Der Lüneburger Psychologe Rainer Sablotny erforscht, wie gute Vorsätze am besten in die Tat umgesetzt werden und warum sie so wichtig sind.

Lüneburg/Harburg/Buxtehude. Agiler, schlanker und stressfreier: Wenn die Feiernden am Silvesterabend vom Alkohol beseelt das Jahr Revue passieren lassen, wenn sie sich fragen, was war, was ist und was werden soll, kommen unweigerlich die Vorsätze ins Spiel.

Das ist der Zeitpunkt, wenn sich Fast-Food-Fans hauptsächlich von Obst und Gemüse ernähren wollen. Wenn Anti-Sportler erklären, sich für den Marathon anmelden zu wollen. Wenn Raucher verkünden, in diesem Jahr endlich ihre Sucht besiegen zu wollen. Im nächsten Jahr soll also alles besser werden. Doch am Ende? Am Ende ist nichts, und zwölf Monate später kann der gleiche Vorsatz erneut gefasst werden.

Rainer Sablotny, Leitender Psychologe der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Psychiatrischen Klinik Lüneburg, beschäftigt sich intensiv mit scheinbar unerreichbaren Vorhaben. Er forscht an der Leuphana Universität in Lüneburg zusammen mit anderen Psychologen, Medizinern und Informatikern an sogenannten kooperativen Systemen, die Menschen dabei helfen sollen, ihre Gesundheitsziele zu erreichen.

+++Jeden Tag neue Pläne+++

+++Derselbe Vorsatz seit Jahren+++

Der Psychologe erklärt, warum es so schwierig ist, den inneren Schweinehund zu überwinden und die Vorsätze tatsächlich in die Tat umzusetzen. Er gibt außerdem Hinweise, wie man es im kommenden Jahr besser machen kann.

Das Problem fängt schon mit dem Silvesterabend an. Die Vorsätze werden in einer Zeit des Überflusses gefasst. Es gibt zu viel zu Essen und zu viele Drogen. "Man trinkt, raucht und haut sich die Wampe voll. All das wird erträglicher, wenn man dann einen Vorsatz fasst, sich künftig anders zu verhalten. Das ungesunde Verhalten wird nivelliert", sagt Sablotny.

Wer in dieser Situation einen Vorsatz fasst, hat in den seltensten Fällen einen Plan zur Hand, wie die Vorsätze umgesetzt werden sollen. "Es ist aber falsch, die Silvestergesellschaft mit einem kühnen Vorhaben für das kommende Jahr überraschen zu wollen", sagt Sablotny. Der Experte erklärt, worauf es ankommt:

Schritt 1: Ein konkretes Ziel formulieren, das auch machbar ist

Sablotny scheint das Wort "nicht" aus seinem Wortschatz gestrichen zu haben. Er rät davon ab, sein Ziel etwa mit den Worten "Ich will nicht mehr rauchen" festzuhalten. Viel motivierender sei es, sich zum Ziel zu machen, die Treppen leichter steigen zu können. "Positive Ziele setzen mehr Energie frei", sagt Sablotny.

Um nicht schon gleich zu Beginn mit dem Vorsatz steckenzubleiben, sind auch schwammige Ziele tabu. Sablotny: "Ich muss mir etwas verbindlich vornehmen, etwas, das ich auch schaffe." Stichwort Teilziele. Man muss nicht erst den Marathon gelaufen sein, um zufrieden zu sein. Es reicht auch für den Anfang, 30 Minuten am Stück zu laufen.

Sich etwas konkret vorzunehmen und es nicht beim "das könnte ich noch tun" zu belassen, ist besonders für den Psychologen selbst eine Herausforderung. Ihm schwirren oft sehr viele Ideen im Kopf herum. Um diese wirklich am Ende in die Tat umsetzen zu können, muss er die vielen Möglichkeiten auf wenige reduzieren, ein konkretes Ziel entwickeln und es dann auch verwirklichen. Sablotny: "Über alles mögliche zu reden, ist ja sehr nett. Wichtig ist aber, dass man davon schließlich auch etwas sieht." Der Experte hatte sich für dieses Jahr vorgenommen, eine eigene Praxis zu eröffnen.

Ein ziemlich sicherer Killer ist es übrigens, wenn ein ärztlicher Ratschlag beim Vorsatzfassen im Spiel war. Wenn der Mediziner beispielsweise dazu angehalten hat, sich mehr zu bewegen. "Man muss joggen wollen um des Joggens willen, weil man Freude an der Bewegung hat und nicht, weil der Arzt es angeordnet hat", so Sablotny.

Und: Gleich anfangen, nicht verschieben und sich nicht von Rückschlägen unterkriegen lassen. "Jeder Tag ist wertvoll, an dem man es geschafft hat, nach seinen Zielen zu handeln."

Schritt 2: Strategie entwickeln, wie das Ziel erreicht werden kann

Das Durchhalten wird einfacher, wenn man einen detaillierten Plan entwickelt hat. "Ich muss mir anschauen, wie ich zum Ziel komme, und meinen Weg in einzelne Strecken unterteilen", sagt Sablotny und verweist auf das so genannte Mount-Everest-Modell in der Psychologie.

Man solle sich Tenzing Norgay und Sir Edmund Hillary zum Vorbild nehmen. Die hatten 1953, als sie zum ersten Mal den Mount Everest bestiegen, eine positive Vorstellung von dem, wie es da oben auf dem Berg aussehen könnte. Zugleich haben sie aber ihre Besteigung in Etappen unterteilt. "Es ist gut, ein Auge auf das Ziel zu halten, da es motiviert. Aber vom Basiscamp aus sollte man schon überlegen, was auf dem Weg dahin passieren könnte", sagt der Psychologe.

Übertragen in unsere Welt ohne Eispickel und Wanderstiefel: Heißt das Ziel, joggen zu wollen, sollte man gleich einen Plan B entwickeln, falls es in Strömen regnen sollte - etwa sich vornehmen, stattdessen schwimmen zu gehen. "Je konkreter ich mir das Vorhaben verspreche, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich es tatsächlich einlöse", sagt Sablotny.

Damit es mit der Eröffnung seiner Praxis in diesem Jahr klappt, hat der Psychologe auch Teilziele festgelegt: Gründungsteam finden, geschäftlichen Rahmen festlegen, einen Ort wählen, Immobilie finden, sie aus- und umbauen, Verträge schließen, Mitarbeiter finden, Arbeitsprozesse festlegen, Website und Briefbögen erstellen.

Sein größtes Hindernis war, eine geeignete Immobilie zu finden. Eigentlich sollte sie im Landkreis Harburg sein. Dort haben er und seine Mitstreiter aber nichts Geeignetes gefunden. Zudem sind zwei Mitstreiter des Gründungsteams wieder abgesprungen.

Der Experte gibt noch Fragen auf den Weg, die hilfreich sein können, um alte Gewohnheiten abzuschütteln: Wer kann mich motivieren, damit ich mich selbst motiviere? Warum sollen Unterstützer glauben, dass ich erfolgreich sein werde?

Schritt 3: Mit Freunden oder Kollegen wetteifern

Nichts spornt mehr an als wenn man Freunde oder Kollegen übertrumpfen kann. Deshalb empfiehlt Sablotny, sich nach Gleichgesinnten umzusehen, mit denen das Ziel gemeinsam erreicht werden kann. Der 46-Jährige hat selbst erlebt, wie seine sportlichen Leistungen angekurbelt wurden, als er und sein Kollege sich gegenseitig das Ergebnis ihres Work-Outs zuschickten, um sich zu motivieren.

Auch für seinen Wunsch, eine eigene Praxis zu eröffnen, hat er sich nicht nur auf sich selbst verlassen, sondern hat sich auf die Suche nach einer Praxengemeinschaft gemacht. Mit seiner Mitstreiterin - der Ärztin Anne Heemann, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie - ist er schließlich fündig geworden. Am 02. Januar 2012 wird die Praxis an der Straße Vor dem Neuen Tore in Lüneburg eröffnet. Ziel erreicht.