Großer Andrang bei den Schuldnerberatungsstellen. In Glinde gibt es Wartezeiten von rund acht Wochen.

Bad Oldesloe/Glinde. Die Wirtschaftskrise treibt immer mehr Stormarner in den finanziellen Ruin. Die Zahl der Insolvenzen ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Bei Firmen und Selbstständigen gab es eine Zunahme von rund elf Prozent, die Zahl der Verbraucherinsolvenzen wuchs sogar um rund 15 Prozent. "2008 hatten wir 259 Verbraucherinsolvenzen, im vergangenen Jahr waren es 297", sagt Heike Meistering, beim Amtsgericht Reinbek für diese Verfahren zuständig. Bei den sogenannten Regelinsolvenzen (Firmen und Selbstständige) seien 2009 insgesamt 188 Verfahren eröffnet worden, 2008 seien es 169 gewesen. Das Amtsgericht Reinbek ist auf diesem Arbeitsfeld für den größten Teil Stormarns zuständig - ausgenommen einige Gemeinden im Norden.

Bei den Schuldnerberatungsstellen im Kreis hat die Wirtschaftskrise zu verstärkten Anfragen geführt. "Der Trend geht nach oben", sagt Siegward Derlin, Leiter der Awo-Beratungsstelle in Bad Oldesloe. Konkrete Zahlen kann er noch nicht nennen: Der Jahresbericht 2009 ist noch nicht ganz fertig. In Glinde ist man schon weiter: Die Schuldnerberatungsstelle der Sönke-Nissen-Park-Stiftung im Gutshaus hatte Ende vergangenen Jahres 783 langfristige Fälle in Bearbeitung, Ende 2008 waren es nur 543 Fälle - ein Anstieg um fast 45 Prozent. "Der Zulauf von Ratsuchenden ist unheimlich stark", sagt Monique Hoenig, die Leiterin der Beratungsstelle. "Wer heute anruft, bekommt, wenn es sich nicht um eine Krisensituation handelt, einen Beratungstermin im Juni. Eher geht es einfach nicht."

Sie befürchtet ebenso wie ihr Oldesloer Kollege Siegward Derlin, dass die von der Wirtschaftskrise verursachten Geldnöte in diesem Jahr noch erheblich zunehmen werden. "Das sagen uns eigentlich alle Experten", so Hoenig.

Bislang hat das Kurzarbeitergeld in vielen Fällen das Schlimmste verhindert. "Doch je länger die Kurzarbeit andauert, desto schwieriger wird die Lage", sagt Schuldnerberater Derlin. "Kurzarbeit ist ja immer mit Gehaltseinbußen verbunden. Finanzielle Löcher werden dann mit Rücklagen gestopft, aber die sind irgendwann aufgebraucht." Als nächster Schritt in die Not werde dann der Dispo ausgeschöpft. "Und dann bricht alles zusammen", so Derlin.

Noch gefährlicher als Kurzarbeit ist die Arbeitslosigkeit. "Arbeitslosengeld I bedeutet, dass man statt von netto 2000 Euro dann von 1200 oder 1400 Euro leben muss", sagt Derlin. Das gehe nur, wenn man Fixkosten reduziere.

Besonders schwierig wird es, wenn Kredite nicht mehr bedient werden können. Wer von Hartz IV leben muss, darf ohnehin keine Kreditzinsen mehr bezahlen. "Wir haben unheimlich viele Menschen mit gescheiterter Immobilienfinanzierung", sagt Monique Hoenig. Oftmals lasse sich die Zwangsversteigerung nicht mehr vermeiden. "Dabei sieht der Immobilienmarkt derzeit superschlecht aus, die Preise sind im Keller." Folge: Das Haus ist weg, aber die Schulden sind nur zum Teil getilgt.

Wer einen neuen Arbeitsplatz findet, ist damit nach Erfahrung der Schuldnerberatung noch längst nicht raus aus den Problemen. "Wir beobachten das schon seit Jahren, dass derjenige, der seine Arbeit verliert, nur noch einen Arbeitsplatz mit einem erheblich niedrigeren Einstiegsgehalt findet", sagt Siegward Derlin.

In Schleswig-Holstein ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im vergangenen Jahr um acht Prozent gegenüber dem Jahr 2008 gestiegen. Nach Angaben des Statistischen Amtes wurden landesweit 1203 Anträge gestellt. Insgesamt waren davon 6299 Beschäftigte betroffen, dessen Arbeitsplatz in Gefahr geriet. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen stieg 2009 landesweit um drei Prozent.