Zahl der Angriffe gegen Beamte hat zugenommen. Ahrensburger wegen Widerstandes gegen Vollzugsbeamte verurteilt

Ahrensburg. Die Bereitschaft, Polizisten anzugreifen und zu verletzen, hat in Schleswig-Holstein ein erschreckend hohes Niveau erreicht. Zwar sank 2009 die Zahl der Fälle, in denen Menschen sich gegen polizeiliche Maßnahmen wehrten, im Gegensatz zum Vorjahr marginal. Diejenigen unter ihnen, in denen Beamte verletzt wurden, stieg aber um mehr als das Doppelte. Im vergangenen Jahr kam es zu 704 Widerstandshandlungen gegen Polizeivollzugsbeamte, bei denen108 Beamte verletzt wurden. Ein Jahr zuvor hatte die Polizei 757 Widerstandshandlungen registriert, bei denen nur 47 Polizisten zu Schaden gekommen waren. Besonders erschreckend: 2009 wurden 13 Beamte so schwer verletzt, dass sie mindestens drei Wochen nicht mehr dienstfähig waren.

Innenminister Klaus Schlie (CDU) sagte gestern vor Beginn der Innenministerkonferenz in Hamburg gegenüber der Regionalausgabe Stormarn des Abendblattes: "Ich halte ein klares Signal des Staates für erforderlich."

Minister fordert härte Strafen für Menschen, die Polizisten angreifen

"Angriffe auf Polizeibeamte dürften nicht tatenlos hingenommen werden", sagte er. Eines der Themen der Konferenz lautet "Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte". Und genau wie sein Hamburger Amtskollege Christoph Ahlhaus (CDU)spricht sich Schlie für härte Strafen bei Gewalt gegen Polizisten aus.

In Ahrensburg musste sich zur selben Zeit ein 20-Jähriger vor Gericht verantworten - wegen Widerstandes gegen Polizeibeamte.

Dieser Prozess zeigte, wie schnell es gehen kann mit der Gewalt. Der 20-Jährige soll im August vergangenen Jahres versucht haben, auf Beamte einzuschlagen, soll nach ihnen getreten und sie bepöbelt haben.

Thomas R. will seinen Ausweis nicht vorzeigen

Es ist Freitag, 21. August 2009, Thomas R. (Name geändert) sitzt mit rund 15 Freunden gegen 23.30 Uhr auf einem Spielplatz in einem Ahrensburger Wohngebiet. Die jungen Männer hören Musik, trinken Alkohol. Ein Anwohner fühlte sich durch den Lärm belästigt, ruft die Polizei. Die Jugendlichen verschwinden. Doch Thomas R. und zwei seiner Freunde nehmen die falsche Richtung, laufen zwei Polizisten quasi in die Arme. Die Beamten sprechen einen Platzverweis aus.

Rund zehn Minuten erreicht ein zweiter Anruf die Polizei. Die jungen Männer haben einen Motorroller umgestoßen. Die Streifenbesatzung macht sich erneut auf den Weg. Wieder treffen die Beamten auf Thomas R und seine Freunde. Ein 34 Jahre alter Polizist fragt R. nach dessen Ausweis. Doch der 20-Jährige dreht sich einfach um und geht. Der Polizist fordert ihn auf, stehen zu bleiben. Doch R. geht weiter. Der Beamte packt ihn an der Schulter. Daraufhin soll R. versucht haben, den Beamten mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. "Ich konnte ihn gerade noch von mir wegstoßen", sagt der Polizist. Die Gruppe habe ihn dann umzingelt. Der Beamte ruft Verstärkung. Bei der Festnahme wehrt sich Thomas R., schlägt und tritt um sich. Drei Polizisten müssen ihn zu Boden drücken und fesseln. Anschließend wird er in den Polizeibus getragen. "Dort haben die Polizisten auf Thomas eingeschlagen", meint ein 20 Jahre alter Freund des Angeklagten

Ein Polizist, 29, der Thomas R. zum Streifenwagen getragen hat, sagt etwas anderes aus: "Er hat auch im Bus wild um sich geschlagen dort mussten wir ihn festhalten, um ihm den Sicherheitsgurt anzulegen." Ein Alkoholtest ergibt 1,5 Promille.

"Es ist richtig, dass ich mich gegen die Festnahme gewehrt habe. Aber nur, weil ich nicht verstehen wollte, warum der Polizist, der vor circa zehn Minuten schon mal meinen Personalausweis gesehen hat, diesen nun erneut haben wollte. Aber ich habe nicht nach dem Polizisten geschlagen oder getreten. Und außerdem habe ich den Roller nicht umgestoßen", sagt R. Angaben der Polizisten zufolge seien die Personalien jedoch nicht auf dem Spielplatz nicht festgestellt worden.

"Auch wenn die Polizei kurz zuvor Ihren Ausweis gesehen hat, rechtfertig das in keiner Weise die Widerstandshandlung", sagt Richter Ulf Thiele. Er verurteilt R. zu 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit. "Sie müssen sich auch im Klaren sein, in welch einer Situation sich die Beamten befinden, wenn plötzlich wild gewordene junge Männer auf sie los gehen", sagt der Richter: "So weit hätte es nicht kommen müssen. Hätten Sie einfach Ihren Ausweis vorgezeigt."

Der 20-Jährige nickt dem Richter zu und entschuldigte sich bei den Beamten. Wieder ist ein Fall aus der Praxis gelöst.

Land untersucht die Ursachen des Problems

Doch warum die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten steige, ist noch unklar. Das soll in einer bundesweiten Gewaltstudie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen geklärt werden. Die Schleswig-Holsteinische Regierung schreibt in ihrem aktuellen Bericht, dass ein Wertewandel in Teilen der Gesellschaft, einhergehend mit einem grundsätzlichen Akzeptanzverlust der Polizei, für diese Entwicklung verantwortlich sein könnte. Weiter heißt es: Die Bereitschaft, Konflikte mit Gewalt lösen zu wollen, nimmt zu und macht auch vor Polizisten nicht halt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Respekt vor der körperlichen Unversehrtheit des Mitmenschen abnimmt.