Kiel plant eine zusätzliche Stunde. Pädagogen, Gewerkschaftler und Elternvertreter protestieren gegen die Mehrarbeit

Bad Oldesloe. Der Plan der schwarz-gelben Landesregierung in Kiel, die Pflichtstunden für Gymnasiallehrer zu erhöhen, sorgt für Unmut bei Schulen und Verbänden. Schon ab kommendem Schuljahr sollen Lehrer an Gymnasien - in Stormarn sind es etwa 550 - eine Stunde mehr unterrichten. Der Erlass, über den zurzeit beraten wird, sieht 25,5 statt wie bisher 24,5 Wochenstunden vor. Betroffen sind auch Lehrer an Gemeinschaftsschulen. Dort sollen künftig alle Pädagogen 27 Stunden unterrichten. Jetzt droht die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Streik.

"Die Stimmung ist schlecht", sagt Heiko Winckel-Rienhoff, der dem Stormarner Kreisvorstand der Lehrergewerkschaft angehört. Besonders stark würde die zusätzliche Arbeit Lehrer an Gemeinschaftsschulen belasten, sagt er. "Sie sind gerade dabei, eine neue Schulform aufzubauen, unterrichten nicht-homogene Schülergruppen. Integrativer Unterricht erfordert sehr viel mehr Aufwand. Aber statt dafür entlastet zu werden, sollen die Lehrer jetzt noch mehr arbeiten. Das widerspricht allem, was im Koalitionsvertrag steht."

Die zusätzliche Belastung ist auch nach Ansicht von Schulleitern ein großes Problem, das letztendlich die Schüler treffen wird. Eine Unterrichtsstunde bedeute schließlich - einschließlich Vor- und Nachbereitung - deutlich mehr als eine Arbeitsstunde, sagt Eva Kuhn, Leiterin des Gymnasiums Glinde. "Auch die Unterrichts- und Schulentwicklung beansprucht zusätzliche Arbeitszeit. Die Kollegen sind damit schon ausgelastet." Brigitte Menell, Rektorin des Kreisgymnasiums Bargteheide, befürchtet, dass freiwillige Angebote den zusätzlichen Pflichtstunden zum Opfer fallen. "Ich weiß nicht, ob das dann noch zu schaffen ist." Auch Heiko Rahf, stellvertretender Leiter des Bargteheider Eckhorst-Gymnasiums, sieht darin ein Problem. "Wir haben ein sehr engagiertes Kollegium. Aber wenn jeder eine Stunde mehr arbeitet, wird es für die Lehrer schwierig, weiterhin Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag anzubieten."

Henning Wulff, Lehrer an der Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe, befürchtet, dass die stetigen Kürzungen einen Lehrermangel auslösen werden. "Wenn sich die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern, wird es sehr schwierig werden, noch junge Kollegen zu gewinnen." Schon jetzt wanderten viele Lehrer in andere Bundesländer ab. Sein Kollege Karl-Wilhelm Fellensiek sagt: "Auf Dauer wird uns der Nachwuchs fehlen."

Auf Seiten der Eltern hat Silke Westphal, Mitglied im Elternbeirat des Oldesloer Gymnasiums, ähnliche Sorgen. "Statt die vorhandenen Lehrer weiter zu belasten, sollten vielmehr zusätzliche Kollegen eingestellt werden." Sie befürchtet, dass die Schüler die Folgen der Einsparungen deutlich spüren werden. "Wenn immer mehr Lehrer ausgebrannt sind und ausfallen, fällt auch für unsere Kinder immer mehr Unterricht aus." Von der Bildungspolitik der Landesregierung ist Silke Westphal enttäuscht. Die Umstellung auf die achtjährige Gymnasialzeit sei zwar für viele Schüler anstrengend. Trotzdem wünscht sich die Elternvertreterin nicht G9 zurück. Die Landesregierung plant, sowohl G8 als auch G9 anzubieten. "In Schleswig-Holstein gehen wir immer drei Schritte vor und rudern dann wieder zwei Schritte zurück. Das bringt doch nichts." Sinnvoller wäre es, für alle Schüler in Deutschland gleiche Bedingungen zu schaffen. Westphal: "Schulpolitik sollte bundesweit geregelt werden."

Klaus Mangold ist Sprecher des Vereins Pro Bildung Schleswig-Holstein, in dem sich vor allem Stormarner Eltern und Lehrer zusammen getan haben. Ihn stört vor allem, dass die Kürzung zur Finanzierung des umstrittenen Teilausstiegs aus der G8-Reform genutzt werden solle. Mangold: "Damit wird nicht der Unterricht verbessert. Das dient nur der Gesichtswahrung der FDP." Viel wichtiger seien Maßnahmen, die die Lehrer im Arbeitsalltag entlasten. "Die Zahl der Lehrer, die wegen Burn-Out-Syndrom ausfallen, nimmt zu, vor allem trifft es immer mehr junge, engagierte Lehrer - sie scheitern an ihren Ansprüchen", sagt er. Um die Situation zu verbessern, müssten die Arbeitsbedingungen für Lehrer verbessert werden. "Wir brauchen zum Beispiel Sozialpädagogen, Schulpsychologen und Lehrerarbeitsplätze", sagt Mangold. Er zeigt sich enttäuscht von der Landesregierung. "Statt der versprochenen Verbesserung gibt es jetzt eine Erhöhung der Stunden", sagt Mangold.

Ein erster Erlass der Landesregierung hatte eine Reduzierung der Pflichtstunden vorgesehen. Gemeinschaftsschullehrer sollten ab dem 1. August einheitlich 26 Stunden arbeiten. Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) dazu: "Angesichts der dramatische Finanzlage des Landes ist eine breite Ermäßigung der Pflichtstunden leider nicht möglich." Dass es nun 27 statt 26 Stunden sein sollen, sei für die Betroffenen "nicht erfreulich", sagt Stormarns Schulrätin Katrin Thomas. Eine einheitliche Stundenzahl für alle Lehrer an Gemeinschaftsschulen hält sie aber für unabdinglich. "Wenn, wie bisher, Hauptschullehrer 28, Realschullehrer 27 und Gymnasiallehrer noch weniger Stunden arbeiten, ist das eine unglückliche Situation für das Kollegium."

Einwände gegen den neuen Erlassentwurf sind bis zum 18. Mai beim Ministerium für Bildung und Kultur möglich. "Wir haben Gewerkschaften, Verbände, Schulen und Lehrer über unsere Pläne informiert und gebeten, Stellung zu nehmen", sagte Minister Ekkehard Klug.

Sogar der konservative Philologenverband will gegen die Mehrarbeit protestieren. "Wir sind enttäuscht von Herrn Klug, im Wahlkampf hatte er noch Verständnis für die Belastung der Lehrer gezeigt", sagt Sprecher Walter Tetzloff. Er fordert, dass der Aufwand für Abitur-Klausuren, Konferenzen und Administration verringert wird. "Lehrer sollten sich weitestgehend auf das Unterrichten konzentrieren können" Die GEW plant jetzt sogar einen Streik. Zurzeit läuft eine Urabstimmung. Falls sich die Lehrer für einen Protest aussprechen, soll am 3. Juni gestreikt werden. Auch für die Arbeitsniederlegung von Beamten sieht Heiko Winckel-Rienhoff "juristische Möglichkeiten". Er sagt: "Wir werden alle Lehrer aufrufen, ab der dritten Schulstunde ihre Arbeit niederzulegen und an Protestaktionen teilzunehmen."