Der Kreistag wird zu einer Sondersitzung einberufen. Jork und Lühe wollen die Baggerschiffe stoppen. Entscheidung könnte im Januar fallen.

Stade/Hannover. Die Entscheidung, ob es zu einer Elbvertiefung kommen wird oder nicht, geht auf die Zielgerade. Die Kommunen und das Land Niedersachsen diskutieren intensiv, was zu tun ist, sollte es zu einer Fahrrinnenanpassung kommen. Während das Alte Land um seine Sicherheit und Zukunft fürchtet, bereitet sich der Landkreis intensiv auf den Januar vor, denn dann könnte eine endgültige Entscheidung fallen.

"Alle rechnen mit einem Planfeststellungsbeschluss. Wir müssen daher intensiv prüfen, ob alle Forderungen aus unserer Region angemessen berücksichtigt worden sind", sagt Landrat Michael Roesberg. Vor allem die Frage der Deichsicherheit und eine Verschiebung der Brackwasserzone, die eine Versalzung von Böden nach sich ziehen würde, müssten eindeutig vom Wasser- und Schifffahrtsamt (WSV) geklärt werden. Die Kreisverwaltung hat eine Reihe von Veranstaltungen angesetzt, um offene Fragen klären zu können - auch mit dem WSV.

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"Wir haben für den 5. Januar ein Fachforum im Kreishaus geplant", sagt Roesberg. Dann sollen sich die Experten des WSV, Deichverband, Bürgerinitiativen, Anwälte von Obstbauern, Umweltverbände und Kreistagspolitiker über den Sachstand und mögliche Folgen und Maßnahmen im Falle einer Fahrrinnenanpassung informieren. Sofern es Nachbesserungen bei den Formulierungen der regionalen Interessen geben sollte, sollen diese auf der Sitzung erstellt werden, bevor sie nach Hannover übermittelt werden. Bereits am 9. Januar sollen sich sowohl in Hannover, als auch in Stade die Fachausschüsse mit dem Thema beschäftigen.

Am 16. Januar wird dann auch der Kreisausschuss und direkt im Anschluss der Kreistag in einer außerordentlichen Sitzung tagen. Roesberg: "Das Land Niedersachsen und auch Hamburg müssen sich dann weiter mit dem Thema beschäftigen und innerhalb von drei Monaten eine Einvernehmenserklärung abgeben".

Dass die Interessen der Region in Hannover und Hamburg angemessen wahrgenommen werden, davon geht Roesberg aus. Der Kreis erhalte gute Unterstützung, um möglichst konkret und Erfolg versprechend seine Interessen zu formulieren, damit diese vom Land Niedersachsen überregional vertreten werden können.

Die Samtgemeinde Lühe und die Gemeinde Jork haben derweil gemeinsam ihre Bedenken gegen die Elbvertiefung ausführlich formuliert und nach Hannover übermittelt (Das Abendblatt berichtete). Beide Kommunen hoffen nun, dass ihr zehnseitiges Papier, das an den Landtagspräsident Hermann Dinkla und zwei Fachausschüsse übermittelt wurde, das Land Niedersachsen darin bestärkt, nicht einer Fahrrinnenanpassung zuzustimmen.

Laut dem Papier, das in der vergangenen Woche vom Lüher Samtgemeindebürgermeister Hans Jarck und Jorks Bürgermeister Gerd Hubert verfasst wurde und das am 19. Dezember an den Landtag nach Hannover übermittelt wurde, gebe es zu viele Punkte, die aus Altländer Sicht gegen eine Fahrrinnenanpassung, wie sie von Hamburg gewünscht wird, sprächen. "Eine Abwägung mit den örtlichen öffentlichen Interessen und Schutzgütern ist [...] nicht hinreichend erfolgt", heißt es in dem Schreiben.

Die Bürgermeister verlangen vom Land Niedersachsen "den vom Vorhabenträger festgestellten Vertiefungsbedarf erneut tiefgreifend zu prüfen und durch eine unabhängige Kosten-Nutzen-Rechnung zu belegen". Für die Kommunen ist auch nicht nachzuvollziehen, warum trotz der bevorstehenden Inbetriebnahme des Jade-Weser-Ports, der extra für besonders große Schiffe ausgelegt ist, eine Vertiefung der Elbfahrrinne notwendig sein sollte.

Außerdem habe sich herausgestellt, dass 70 Prozent der weltweit größten Containerschiffe in Hamburg Tidenunabhängig einlaufen, 83 Prozent tidenunabhängig auslaufen und nur bei drei von 270 Passagen der mögliche Tiefgang tatsächlich ausgenutzt wird.

Sollte sich zudem herausstellen, dass negative Auswirkungen auf die Umwelt, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Landschaft, den Obstbau, die Menschen und die Deichsicherheit nicht gänzlich ausgeschlossen werden können, was derzeit der Fall sei, dann müsse das Land Hamburgs wirtschaftliche Forderungen in die Schranken weisen.

Die Europäische Kommission hat bei ihrer Prüfung auf die Umweltverträglichkeit festgestellt, dass es negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt geben wird. Dass diese laut der EU aber wegen der wirtschaftlichen Vorteile, die eine Fahrrinnenanpassung für Hamburg mit sich bringen könnte, hingenommen werden sollen, finden Jarck und Hubert nicht akzeptabel.

Sie fordern in diesem Zusammenhang, dass die EU zunächst einmal darauf besteht, dass Hamburg seiner Verpflichtung nachkomme, die immer noch ausstehenden Ausgleichsmaßnahmen zu tätigen, die die Hansestadt wegen der Zuschüttung des Mühlenberger Lochs leisten muss. Die EU komme in Umwelt- und Naturschutzfragen ihrer Kontrollfunktion "nur sehr begrenzt oder überhaupt nicht nach", urteilen die Verwaltungschefs.

Hubert und Jarck fordern daher von der Landesregierung in Hannover, dem Landtags-Antrag von SPD und Grünen von Ende November zu folgen, eine Elbvertiefung abzulehnen und das Einvernehmen des Landes Niedersachsen zu verweigern.

Die Bürgermeister nehmen in ihrem Positionspapier auch Ministerpräsident David McAllister (CDU) in die Pflicht. Dieser hatte am 9. Januar 2008 als CDU-Fraktionschef im Niedersächsischen Landtag die "Otterndorfer Erklärung" mit unterzeichnet, die eine Elbvertiefung ablehnt. "Für unsere Kommunen ist es ganz wichtig, dass diese unter anderem von Herrn Ministerpräsidenten McAllister unterzeichnete Erklärung inhaltlich auch heute noch ihre Gültigkeit hat", heißt es in dem Schreiben.

"Für uns geht es bei der Frage der Elbvertiefung auch um unsere Bewerbung um den Welterbe-Titel. Eine Fahrrinnenanpassung würde die Bewerbung zum Unesco-Welterbe zunichte machen", sagt Jorks Bürgermeister. Er begründet dies damit, dass die Versalzung der Böden nicht nur die Beregnung der Obstplantagen mit Süßwasser aus der Elbe unmöglich machen würde, sondern der höhere Salzgehalt im Boden die gesamte Obstkulturlandschaft zerstören würde.

Wenn sich das als schützenswert angesehene Landschaftsbild wegen der Elbvertiefung verändere, sei die Bewerbung bei der Unesco hinfällig. Der wirtschaftliche und touristische Schaden für die gesamte Region sei enorm und nicht vertretbar. (abendblatt.de)