Am Dorfrand wird Schutt von der Baustelle abgeladen und zerkleinert, die Nachbarn klagen deswegen über Schlafstörungen.

Wesenberg. Mehrere Meter hoch türmen sich die Betonbrocken auf einem ehemaligen Rapsfeld an der Autobahn 1 bei Wesenberg. Vor dem Hügel hat sich eine Schlange von Treckern gebildet, die ihre vollen Anhänger erst noch ausleeren wollen. Einer hat es bereits ganz nach oben geschafft und schüttet die zuvor geladenen Betonbrocken aus. Es scheppert und kracht.

Der Schutt stammt von der A 1. Auf der Baustelle zwischen dem Kreuz Lübeck und der Anschlussstelle Reinfeld zerschlagen zurzeit sogenannte Gogo-Hammer auf einer Strecke von knapp sechs Kilometern die Fahrbahndecke in Fahrtrichtung Hamburg. Im Sekundentakt krachen sie mit mehreren Tonnen Gewicht auf die Straße und erzeugen dabei reichlich Lärm - sehr zum Unmut von Hunderten Menschen im nahen Wesenberg. "Unsere Einwohner laufen bereits Amok", sagt Bürgermeisterin Karin Dettke (CDU). "Sie befürchten, dass der Lärm die kommenden vier bis fünf Monate rund um die Uhr anhält."

Besonders betroffen sind die Menschen an der Straße Mühlenkamp. Ihre Häuser liegen direkt an der Autobahn und nur etwa 150 bis 200 Meter von dem Feld entfernt, auf dem voraussichtlich bis Mitte August 24 Stunden am Tag gearbeitet werden soll. "Wenn es mal eine Minute still ist, dann denkt man inzwischen schon: Was ist denn jetzt kaputt?", sagt Anwohnerin Gertrud Holdorp. Ähnlich geht es auch Hans-Georg Smack. "Unsere Nachtruhe wird gestört", sagt der 52-Jährige. "Wenn ich abends im Bett liege, spüre ich die Erschütterungen. Und nachts werde ich häufig von den Baugeräuschen wach." Auch Tochter Marleen ist genervt. "In der vergangenen Nacht wäre ich fast ausgerastet", sagt die 19-Jährige. "Ich konnte wegen des Lärms überhaupt nicht mehr schlafen. Ich denke bei den Geräuschen jedes Mal, dass bei uns eingebrochen wird."

Bürgermeisterin Dettke ärgert sich vor allem darüber, dass das Vorgehen nicht im Vorfeld mit der Gemeinde abgesprochen wurde. "Unser Dorf wurde vor vollendete Tatsachen gestellt", sagt sie. "Wir fühlen uns übergangen." Der Landwirt, dem das ehemalige Rapsfeld gehört, sei von der Baufirma über ihren Kopf hinweg angesprochen worden. Karin Dettke ist davon überzeugt, dass die Situation leicht hätte entschärft werden können, wenn man die Gemeinde frühzeitig ins Boot geholt hätte. " Wir hätten uns dafür eingesetzt, dass der Platz für die Arbeiten 500 Meter weiter in Richtung Rosenhagen eingerichtet worden wäre. Die Fläche gehört demselben Landwirt", sagt sie. "Dort hätte es weniger Menschen gestört." Dieser Auffassung ist auch Hans-Georg Smack. "Dass man so etwas unmittelbar vor einem bewohnten Gebiet einrichtet, halte ich für grenzwertig", sagt er. "Wenn wir eher informiert worden wären, hätten wir dabei mithelfen können, eine besser geeignete Stelle zu finden."

Da sich die Situation jetzt jedoch aus zeitlichen Gründen nicht mehr ändern lasse, bittet Karin Dettke die Bürger um Geduld. Zumal der Einsatz der Gogo-Hammer kurz vor dem Ende stehe. "Wir müssen uns an den Lärm gewöhnen und es so hinnehmen", meint auch Anwohnerin Gertrud Holdorp. "Ändern können wir ja doch nichts mehr." Ob es für die Anwohner ruhiger wird, wenn die Arbeiten der Gogo-Hammer beendet sind, ist allerdings fraglich. Denn bis Mitte August wird eine Brechanlage die Betonbrocken schreddern und zu feinem Granulat mahlen. Das Material wird dann in die neue Fahrbahndecke eingearbeitet. Dieser Betonbrecher hatte im Sommer 2010 die Menschen in Siek monatelang um ihren Schlaf gebracht.

"Die Baggerfahrer sind angewiesen, den Beton möglichst vorsichtig in die Anlage einzuführen, damit nicht so viel Lärm verursacht wird", sagt die Bürgermeisterin.

Die Wesenberger berichten allerdings schon von klirrenden Gläsern und Tassen in ihren Schränken. Die Baufirma hat daraufhin drei Messanlagen am Mühlenkamp installiert, die Alarm auslösen sollen, wenn ein bestimmter Vibrationswert überschritten wird.

"Der Lärm ist eine Beeinträchtigung, die man nicht einfach so hinnimmt", sagt Dettke, die selbst im rund drei Kilometer entfernten Ortsteil Fliegenfelde wohnt. "Auch dort höre ich den Lärm noch." Sie hält es für denkbar, dass einige Bürger versuchen werden, die Arbeiten mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen. Bei geschlossenen Fenstern sei der Lärm aber durchaus auszuhalten. Dettke: "Ich habe mir die Situation mal um 23 Uhr angesehen. Da war der Geräuschpegel meiner Ansicht nach relativ human."