Ein zehnjähriger Junge aus Hammoor hatte seine Karte einmal vergessen. Der Streit zwischen Unternehmen und Familie geht vor Gericht.

Hammoor. Eine Woche lang blieb Joey an der Haltesstelle vor seiner Haustür in Hammoor und an der Johannes-Gutenberg-Schule in Bargteheide stehen. Der Schulbus fuhr ohne den Zehnjährigen ab - weil Joey vier Monate zuvor einmal seine Fahrkarte zu Hause vergessen hatte. "Wegen einer Lappalie wurde er wie ein Schwerverbrecher behandelt", sagt Joeys Mutter Jaqueline van Unen. "Die anderen Kinder waren entsetzt, dass die Busfahrer Joey einfach stehen ließen."

Der Vorfall ist der Gipfel eines monatelang währenden Rechtsstreits zwischen Joeys Eltern und dem Busunternehmen Dahmetal: Am 9. Dezember vergangenen Jahres vergisst der Zehnjährige seine Jahreskarte für den Schulbus, der Fahrer notiert sich seinen Namen. Zwei Wochen später erhalten die van Unens einen Brief des Busunternehmens. Darin heißt es, sie müssten innerhalb von sieben Tagen die Fahrkarte im Büro der Firma in Kastorf (Kreis Herzogtum Lauenburg) vorzeigen und eine Bearbeitungsgebühr von 2,50 Euro zahlen. Sollte das nicht geschehen, werde bis zum 4. Januar das "erhöhte Beförderungsentgelt" von 40 Euro fällig. Verstreiche auch diese Frist "fruchtlos", werde ein gerichtliches Mahnverfahren eingeleitet.

Das Unternehmen weist in dem Schreiben darauf hin, dass in einer "erheblichen Anzahl von Parallelfällen" gerichtliche Entscheidungen vorlägen, die "alle zu unseren Gunsten entschieden wurden". Die van Unens sind irritiert, "schließlich ging es um eine Kleinigkeit". "Ich habe angerufen und gefragt, ob ich die Karte auch faxen könne", sagt Jaqueline van Unen. Der Mitarbeiter am Telefon habe ihr dies zugesichert. "Er hat mich sogar darauf hingewiesen, den entsprechenden Kontoauszug mitzuschicken."

+++ In Streitfällen flexibel bleiben +++

Vier Wochen lang passiert nichts. "Wir gingen davon aus, dass sich die Sache damit erledigt hat", sagt Joeys Vater Jens van Unen. Doch dann erhält die Familie das nächste Schreiben - diesmal vom Rechtsanwalt. Von der Möglichkeit, die 2,50 Euro zu zahlen, sei kein Gebrauch gemacht worden. 86,41 Euro würden nun fällig, gut die Hälfte davon sind Anwaltskosten.

"Das Fax war unleserlich", erläutert Dahmetal-Geschäftsführerin Felicitas Mölders ihr Vorgehen und verweist auf ihren ersten Brief: "Darin steht deutlich, dass die Eltern persönlich vorbeikommen sollten. Sie hatten aber nichts Besseres zu tun, als hier anzurufen und ein Fax zu schicken." Mölders' Anwalt schreibt den van Unens, ein Nachweis per Fax sei grundsätzlich nicht möglich.

Nun schalten auch die van Unens einen Rechtsanwalt ein, weigern sich, die 86,41 Euro zu zahlen. "Wir tragen keine Schuld", sagt Jens van Unen. Der Mitarbeiter habe schließlich falsche Informationen herausgegeben.

Wieder hört die Familie wochenlang nichts. In den Osterferien kommt ein Brief. Darin heißt es, dass das Unternehmen Joey "für mindestens vier Wochen von der Beförderung ausschließen" werde, da die Familie keine Zahlung geleistet habe. Die van Unens glaubten an eine leere Drohung. Doch Dahmetal macht Ernst: Eine Woche lang fährt der Schulbus ohne Joey ab.

Geschäftsführerin Felicitas Mölders sagt: "Grundsätzlich befördern wir nur die Fahrgäste, die zahlen." Es komme häufig vor, dass Kinder und Jugendliche keine Fahrkarten hätten oder diese fälschten. "Genau das wollen wir mit unserem Vorgehen vermeiden." Natürlich sei es "unschön", wenn Kinder dadurch an der Haltestelle stehen blieben.

Hammoors Bürgermeister Helmut Drenkhahn sind in seinem Dorf noch zwei ähnliche Fälle bekannt. "Die Familien haben die Rechnung aber bezahlt, weil sie Angst vor noch mehr Ärger hatten", sagt er. Drenkhahn selbst telefonierte mit Felicitas Mölders, wollte sie dazu bringen, im Fall Joey einzulenken - ohne Erfolg. Erst als das Amt Bargteheide-Land an die Firma schrieb, war diese zu einem Zugeständnis bereit: Künftig können Kinder aus Hammoor, die ihre Fahrkarte vergessen haben, diese später beim Busfahrer vorzeigen und 2,50 Euro zahlen. Drenkhahn: "Wir dachten, dass sich mit dieser Regelung auch Altfälle erledigt haben." Dem war nicht so, der Rechtsstreit läuft noch immer. Joeys Eltern haben mittlerweile eine einstweilige Verfügung erwirkt, die Busfahrer müssen den Zehnjährigen jetzt wieder zur Schule und nach Hause bringen.

Allerdings hat die Familie van Unen einen Mahnbescheid von Dahmetal erhalten: 156,92 Euro sollen sie inzwischen für die einmal vergessene Fahrkarte zahlen. "Wir haben Widerspruch eingelegt. Ich denke mal, dass der Fall jetzt vor Gericht gehen wird", sagt Jens van Unen. Aufgeben wollen seine Frau und er auf keinen Fall. "Es geht ums Prinzip. Vielleicht können wir so anderen Familien dabei helfen, sich nicht einschüchtern zu lassen."