Gunter Gabriel spielt am 21. Mai die Eröffnung der fünften Ahrensburger Musiknacht. Das Abendblatt traf den Sänger vorab in der Park-Klinik

Ahrensburg. "Was! In der Klinik soll ich spielen? Ihr denkt wohl, ich habe das nötig", sagt Gunter Gabriel. "Keine Angst. Ich kann auch mit fast 70 noch mit dem Hintern wackeln", fügt der 1,90 Meter-Mann in den schwarzen Cowboy-Stiefeln hinzu und holt sein cooles Lächeln raus. "Aber okay. Ich spiele überall. Ich hab' auch schon in der Jugendstrafanstalt in Bottrop gespielt. Vor 200 jungen Bengels. Die waren eiskalt, brutal. Ne' Menge Mörder", sprudelt es aus ihm heraus. Ob er Angst hatte? "Ne, ich bin selbst ein potenzieller Mörder, ein Randale-Typ."

In der Park-Klinik in Großhansdorf angekommen, hat er die Situation sofort im Griff. Von Randale ist nichts zu merken. Mit einem Stapel Autogrammkarten geht er auf die Leute zu, holt seinen Silberstift raus und signiert ohne sich lange bitten zu lassen. Und immer schön locker. "Hey Alter, na wie geht's?", sagt der Sänger und gesellt sich zu einem Patienten, der auf der Terrasse vor seinem Zimmer Mittagssonne tankt. Schon ist der Hüne umringt, erzählt frei von der Leber weg und haut in die Saiten seiner Gitarre. Ein spontanes Mini-Konzert in der Mittagspause. Fünf Meter weiter, auf der Nachbarterrasse, wird Gunter Gabriel am 21. Mai, dann richtig spielen - zur Eröffnung der fünften Ahrensburger Musiknacht.

Holt er das Publikum "auch unter seine Decke"? "Das Wort Publikum kenne ich nicht. Für mich sind das alles Mädels und Jungs", brummt Gabriel zurück. "Aber logisch spiele ich meine alten Hits. Das geht auf Zuruf", sagt der Sänger. Selbst nach 30 Jahren hat er die Nase noch nicht voll von den alten Songs. "Und warum?", fragt Gabriel, "weil es keine Schnulzen sind. Die haben Energie. Die gehen tief." Gunter Gabriel gibt sich betont männlich. Unerschrocken. Ein Raubein. Ein Typ, der deftige Sprüche klopft. Aber irgendwie sieht er dabei so lieb aus. Je mehr er redet, umso mehr zwinkert er mit den Augen. Und was er sagt, besticht durch eine Offenheit, die ihn verletzlich macht. Also harte Schale, romantischer Kern? "Klar bin ich ein Romantiker. Die romantische Einstellung zum Leben und vor allem zu meinen Problemen hat mich immer auch gerettet."

Probleme gab es reichlich. "Meine Mutter ist gestorben, als ich vier war. Mein Vater hat mich verprügelt. Der kam aus Stalingrad und hat nur auf uns eingetrümmert. Einmal habe ich zurückgeprügelt. Was soll daraus schon werden?", sagt Gabriel und blinzelt in die Sonne in den Garten der Großhansdorfer Park-Klinik. Hier wird er spielen. Seine Musik. Sie brachte ihn nach oben. Und sie holte ihn wieder raus aus dem Loch. Und das war tief: Millionen Schulden, die Flasche am Hals.

"Die Musik hat mir rausgeholfen, aber auch Bücher und die Liebe vieler Frauen, die mich in der Grütze gesehen haben. Das hat es für mich erträglicher gemacht. Mit dieser Zuneigung war es für mich kein wirklicher Niedergang", erinnert sich Gabriel an dunkle Zeiten. Er lebte jahrelang auf der Straße, einmal auch in einer Reparaturwerkstatt im Güterbahnhof in Hannover. "Zwischen Kiffern, die nach dem Knast eine Resozialisierung machten."

Er ließ sich davon nicht unterkriegen. "Ich habe eine Survival-Mentalität. Und in gewisser Weise bin ich auch Fatalist", sagt der Künstler, "wenn es so ist, dann ist es ebenso. Wichtig ist nur, dass man über seine ganze Scheiße noch lachen kann. Und nur nicht gehen lassen. Steh auf. Tu was."

2007 war er kurz vor der Insolvenz. 500 000 Euro wollte die Steuer haben. In der NDR-Talkshow kam dann die Idee und die Wende: Wenn er privat auftreten würde, für 1000 Euro, dann hätte er nach 500 Wohnzimmerkonzerten den Schuldenberg abgetragen. "Mittlerweile habe ich schon 750 gespielt. Sogar eins auf dem Dixi-WC, für ein Liebespaar zur Verlobung. War ein Klo für Rollstuhlfahrer. Sonst wäre es wohl ein bisschen eng geworden."

Wie viele im Garten der Park Klinik zuhören werden, wird sich zeigen. Gabriel kennt die Gegend: "Ich habe schon mal in Ahrensburg gespielt. Außerdem wohnt hier ein befreundeter Gitarrist. Den werde ich fragen, ob er mitspielt." Der Kultsänger wird noch mehr mitbringen: zehn Gitarren. Die will er unters Volk bringen. Gabriel: "Viele machen so ein Gewese darum. Aber eigentlich brauchst Du nur drei Akkorde, dann kannst Du jeden Blues spielen." Der Jugendstrafanstalt in Bottrop schenkte er gleich 30 Gitarren. Und einen Gitarrenlehrer schickte er auch gleich mit. "Kultur ist nicht einfach konsumieren. Du muss selbst Kunst machen", sagt der Sänger, der das Gitarren-Knast-Projekt auf Schulen und andere Bereiche ausdehnen will. "Eines Tages werde ich frech bei Angela Merkel reinspazieren und ihr das vorschlagen. Ich weiß, sie trägt immer die Mundorgel in ihrer Tasche, ein Liederheft. Die hat bestimmt ein offenes Ohr für mein Anliegen", sagt Gabriel.

Wer in Großhansdorf mit ihm ein Lied singt, könnte Glück haben und eine der Gitarren gewinnen. Und wer das nicht schafft, kann sich immer noch an einem Wettbewerb beteiligen. "Ahrensburg braucht doch ein Lied. Also wer schreibt das Ahrensburg-Lied", fragt der Sänger. Ob er selbst glücklich ist? Er zögert. Vier gescheiterte Ehen hat er hinter sich. "Ich bin bindungsunfähig", bekennt das Raubein, "aber vielleicht treffe ich bei der Musiknacht mein Traummädel. Alles ist möglich."