernen wird", sagt Angela Meyer. Zurzeit kommuniziert Nico mit den Augen, wird rund um die Uhr in der Helios Klinik in Geesthacht betreut. An besonderen Tagen wie Weihnachten und Ostern ist er zu Hause bei seiner Familie.

Doch vor vier Wochen dann ein erneuter Rückschlag. Angela Meyer sagt: "Es gab Komplikationen, von denen wir zurzeit noch nicht einmal die Ursachen kennen. Erst wenn diese Hürde genommen ist, können wir an unseren ursprünglichen Plan mit der Schule anknüpfen." Das Schicksal des Jungen hat seine Mitschüler "tief berührt", wie Elias Rawnaq sagt. Er bringt zum Ausdruck, was alle Mitinitiatoren der Benefizveranstaltung denken. "Es passieren viele schlimme Unfälle, aber die wenigsten bekomme ich so nah mit", sagt Robin Müller. Seit Nicos Unfall beschäftigen sich die Schüler mit der Frage: "Wie können wir persönlich helfen?"

Da kam ein Projektkurs Anfang des Jahres genau zur rechten Zeit. Schnell entschieden sich die Abiturienten für einen Charity-Abend. Liria Dupierry erinnert sich: "Wir haben uns über verschiedene Organisationen informiert, für die wir spenden können. Aber das gefiel uns alles nicht." Bente Funke: "Wir wollten etwas finden, was näher liegt, mit dem wir uns verbunden fühlen. Mit Nico sind wir schließlich zusammen auf die Schule gegangen." Elias kennt Nico aus dem Handballverein: "Wir waren zwar nicht in derselben Mannschaft, haben uns aber beim Training und bei den Spielen gesehen." Und Vera Martens erinnert sich noch gut an die gemeinsame Konfirmandenfahrt.

Nicos Mutter hat im Gespräch mit den Schülern, die sich für ihren Sohn einsetzen, angekündigt, beim Charity-Abend dabei zu sein. Auch wolle sie über das Schicksal ihres Sohnes sprechen. Den Weg in die Öffentlichkeit hat Angela Meyer bereits auf einer eigens für Nico eingerichteten Internetseite gesucht. Eindrucksvoll schildert sie dort Nicos Genesung und ihre Gefühle. Zeigt Bilder ihres Sohnes. Und einen Krieger mit Speer, der über den Wolken reitet. Siegessicher wirkt er. Neben dem Bild ein Text aus dem Buch "Handbuch des Kriegers des Lichts" von Paulo Coelho. "Wenn deine Füße so müde sind, dass du in die Mitte des Ringes zurückweichen musst, kämpfe eine Runde länger. Wenn deine Arme so müde sind, dass du deine Hände kaum hochkriegst, kämpfe eine Runde länger. Wenn deine Nase blutet und dein Auge blau geschlagen ist und du so müde bist, dass du wünschst, ins Reich der Träume geschickt zu werden, kämpfe eine Runde länger, denn der Mensch, der stets eine Runde länger durchhält, wird niemals besiegt werden!" Worte, die allen Mut machen, die an Nicos Genesung glauben.