Mit der Öffnung des Arbeitsmarktes können Menschen aus acht osteuropäischen EU-Beitrittsländern problemlos Geld in Stormarn verdienen

Ahrensburg. Wettbewerb sei ja gut, sagt Ulf Grünke von der für Stormarn zuständigen Handwerkskammer in Lübeck. Aber er muss fair sein. Und deswegen sei es laut Grünke "so eine Sache" mit der neuen Freizügigkeit bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus dem Ausland. Rechtsgrundlage der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Seit dem 1. Mai dürfen Arbeitnehmer aus acht osteuropäischen EU-Beitrittsländern nach Deutschland kommen, um hier in jedem Job in jeder Branche Geld zu verdienen. Eine Arbeitserlaubnis brauchen künftig nur noch Bulgaren und Rumänen. Forschungsinstitute rechnen mit mindestens 100 000 Zuwanderern im ersten Jahr. "Aber wie viele wirklich kommen und auch, wie viele nach Stormarn ziehen, wissen wir nicht", sagt Grünke. Klar sei nur, dass es Auswirkungen habe, wenn der Arbeitsmarkt geöffnet ist. "Einige Branchen befürchten, dass der Markt überflutet wird", fügt Grünke hinzu. Das Auslaufen der Übergangsregelungen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten würde insbesondere im Baugewerbe und bei den Gebäudereinigern skeptisch betrachtet. Befürchtet wird ein Ansturm von Betrieben und Mitarbeitern.

In einigen osteuropäischen Ländern verdienen die Menschen lediglich 20 bis 25 Prozent von dem, was sie in Deutschland für ihre Arbeit bekommen. "Es darf kein Lohndumping entstehen, sonst verschlechtern sich die Wettbewerbsbedingungen", sagt Ulf Grünke. "Aber wir sehen auch eine große Chance: Wir haben Fachkräftemangel und hoffen, dass diese Lücke nun geschlossen werden kann."

Darauf hofft auch Stefan Schröder von der Bundesagentur für Arbeit Bad Oldesloe. "Wir haben in Stormarn reichlich Stellen für Fachkräfte, die nicht besetzt werden können", sagt er. In Stormarn liegt die Arbeitslosenquote bei 4,3 Prozent, in Deutschland bei 7,3 Prozent. Und in einigen osteuropäischen Ländern ist sie doppelt so hoch, in Estland und Litauen zum Beispiel. "Aber es liegt nahe, dass viele Arbeiter im grenznahen Gebiet bleiben und nicht nach Stormarn kommen", sagt Schröder. Noch gebe es keine Bewerbungen aus Osteuropa. "Aber wie das bei den Unternehmen selbst sei, wird sich in den nächsten Wochen zeigen."

Bei Werner Suer von der Ahrensburger Klempnerei Marecki sind bislang keine Bewerbungen eingegangen. Zum Thema Lohndumping sagt er: "Es gibt ja immer Menschen, die für weniger Geld arbeiten." Angst vor größerer Konkurrenz habe er nicht. Aber um die Arbeitnehmer sorge er sich. "Als Arbeitgeber muss man fair sein und allen gleich viel zahlen", sagt er.

Adelbert Fritz von der Kreishandwerkerschaft Stormarn ist nicht ganz so optimistisch. "Wir vom Handwerk sind skeptisch und befürchten, dass es zum Ansturm von Mitarbeitern kommt, die den Wettbewerb verzerren, weil sie niedrigere Löhne nehmen", sagt er. Auch er wisse nicht, was genau passieren wird. Und auch er sieht die Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu mindern. Aber eines sei ihm wichtig: "Die Kontrolle von Mindestlöhnen und Schutzbestimmungen muss gewährleistet sein."

Laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) ist ein Zustrom von osteuropäischen Billiglöhnern auf den deutschen Arbeitsmarkt unwahrscheinlich. "Viele, die wandern wollten, taten dies bereits seit 2004", sagt Klaus Schrader vom IfW. Deutschland hatte mit Österreich als einziges EU-Land die Öffnung des Arbeitsmarktes bis 2011 ausgesetzt. Die Forscher haben untersucht, welche Folgen die Zuwanderung osteuropäischer Arbeiter auf die Arbeitsmärkte anderer europäischer Länder hatte.

Eine Erkenntnis: "Vor allem in Ländern mit dem höchsten Beschäftigungszuwachs aus den Beitrittsländern ist keine Verdrängung heimischer Arbeitskräfte zu beobachten", sagt Schrader. Auch sei Deutschland gar nicht so attraktiv. In Ländern wie Großbritannien würden höhere Löhne gezahlt.