Die Zwillinge Lars und Hauke Thießen aus Agathenburg haben den mehrfach ausgezeichneten Animationsfilm “3-7-4“ programmiert.

Agathenburg. Ob sie sich ihren eigenen Film noch anschauen können? Die Zwillinge Lars und Hauke Thießen blicken sich kurz an. "Momentan geht es wieder, zwischenzeitlich wollte ich ihn nicht mehr sehen", sagt Lars. Immer wieder seien den 18-Jährigen Fehler aufgefallen. Doch die beiden Agathenburger üben Selbstkritik auf hohem Niveau. Schließlich haben sie mit ihrem Animationsfilm "3-7-4" bundesweit Preise abgeräumt.

Alles begann mit der kostenlosen Demo-Version einer 3D-Grafik-Software, die einer Computerzeitschrift beilag. Die Zwillinge lernten, dreidimensionale Modelle und Szenen auf dem heimischen PC zu schaffen. Mit diesen Vorkenntnissen besuchten die beiden Schüler des Gymnasiums Athenaeum Stade vor drei Jahren die Video-AG von Tobias Fey an ihrer Schule. Dort eigneten sie sich ihr weiteres Handwerkszeug an. Sie lernten unter anderem Filmschnitt- und Filmsprache, den Aufbau einer Szene und weitere Grundlagen des Produzierens von Filmen.

Dann entstand relativ schnell die Idee für ihren ersten Film. In "3-7-4" wird eine Gesellschaft dargestellt, die in der Zukunft in einem unterirdischen Komplex lebt. In dieser Gesellschaft gibt es Arbeiter und diejenigen, die diese überwachen. Die Arbeiter führen monotone Tätigkeiten aus. Damit sie diese nicht hinterfragen, müssen sie regelmäßig Pillen nehmen. Dank der Pillen sind sie glücklich und denken nicht nach. Eines Tages nimmt der Arbeiter "3-7-4", gespielt von Hauke Thießen, zufällig seine Pillen nicht.

Er hinterfragt sein maschinelles Dasein und den Überwachungsstaat. Dann muss er fliehen. Nach seiner Flucht wird ihm ein unerwartetes Bild von Freiheit eröffnet. Inspiriert wurde Lars und Hauke Thießen vom US-amerikanischen Science-Fiction-Film "THX 1138", den der Drehbuchautor, Produzent und Regisseur George Lucas im Jahr 1971 realisierte.

Das Science-Fiction-Genre habe die Film-Fans schon immer fasziniert, sowohl in Büchern und Filmen als auch in Computerspielen, sagt Hauke. Eigentlich sollte der Kurzfilm etwa drei Minuten lang und in einer Zeit von etwa acht Wochen abgeschlossen sein. Doch dieser Plan änderte sich schnell. Nach einer Produktionszeit von knapp eineinhalb Jahren war Film fertig, der dann eine Länge von neun Minuten hatte. Weil sie ihn für das vierte Hüller Jugendfilmfest im Jahr 2010 angemeldet hatten, gerieten sie am Ende sogar unter Zeitdruck. In den letzten zwei Wochen vor dem Abgabetermin legten sie gleich mehrere anstrengende Nachtschichten ein. Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Sie wurden rechtzeitig fertig und holten sich gleich den mit 250 Euro dotierten ersten Preis in Drochtersen-Hüll.

Noch im gleichen Jahr reichten sie ihren Film bei den Uelzener Filmtage ein, dort wurden sie mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Sie gewannen ein zweiwöchiges Praktikum bei einer Videoproduktionsfirma in Göttingen.

Der endgültige Durchbruch kam jedoch erst jetzt. Zunächst wurden die Filmemacher aus dem Landreis Stade beim Deutschen Multimediapreis "MB 21 - Mediale Bildwelten" in Dresden den mit 500 Euro dotierten Sonderpreis "Medienkunst". Die Jury lobte insbesondere die aufwendige Produktionsweise sowie die inhaltlich anspruchsvolle Auseinandersetzung mit dem Thema. Erst kürzlich gewannen sie zudem im Rahmen des 11. Internationalen Filmfestivals in Hannover den mit 1000 Euro dotierten Bundes-Schüler-Filmpreis.

Mittlerweile haben die jungen Filmemacher sogar ihren zweiten Kurzfilm fertig gestellt. Ein Jahr lang haben sie an "Dukkha" gearbeitet. Der Titel stammt aus dem Hinduismus und bedeutet "Leid" im Kreislauf der Wiedergeburten. Auch dieser Film bewegt sich im Science-Fiction-Genre. In der Zukunft kann das Militär Menschen wiederbeleben, die im Krieg gefallen sind. Doch die Hauptfigur wird süchtig nach dieser Prozedur und bringt sich deshalb immer wieder selbst um.

Auch bei derart schrägen Ideen seien sich die beiden Brüder sehr oft schnell einig, sagt Hauke. Das sei ein Geheimnis ihrer guten Zusammenarbeit. Die Zwillinge denken eher auf einer Wellenlänge, Kommunikationsprobleme gibt es selten. Im kommenden Jahr schreiben die Zwölftklässler Abitur. Sie haben bereits eine Idee für einen dritten Film, begonnen haben sie damit allerdings noch nicht.

Ob sie später in der Filmbranche ihr Geld verdienen wollen, wissen die 18-Jährigen noch nicht. Die Angst davor, später keinen sicheren Arbeitsplatz zu haben, schrecke sie derzeit noch ab. So bleibt das Produzieren von Filmen noch ein Hobby. Wie wichtig ihnen der Erfolg ist? Sie seien zufrieden, wenn Leute ihre Filme angucken und die Idee interessant finden. Dabei sind sie bei ihrer detailgetreuen Arbeit vermutlich selbst ihre größten Kritiker.

Der preisgekrönte Film "3-4-7" unter www.vimeo.com