Am letzten Tag ging es heiß her. Hunderte Kunden sicherten sich Schnäppchen und nahmen Abschied.

Stade. Sie hatten kaum Zeit zum Traurigsein, die Mitarbeiter der Hertie-Filiale in Stade. Am letzten Verkaufstag vor der endgültigen Schließung des Stader Traditionskaufhauses (das Abendblatt berichtete)ging es noch einmal hoch her in den Verkaufshallen.

"Als wir heute morgen geöffnet haben, stand schon eine beachtliche Menschenmasse vor der Tür", sagt Rüdiger Müller, Leiter des Verkaufshauses. Zwischenzeitlich seien die Warteschlangen vor den Kassen durch die halbe Etage gegangen. "Meine Mitarbeiter haben im Akkord kassiert und die Ware eingepackt", sagt Müller. Das Ergebnis zeigte sich rund eine Stunde vor Verkaufsschluss: gähnende Leere in den Verkaufsregalen und an den Kleiderständern. "Heute Mittag haben wir mit unseren Bekleidungswaren das halbe zweite Obergeschoss ausgefüllt", sagt Müller. Um 17.30 Uhr passten die letzten Textilien in vier Wühlkisten und an zwei Ständer. Im Erdgeschoss lagen ebenfalls nur noch ausgesuchte Restposten wie etwa Schreibwaren. Die suchenden Hände der Kunden wühlten weiter unermüdlich nach einem letzten Glücksgriff.

Gelockt hat viele das Motto des letzten Verkaufstages: "90 Prozent auf alles". Schnäppchenjäger wie Manal Saroukhan sicherten sich für wenige Euro Markenprodukte, andere spazierten fast andächtig durch das Warenhaus, um Abschied zu nehmen.

"Die Schnäppchen sind heute Nebensache, der Abschied steht bei mir im Vordergrund", sagt Karin Pümmert aus Harsefeld. Auch Ingrid Naujoks aus Stade hat in erster Linie Sentimentalität am Sonnabend in die Stader Innenstadt getrieben. "Ich habe etwas gekauft, glaube aber jetzt schon, dass ich nicht wirklich gebrauchen werde." Die Rentnerin schätzte vor allem die Freundlichkeit der Verkäufer. Wenn sie in der Lebensmittelabteilung eingekauft habe, hätten die Verkäufer währenddessen ein wachsames Auge auf ihren Mops "Bobby" gehabt. "So einen Service finden Kunden kaum noch", sagt sie.

Wie sehr die Stader an ihrem Hertie hängen, bekamen auch die Verkäufer zu spüren: "Viele Kunden haben uns ihr Mitgefühl ausgesprochen und gesagt, wie sehr ihnen Hertie fehlen wird", sagt Müller. Szenen wie etwa früher bei den Sommer- oder Winterschlussverkäufen habe es derweil nicht gegeben. "Die Kunden haben nicht gedrängelt oder sich um die besten Stücke gestritten", sagt Müller. Die Behutsamkeit der Kunden rührte ihn sichtlich.

Seine Hochachtung gilt aber vor allem den Mitarbeitern. "Ihr Engagement in den letzten Wochen war großartig", sagt er. Niemand sei krank gewesen, alle seien hochmotiviert und auch angesichts des Hertie-Schicksals immer freundlich zu den Kunden gewesen, sagt Müller.

Deswegen hatte der Filialleiter auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seine Mitarbeiter vor der Arbeitslosigkeit zu schützen. "Wir hatten etwa Berater des Jobcenters hier." 14 der insgesamt 70 Mitarbeiter hätten bereits einen neuen Arbeitsplatz gefunden, darunter die vier Lehrlinge, die bei Stackmann in Buxtehude ihre Lehre abschließen dürfen. Acht weitere könnten nach dem erfolgreichen Abschluss einer Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit eine Stelle im Hamburger Flughafen antreten. Diejenigen, die bereits eine Stelle gefunden haben, durften vorzeitig ihre Arbeitsverträge mit Hertie auflösen.

Mit der Pleite des niederländisch-britischen Eigentümers der Hertie-Immobilien war das Aus für die deutsche Warenhauskette besiegelt. Selbst die Stader Filiale, ein Hertie-Haus, das immer schwarze Zahlen geschrieben hat, konnte die Schließung nicht Abwenden.

Die Zukunft der Immobilie in der Stader Innenstadt ist weiter offen, ein Leerstand wird wohl nicht zu vermeiden sein. Zwar gebe es laut Hertie-Leiter Rüdiger Müller einen Interessenten, aber noch keine Vertragsunterzeichnung. Im Hintergrund gäbe es einen zweiten, möglichen Käufer. Die Flensburger Immobilienfirma "Hansekontor" hat signalisiert, das Haus mit einer Ladenfläche von 7500 Quadratmetern übernehmen zu wollen.

Doch ein klassisches Warenhaus werden die Stader wohl nicht mehr bekommen. Geplant ist, eine Ladengalerie mit vielen kleinen Geschäften an der Steilen Straße zu errichten.