Kreisvergleich: Erste anschauliche Übersicht über schützenswerte Bausubstanz zwischen Tangstedt und Trittau, Lübeck und Hamburg.

Ahrensburg. Einkaufszentren und Parkhäuser schießen aus dem Boden. Alte Häuser verschwinden. Für die Menschen ist es jedes Mal der Verlust eines Stücks Heimat, für Kunsthistoriker ist es eine Katastrophe. Bestes Beispiel: das barocke Ahrensburg. Was hätte man retten können? Die Stormarn-Ausgabe des Hamburger Abendblatts hatte die Diskussion angestoßen und fasst nun nach: Wie ist es im Kreis um den Schutz historischer Bausubstanz bestellt? Ergebnis: Bad Oldesloe ist Stormarns Denkmal-Hauptstadt.

144 der 858 registrierten Kulturdenkmäler stehen in Oldesloe. Ahrensburg folgt mit 67 auf Platz zwei - mit deutlichem Abstand und auch nur im Städtevergleich. Schaut man aufs Umland, gibt Ahrensburg Rang zwei an das Amt Bad Oldesloe-Land ab.

"Es gibt sicher noch mehr Schätze. Ich kenne längst nicht alle", sagt Stormarns Denkmalpfleger Jens-Heinrich Weich. Eine halbe Stelle hat er in der Unteren Denkmalpflege des Kreises. Die andere Hälfte seiner Arbeit gehört dem modernen Hochbau. Da bleibt nicht viel Zeit, um durch den Kreis zu fahren und alte Gebäude und Parks in Augenschein zu nehmen und sich dann darum zu kümmern. "Ich erinnere mich an ein Reetdachhaus in Reethwisch aus dem 19. Jahrhundert. Das könnte jetzt unter Schutz stehen. Mittlerweile hat es sich so verändert, dass ich es mir lieber nicht mehr anschauen möchte", sagt Weich, der sich mit Elan dem Bewahren des historischen Stormarn widmet und so manche Überstunde schiebt.

Für den Landeskonservator Michael Paarmann ist das nicht genug. "Herr Weich macht hervorragende Arbeit. Aber mit einer halben Stelle gehört Stormarn zu den am schlechtesten ausgestatteten Kreisen. Das reicht vorn und hinten nicht aus. Man muss die Eigentümer der historischen Gebäude ja auch mit Herzblut beraten und nicht als Bürokrat auftreten. Um die Denkmäler zu bewahren, ist Überzeugungsarbeit nötig. Das kostet Zeit", sagt Paarmann und verweist auf das Herzogtum Lauenburg. Hier sind eineinhalb Stellen für den Denkmalschutz eingerichtet, ebenso in den Kreisen Segeberg, Ostholstein oder Rendsburg.

"Im Prinzip sind alle Denkmäler erfasst. Das ist die Basis", entgegnet Stormarns Leitender Kreisbaudirektor Klaus Kucinski. Und weiter: "Natürlich könnte man mehr Zeit investieren. Aber wir müssen zweckmäßig arbeiten, nach Aufwand, nicht nach dem Lustprinzip. Das können wir uns nicht leisten."

Im Übrigen sei Denkmalpfleger Weich mit seiner Aufgabe nicht allein. Auch dessen Vorgesetzter Dennis Bunk, Leiter der Abteilung Zentrale Gebäudewirtschaft, sei involviert. "Wir hängen uns auf der Führungsebene alle mit rein. Ich bin gerade in intensiven Gespräche über die Zukunft des Jersbeker Barockgartens", sagt Kucinski und verweist damit auf einen unerfreulichen Schwebezustand in Sachen Denkmalschutz: Der Kreis hat den Pachtvertrag mit dem Besitzer des Jersbeker Parks gekündigt. Das heißt: Ab 2010 fallen die Landeszuschüsse weg (wir berichteten). Kucinski: "Jetzt bemühen wir uns um ein Nachfolgemodell. Es gibt positive Signale." Auch hier hakt der Landeskonservator ein: "Vor drei, vier Jahren gab es sogar noch freiwillige Leistungen vom Kreis. Das waren glorreiche Zeiten. Vorbei."

Bad Oldesloe steht zahlenmäßig ganz oben auf, wie die nebenstehende Tabelle der Stormarn-Ausgabe des Abendblattes zeigt. Unten sind Barsbüttel und Ammersbek zu finden. Schlusslicht im Vergleich der Städte und amtsfreien Gemeinden ist Oststeinbek. Auffällig: das Nord-Süd-Gefälle. Der ländlich geprägte Norden hat mehr historische Bausubstanz zu bieten, als der wirtschaftlich stärkere Süden. Für den Ahrensburger Kunsthistoriker Christian Tümpel kein Zufall: "Wirtschaftlich starke Städte haben sich kaputt saniert. So wie Ahrensburg. Schwerin und andere Orte in den neuen Bundesländern konnten sich keine großartigen Neubauten leisten. Welch Glück, kann man da nur sagen."

"Die wirtschaftliche Entwicklung hat klar zu Verlusten geführt", sagt auch der Landeskonservator, in diesem Punkt mit Kreisbaudirektor einig. Kucinski: "Leider war man in den Sechziger Jahren noch nicht so sensibilisiert."

"Etliches ist aber auch in den Siebziger und Achtziger Jahren versaubeutelt worden", sagt Denkmalpfleger Weich, der daher sehr auf das neue Denkmalschutzgesetz gehofft hatte. Das hätte das Verfahren vereinfacht und die Zahl der zurzeit landesweit eingetragenen Denkmäler von 7200 auf einen Schlag verdoppelt. Der "Trick": Die Gebäude und Parks wären in Zukunft lediglich gelistet (Listenverfahren) worden und hätten sofort Schutzstatus. Dem Besitzer wäre nur die Klage geblieben.

Zurzeit haben die Eigentümer ein Widerspruchsrecht (konstitutives Verfahren). Und das dauert. Landeskonservator Paarmann: "Für die 7000 Denkmäler, die wir mit dem Gesetz auf einen Schlag bekommen hätten, brauchen wir unter den jetzigen Bedingungen 40 Jahre und mehr."

In vielen Bundesländern gibt es das Listenverfahren. In Schleswig-Holstein bleibt alles beim Alten. Das heißt: Auch die Unterscheidung zwischen einfachen und eingetragenen Denkmälern bleibt bestehen. "Wirklich geschützt sind nur die eingetragenen. Bei den einfachen kann der Besitzer letztlich machen, was er will, auch scheußliche Leuchtreklame anbringen", sagt Weich. Er bedauert, dass das Gesetz nicht kommt. Lobbyisten hätten es verhindert. Paarmann: "Die Grund- und Hausbesitzer hatten Angst vor automatischem Denkmalschutz. Schade."

"Ein Glück", sagt dagegen Julius von Bethmann Hollweg, Besitzer des Jersbeker Barockparks. Er weiß, wie wichtig Denkmalschutz ist. Aber er weiß auch, was er kostet. "Ein neuer Baum muss exakt an der Stelle gepflanzt werden, wo der alte stand. Das heißt, der alte Stubben muss rausgefräst werden. Das kostet rund 1500 Euro. Sonst wären es um die 500 Euro weniger." Bei 420 historisch geschützten Linden ein starkes Argument.

Lust, Last und Leidenschaft: Alte Häuser und Parks sind schön anzusehen. Sie für die Allgemeinheit zu erhalten, ist etwas anderes, darin zu leben, eine Herausforderung. Wie fühlt sich das an: Wohnen im Denkmal? In loser Folge werden wir Stormarner vorstellen, die dieses Abenteuer wagen.