Nach Schächter-Urteil gegen Ugur K. und Halil D. von “Este Fleisch“ wollen Tierschützer ein neues Verfahren gegen Amtstierärztin.

Buxtehude/Stade/Estebrügge. Die Strafbefehle des Buxtehuder Amtsgerichtes gegen die Schlachter Ugur K. und Halil D. von "Este Fleisch" Estebrügge wegen Tierquälerei und Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sind rechtskräftig.

Für die Tierschützer, die das Klageverfahren angestrebt hatten, ist das ein großer Erfolg. "Jetzt ist endlich klar, dass Schächten ohne amtliche Genehmigung in Deutschland verboten ist", sagte der Berliner Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge. Er vertrat drei Tierschützerinnen, die das Schlachten ohne Betäubung angezeigt hatten.

"Enttäuschend ist allerdings, dass das Verfahren gegen die Stader Amtstierärztin, Sybille Witthöft, im Oktober 2010 eingestellt wurde, weil ihr nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie über die Vorgänge im Estebrügger Schlachtbetrieb informiert wurde und Kenntnis davon hatte", sagt Kluge.

Kluge ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz. Er war in Brandenburg Justizstaatssekretär und Richter. Seit seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik arbeitet Kluge als Anwalt in Berlin mit dem Schwerpunkt Tierrechte. Nun strebt er eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Witthöft an, auch "weil seitens des Stader Veterinäramtes keine Bemühungen erkennbar waren, nach den Vorfällen im Schlachtbetrieb zwischen 2004 und 2007, konsequent einzuschreiten".

Zu einer Pressekonferenz brachte Kluge Augenzeugen mit, die vom Schächten im Estebrügger Schlachtbetrieb während verschiedener Opferfeste vor Presse- und Rundfunkjournalisten berichteten.

Und auch davon, dass Witthöft von der damaligen Mitarbeiterin des Veterinäramtes, Diana Plange, telefonisch über das unerlaubte Schächten informiert worden sei. "Ich habe das Gespräch gehört, in dem Frau Plange vom Schächten berichtete und Anweisungen von ihrer Vorgesetzten erbat", sagte Herbert Guntau. "Ich war als Zeuge benannt und wurde nie von der Staatsanwaltschaft gehört." Auch aus einem Interview, das Amtstierärztin Witthöft der "Hamburger Morgenpost" gegeben haben soll, wurde zitiert: Es sei richtig, dass der Betreiber 2004 beim Schächten erwischt wurde. Danach sei die Schlachterei aber jährlich bis zu zehn Mal überprüft worden - ohne nennenswertes Ergebnis, heißt es darin.

Heftig kontrovers sind die Aussagen des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft Stade, Kai-Thomas Breas und des Rechtsanwalts Kluge in Bezug auf die Vernehmung einer Polizistin, die am 1. Februar 2004 Augenzeugin beim Schächten gewesen sein soll. Während Kluge sagt, die Polizeibeamtin wurde als Zeugin nicht vernommen, sagt Breas: "Gerade die Vernehmung der Polizistin führte zur Einstellung des Verfahrens gegen Frau Dr. Witthöft." Als haltlos bezeichnet Breas Kluges Darstellung. "Es ist eine glatte Lüge, zu behaupten, wir hätten die Zeugin nicht gehört. Zudem entscheiden wir bei einem Ermittlungsverfahren, welche Zeugen vernommen werden."

In der ihm vorgelegten Akte habe er keinen Hinweis auf eine Vernehmung der Polizistin gefunden, so Kluge. "Ich möchte nicht unterstellen, dass die mir vorgelegte Akte unvollständig war", sagt Kluge. "Aber wenn wir beide von der gleichen Akte sprechen, ist es unerklärlich, dass zur Vernehmung der Polizistin darin nichts zu finden war."

Wenig ergiebig seien auch die Fotos von den geschlachteten Tieren gewesen, die von der Polizeibeamtin gemacht wurden, nachdem die Veterinärin das Schächten unterbunden hatte. "Ein strafbares Verhalten durch Unterlassen, lässt sich daraus nicht herleiten", sagt Breas. "Wir sind als Strafverfolger auf unanfechtbare Beweise angewiesen." Gleichwohl räumt Breas ein, dass gerade der Tierschutz juristisch kompliziert sei, weil es so viele Ausnahmeregelungen gibt. "Das Grundrecht der freien Religionsausübung und der Tierschutz kollidieren da oft", sagt Sprecher Breas.

Der für das Veterinäramt zuständige Dezernent Helmut Hölscher sagt, er habe aus der Presse von den neuen Vorwürfen gegen die Amtstierärztin erfahren. "Frau Witthöft wird diese Sachen nicht kommentieren", sagte Hölscher. Es habe überhaupt keinen Sinn, in der Sache etwas zu kommentieren. "Der Strafbefehl ist rechtskräftig, alles andere sehen wir gelassen. Frau Plange hat von sich aus bei uns gekündigt, wir jedenfalls schmeißen nicht mit Dreck." Zur Frage, ob die Amtstierärztin tatsächlich in einem Interview geäußert hat, der Betreiber des Schlachtbetriebs sei beim Schächten erwischt worden, sagte Hölscher: "Das kommentiere ich nicht mehr."

Im Gegenzug wirft Hölscher den Tierschützern vor, "sie haben sich nicht an uns, sondern an die Staatsanwaltschaft und das Fernsehen gewendet, das dient den Tieren nicht." Der Tierschützer Jürgen Foß, dem das Beweisvideo gelang, das letztlich zur Bestrafung der Tierquäler führte, bringt es auf den Punkt: "Da wird der Spieß umgedreht und zum stumpfen Schwert, wenn die Veterinärämter den Anzeigen von Tierschützern nicht nachgehen."

Der erste Schritt sei immer die Anzeige beim Veterinäramt, aber die Erfahrung zeige, dass dies oft nichts bringe. "Die Staatsanwaltschaft ist bei ihren Ermittlungen auf die Veterinärbehörde und die dort vorliegenden Erkenntnisse und Anzeigen angewiesen. Wenn sich die Behörde jedoch erst mal auf die Seite des Tierschänders stellt, sind auch die Ermittlungen für die Staatsanwaltschaft fruchtlos", lautet die These von Tierschützer Foß. Hinzu komme, dass bei solchen Verfahren der bürokratische Aufwand enorm sei, was das Prozedere der Strafverfolgung extrem verlängert.