Die 41-Jährige tötete ihre beiden Töchter in einem Wahnzustand. Wegen ihrer Krankheit bleibt sie in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Stade/Hammah. Carolin H. sitzt auf der Anklagebank neben ihrem Rechtsanwalt. Sie versucht, gefasst zu wirken, doch die nervliche Anspannung ist der Frau deutlich anzusehen. Als dann vom Vorsitzenden Richter Berend Appelkamp das Urteil der zweiten Schwurgerichtskammer vor dem Stader Landgericht verkündet wird, kämpft die unscheinbar wirkende Frau mit den Tränen.

Carolin H. muss in ein psychiatrisches Krankenhaus, sagt der Richter. Sie sei in ihrem derzeitigen Zustand eine Gefahr für die Allgemeinheit. Das Urteil ist schmerzhaft, Carolin H. weint. Doch viel mehr als das Urteil schmerzt die Mutter ihre Tat. In einem Wahnzustand hat sie ihre Kinder getötet.

Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme und der Anhörung der Sachverständigen überzeugt: Carolin H. hat im Juni dieses Jahres in Hammah ihre drei und fünf Jahre alten Töchter im Schlaf erdrosselt und erstochen. Nachdem ihr innere Stimmen befohlen hätten, ihre Kinder zu töten, habe sie den beiden eine Überdosis Schlaftabletten verabreicht. Anschließend, so das Gericht, habe Carolin H. mit dem Gürtel eines Bademantels das jüngere Kind erdrosselt und danach mit einem Messer auf dieses eingestochen. Die Leiche des Mädchens wies 36 Schnitt- und Stichverletzungen auf. Nach dieser Tat habe die Mutter die fünfjährige Tochter ebenfalls erdrosselt und zusätzlich deren Brustkorb niedergedrückt. Diesem Kind brachte sie 26 Messerstiche bei, von denen fünf die Lunge trafen.

Später stach sich die Mutter mehrfach in die linke Hand und durchtrennte sich dabei die dortige Beugesehne. Als sie bemerkte, was sie getan hatte, fuhr sie mit dem Auto zur Nachbarin und gestand dort ihre Tat.

Zunächst stand die 41 Jahre alte Frau wegen zweifachen Mordes in einem Sicherungsverfahren vor dem Landgericht Stade. Als gestern die Plädoyers verlesen wurden, gingen Staatsanwaltschaft und Nebenklage nicht mehr von Mord, sondern von Totschlag in zwei Fällen aus. Laut Staatsanwalt Nils Lahmann sei der Frau keine Heimtücke nachzuweisen. Sie erkannte infolge ihrer schweren psychischen Störung nicht, was sie tat. Im Verlauf der Verhandlung, in der mehrere Sachverständige gehört wurden, war dies immer deutlicher geworden.

Schon früher hatte Carolin H. Stimmen gehört, zum ersten Mal, als sie bei einer Beerdigung an einem Grab stand. Seitdem kamen die Stimmen zuweilen zurück und befahlen ihr, Dinge zu tun. Da die Mutter aufgrund von Eheproblemen unter starkem Druck stand, traten laut einem Sachverständigen die Stimmen im Juni erneut auf. Sie sei im Wahn gewesen und habe ihre Kinder umgebracht, wie es die Stimmen befohlen hätten. Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen hatten Staatsanwaltschaft und die Nebenklage letztlich die Unterbringung der Beschuldigten in einem geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus beantragt.

Die Verteidigung hoffte, dass zunächst eine ambulante Behandlung in Frage kommen würde. Diesem Antrag entsprach das Gericht aber nicht. Laut der Kammer steht nicht infrage, dass Carolin H. bis zur Tat eine hingebungsvolle Mutter war.

"Es besteht jedoch eine erhebliche Gefahr weiterer Taten für die Zukunft. Auch weil es kein einmalig wahnhafter Zustand war, sondern dieser Zustand mehrfach in der Vergangenheit bereits vorlag", begründete Appelkamp das Strafmaß. Die Beschuldigte habe seit Jahren unter Verfolgungswahn, Depressionen und Angstzuständen gelitten. Ein Gutachter und der behandelnde Arzt beschrieben die Frau vor Gericht als akut selbstmordgefährdet. Eine ambulante Behandlung sei angesichts ihres Gesundheitszustandes derzeit nicht möglich.

Carolin H. ist seit einiger Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus bei Göttingen untergebracht. Dort muss sie nun auf unbestimmte Zeit bleiben. Zumindest so lange, bis die Ärzte eine deutliche Verbesserung ihres Krankheitsbildes feststellen können. Carolin H. hat davor aber Angst.

"Sie können mich doch nicht wegsperren, wie einen Tiger", sagt die Frau mit zerbrechlicher Stimme. Sie weint erneut - auch um ihre Töchter. "Ich habe mir genommen, was mir das Liebste war, meine beiden Kinder", sagt sie. Die letzten Worte der Frau, bevor sie aus dem Gerichtssaal hinausgeführt wird, sorgen für Bedrückung und Schweigen im Saal. Es ist sichtbar: Alle haben Mitleid mit der Frau, für die es derzeit keine andere Hilfe als die Unterbringung in dem psychiatrischen Krankenhaus gibt.

Man könne hier davon sprechen, dass Täter gleich Opfer sei, hatte ihr Anwalt zu Beginn der Verhandlung im Oktober gesagt. Beim Urteil bestand die Gewissheit, dass Carolin H. ebenso zum Opfer ihres Wahnzustandes geworden ist wie ihre Kinder.