Mit der Elektrifizierung sollte alles besser werden. Doch in diesem Winter hagelt es Beschwerden. Einige Züge fallen sogar ganz aus.

Ahrensburg. Tausende Pendler, die täglich mit der Regionalbahn von Stormarn nach Hamburg und umgekehrt fahren, sind sauer. In diesem Winter vergeht kaum ein Tag, an dem sie nicht von Verspätungen und Zugausfällen überrascht werden. Dabei sollte mit der Elektrifizierung der Strecke Hamburg-Lübeck alles besser werden: Im Dezember 2008 hatten moderne E-Loks die störungsanfälligen Dieselloks abgelöst.

"In einer Woche sind wir bis auf Donnerstag jeden Tag zu spät zur Arbeit gekommen", sagt Marc Oliver Teßmer aus Hamburg. Täglich pendelt er mit seinen Kollegen Daniel Böttcher und Murat Kurtcu nach Ahrensburg. Die Drei arbeiten als technische Supporter bei der Computerfirma Acer. "Letztendlich müssen wir uns jeden Tag bei unserem Arbeitgeber rechtfertigen", sagt Teßmer.

Auch an diesem Morgen stehen die Drei mit Dutzenden weiteren Passagieren an Gleis sechs im Hamburger Hauptbahnhof und frieren. "Die Regionalbahn nach Bargteheide, planmäßige Abfahrt war 8.16 Uhr, verspätet sich voraussichtlich um 15 Minuten", dröhnt es aus dem Lautsprecher, "Grund der Verspätung ist eine Signalstörung. Wir bitten um Ihr Verständnis." Im Anschluss verpassen die Pendler oft andere Züge oder Busse. "Dann müssen wir ein Taxi nehmen, das kostet zwischen 7,50 und 9 Euro", sagt Marc Oliver Teßmer.

Die Warterei gehört zum Alltag auf der Strecke. "Heute Morgen hieß es erst fünf Minuten Verzögerung, dann 15 - und am Ende waren wir eine halbe Stunde zu spät. Das kommt fast täglich vor", sagt Lehramtsanwärterin Michaela Rönnau, die täglich aus Hamburg nach Bargteheide fährt. Von den Versprechen bei der Elektrifizierung sei nicht viel eingehalten worden. "Das hat alles nicht geklappt", sagt ein anderer Kunde.

Über lange Wartezeiten bei Minusgraden ärgern sich aber auch viele Ahrensburger, die täglich nach Hamburg pendeln. "Hier werden ja offensichtlich irgendwelche Umbaumaßnahmen vorgenommen. Da fehlt etwas, wo man im Warmen sitzen und warten kann", sagt die Ahrensburgerin Heike Jezewski. Es mangele am Service für Reisende. Wegen des Wetters lasse sie das Auto momentan stehen und fahre mit dem Bus zum Bahnhof. "Wenn die Busse sich verspäten, hat man keinen Anschluss mehr an die Bahn und umgekehrt", sagt die Immobilienfachwirtin. Sie habe schon mal eine Stunde auf den nächsten Bus gewartet.

Und wenn Heike Jezewski mit dem Auto fährt und es im Park-and-ride-Haus abstellt, hat sie andere Sorgen. "Das ist so verschmutzt, dass man nicht mal die Türgriffe anfassen mag", sagt sie, "in die Ecken wird hingemacht, Dreck und Müll liegen überall rum." Die drei Acer-Mitarbeiter Marc Oliver Teßmer, Daniel Böttcher und Murat Kurtcu notieren alle Verspätungen, lassen sich Bescheinigungen der Deutschen Bahn ausstellen. "Die müssen wir unserem Arbeitgeber vorlegen", sagt Teßmer. Die Zettelchen belegen, wann und wie lang die Verspätung war. Ab einer Stunde erst steht den Passagieren eine Erstattungsgebühr zu. Das ist bei den Pendlern natürlich so gut wie nie der Fall. Bevor eine Stunde um ist, kommt ja schon der folgende Zug. Hat dieser auch eine Verspätung, werden die Verzögerungszeiten für eine Erstattung nicht addiert. So kommt es oft zu einer doppelten Verspätung, die nur einfach bescheinigt wird.

Das Durcheinander nimmt manchmal auch kuriose Formen an. "Mit der verspäteten Bahn um 9.46 Uhr sind wir eher in Ahrensburg gewesen, als wenn wir den noch späteren Zug genommen hätten, der eigentlich um 9.16 Uhr gefahren wäre", sagt Daniel Böttcher. Sein Chef drücke bei unverschuldeter Verspätung bisher immer noch ein Auge zu. Ob er auch in Zukunft Verständnis hat, wenn die Bahn weiterhin so unpünktlich kommt, sei fraglich. "Hinterher werden vielleicht lieber Leute eingestellt, die in Ahrensburg wohnen und nicht zu spät kommen", befürchtet Kollege Murat Kurtcu. Auf den Job ist der frisch gebackene Vater angewiesen. "Ich verdiene 900 Euro netto im Monat, muss davon den Kredit für mein Haus in Elmshorn abbezahlen", erzählt er. Übrig bleibt nicht viel. Dafür seien die Fahrpreise zu hoch: "Ich zahle monatlich 134,50 Euro für mein Ticket und komme an 25 von 30 Tagen zu spät zur Arbeit", sagt Kurtcu. Wenn die Bahn auf dem Nachhauseweg fünf Minuten Verspätung habe, müsse er eine halbe Stunde warten, bis der nächste Bus käme. "Wofür zahle ich dann so viel Geld?"

Der Humor vergeht den drei Kollegen dennoch nicht. Marc Oliver Teßmer: "Schon bei fünf Minuten Verspätung bräuchte man eigentlich keine Fahrkarte mehr, weil sowieso kein Zugbegleiter mehr kontrolliert. Die trauen sich nicht mehr hier rein."