Hannoveraner-Pferden noch Chips implantiert. Tierschützer halten daher Brandmarkung durch Schenkelbrand für überflüssig.

Drochtersen. 275 Jahre ist das sogenannte Brennen der Hannoveraner-Fohlen gutgegangen: Züchter dieser edlen Pferderasse, die seit 125 Jahren im Hannoveranerverband organisiert sind, machen mit einem Brandzeichen die Tradition und Qualität ihrer Arbeit in aller Welt sichtbar. Doch nun hat ein heißes Eisen glühende Debatten über das Für und Wider von Schenkelbrand entfacht.

Die Hannoveraner-Züchter aus dem Pferdeland Kehdingen sind auf Zinne. "Wir lieben unsere Pferde und würden nie etwas tun, das ihnen Qualen bereitet", sagt der Verbandsvorsitzende Reinhard Braack. "Seit fünf Generationen züchten wir Pferde, die immer gebrannt wurden. Ich habe in den vergangenen 35 Jahren rund 200 Fohlen kennzeichnen lassen. Nie hat es Komplikationen gegeben", sagt Braack, der den 185 Mitgliedern seines Verbandes aus dem Herzen spricht. In Kehdingen gibt es etwa 1200 Hannoveraner mit Brandzeichen, weltweit sind es rund 150 000.

Der Grund für Braacks Verärgerung: Das Bundeskabinett hat im Juni einer Änderung im Tierschutzgesetz zugestimmt, die vorsieht, den Schenkelbrand bei Fohlen zu verbieten. Grundlage ist die EU-Viehverkehrsverordnung. Danach müssen alle Equiden (Pferde, Esel), die ab 2009 in der Europäischen Union geboren werden, einen Datenchip tragen. Sie erhalten einen Equidenpass, mit dem sie in einer zentralen Datenbank erfasst werden. Tierschutzverbände und die Deutsche Bundestierärztekammer sehen nun im zusätzlichen Brand ein unnötiges Markenzeichen, das den Tieren Schmerzen bereitet. Nach der Sommerpause geht die Gesetzes-Novelle in den Bundestag, zum Ende des Jahres wird eine Entscheidung vom Bundesrat erwartet.

Etwa fünf Minuten wird das Eisen mit dem berühmten Hannoveraner-Zeichen zum Glühen gebracht. Fachleute wissen: Das Eisen muss richtig glühen, damit die Prozedur für das Fohlen kurz ist. Dann geht alles sehr schnell. Zwei Männer halten das junge Pferd an Hals und Schweif. Ruhig und versiert drückt der dafür ausgebildete Zuchtwart das glühende Metall für den Brauchteil einer Sekunde an den linken Hinterschenkel des Fohlens. Es riecht nach versengtem Pferdehaar. Oft schaut das Fohlen anschließend nur verdutzt zu seiner Mutter und läuft mit ihr aus der Pferdebox ins Freie.

Der amtierende Präsident der Bundestierärztekammer (BTK), Professor Theo Mantel, bezeichnet den Schenkelbrand seit der Pflicht zum Chippen nur noch als Werbebrand. "Wir haben den Tierschutz wahrzunehmen", sagt Mantel. Unterstützung bekommt er bislang von Ilse Aigner (CSU), Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, und einigen Tierschutzverbänden. Mantel plädiert für Alternativen wie Satteldecken oder Schabracken mit dem Rasse-Brandzeichen. "Man fügt dem Fohlen mit dem Brandzeichen grundlos Schmerzen zu", sagt Professor Mantel.

Dem widersprechen allerdings nicht nur Pferdezüchter, sondern auch Veterinäre und sogar Tierschützer. Anne Feddersen aus Rübke zum Beispiel ist Tierschützerin und Pferdehalterin. "Der Brand ist ein kurzer Schmerz und immer erkennbar. Ein Chip kann medizinische Komplikationen verursachen und macht Diebstahl einfacher", argumentiert sie.

"Der Schenkelbrand ist nicht hautpenetrierend, während das Einsetzen des Chips in den Halsmuskel ein Eindringen in Haut und Muskelgewebe bedeutet. Ein Vergleich der Schmerzen ist kaum möglich", sagt Dr. Martin Lübbeke, Fachtierarzt für Pferde in Ostendorf, der viele Hannoveraner-Züchter in Kehdingen betreut. Die praktische Erfahrung zeige jedoch, dass die Fohlen beim Brennen weit weniger gestresst wirkten als beim Einstechen einer Kanüle in den Hals, die den Transponder setzt. "Pferde sind wie alle Tiere am Hals besonders sensibel und wollen diesen Bereich stets schützen", sagt Dr. Lübbeke. Zudem habe er in seiner Praxis keine Komplikationen an Brandzeichen behandeln müssen. Beim Chippen hingegen gebe es Fremdkörperreaktionen mit Entzündungen und Abszessen.

Das sieht auch Dr. Enno Hempel als großes Problem und Risiko für die Züchter. Als Geschäftsführer der Pferdeland Niedersachsen GmbH vertritt er die Interessen der Hannoveraner- und der Oldenburger Zuchtverbände, der Pferdesportverbände Hannover und Weser-Ems sowie der beiden niedersächsischen Ponyzuchtverbände. "Histologische Untersuchungen zeigen keine irreversiblen Gewebeschädigungen beim Schenkelbrand. Haut- und Nervenstruktur bleiben intakt. Somit lässt sich eine Tierschutzrelevanz nicht beweisen", sagt Hempel. Er sieht die Harmlosigkeit der relativ jungen Chip-Methode, über die es keine ausreichenden Untersuchungsreihen gibt, nicht bewiesen. Der Implantierte Fremdkörper könne wandern, und ob Gefäße, Muskeln und Nerven am Pferdehals leiden, sei noch unerforscht, so der Mediziner Hempel.

Wie auch Dr. Werner Schade, Zuchtleiter und Geschäftsführer des Hannoveraner-Verbandes, bemängelt Hempel die unausgereifte Transponder-Kennzeichnung. Weder Lesegeräte noch Datenbanken seien einheitlich und international vernetzt. Der Chip habe keinen feststellbaren Vorteil und biete zudem Kriminellen Möglichkeiten zur Manipulation.