Aus der Reihe “Der Norden liest“: Die Abenteurer Achill Moser und Wilfried Erdmann berichten in Stade von ihren Reisen um die Welt.

Stade. Fernweh-Geschichten, unter jenem Motto steht dieses Jahr die vom NDR Kulturjournal präsentierte Lesereihe "Der Norden liest". Am Freitagabend macht das Veranstaltungsteam in der Seminarturnhalle in Stade Halt. Achill Moser, der auf mehr als 25 Expeditionen in die Wüste zurückblicken kann, und Wilfried Erdmann, der schon mehrmals die Welt umsegelt hat, berichten in Form von Dia-Vorträgen von ihren Abenteuern.

Hamburger Abendblatt: Wüste und Meer, das passt doch nicht zusammen, oder?

Achill Moser: Natürlich sind die Wüste und das Meer auf den ersten Blick Gegenpole, allerdings sind sie durch vielfältige Wechselwirkungen miteinander verbunden. Sie haben viele verwandte Wesenszüge, zum Beispiel die Weite. Beides ist immer in Bewegung, sowohl das Sandmehr als auch die Wasserwüste. Und wenn man eine Dünenlandschaft anschaut und sich das Ganze dann in blau vorstellt, dann ist das Gewoge von Sand und Meer schon sehr ähnlich.

Was genau erwartet die Besucher am Freitag in Stade?

Moser: Eine große Dia-Show und Lesung. Zunächst werde ich von meiner Durchquerung der Sahara erzählen, 5550 Kilometer vom Atlantik bis zum Nil auf der ältesten Karawanenstraße Afrikas. Nach der Pause wird Wilfried dann von seiner spannenden Weltumseglung gegen den Wind berichten, in 343 Tagen nonstop um die Erde.

Können Sie erklären, was Sie am Meer beziehungsweise an der Wüste am meisten mögen?

Wilfried Erdmann:Schon die Vorbereitung auf so eine Reise macht mir Spaß. So lange allein zu sein, ist eine Herausforderung, dann die Navigation an Bord, also zumindest früher, als man noch mit einem Sextanten navigierte, aber auch das Sportliche reizt mich sehr. Und natürlich die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, Menschen treffen. Manchmal denke ich, es gibt keine bessere Aufgabe für mich, als über die Ozeane zu segeln.

Moser:Was mich als Großstadtmensch aus Hamburg an der Wüste besonders reizt, sind Weite und Stille. Irgendwie mag ich die Wüste als Naturphänomen, ich liebe Sand, bin als leidenschaftlicher Fußgänger gern monatelang wie ein Nomade unterwegs. Bis heute habe ich übrigens noch immer keinen Führerschein gemacht.

Was nimmt man auf so eine Reise mit?

Moser: Das wichtigste ist Verpflegung, das muss man gut planen. Ansonsten reduzieren wir uns bei unseren Reisen beide auf das Wesentliche. Das fällt vielen Menschen heute sehr schwer. Wir leben in einer Welt, in der alles erreichbar ist und man sich alles kaufen kann. Unsere Reisen sind ein Gegenentwurf zu dieser schnelllebigen Welt. Es geht darum, sich auf das zu besinnen, was man am wesentlichsten braucht.

Das Thema der Reihe "Der Norden liest", zu der auch Ihr Vortrag gehört, ist Fernweh. Ist Fernweh etwas, das Sie beide schon sehr früh in sich entdeckt haben?

Erdmann:Auf jeden Fall, die Ferne hat mich schon angezogen, als ich jung war. Meine erste Fahrt im Alter von 18 Jahren führte mich mit dem Fahrrad über Italien, Nordafrika und den Irak nach Indien. Seltsamerweise habe ich auf der Reise auch das Meer und das Segeln für mich entdeckt.

Herr Moser, Sie haben Ihre erste Reise in die Wüste im Alter von 17 Jahren unternommen.

Moser:Ja, ich bin damals noch zur Schule gegangen und habe mir ein Interrail-Ticket gekauft. Der weiteste Ort, den man mit dem Zug erreichen konnte, war Marrakesch in Marokko. Von dort bin ich dann mit dem Lkw in die Wüste gefahren und habe zum ersten Mal ein riesiges Sandmeer gesehen. Es hat mich sofort gepackt. Ich bin danach sieben Mal von der Schule geflogen, weil ich immer wieder die Ferien verlängert habe, um in der Wüste unterwegs zu sein...

Herr Erdmann, Sie sind vier Mal um die Erde gesegelt und Sie, Herr Moser, haben fünf Jahre Ihres Lebens in 25 verschiedenen Wüsten der Welt verbracht. Kommt man als Abenteurer irgendwann an den Punkt, wo alles höher, schneller und weiter gehen muss?

Moser:Natürlich steigert man sich. Als junger Mensch kann man nicht alles sofort ausprobieren, man hat nicht die nötige Erfahrung. Aber es macht einfach Spaß, sich immer wieder Herausforderungen zu stellen, das ist wie eine Sucht.

Herr Moser, Sie waren kürzlich auch mit Ihrem Sohn wandern und haben darüber ein Buch geschrieben. Tritt er in Ihre Fußstapfen? Ist Abenteuerlust erblich?

Moser:Das weiß ich nicht. Es hat sich nach dem Abitur meines Sohnes so ergeben, dass wir auf den Spuren Heinrich Heines 1500 Kilometer durch die Alpen gewandert sind, denn neben den Wüsten bin ich auch großer Literaturfan. Ich will meinen Sohn Aaron da gar nicht beeinflussen, aber er hat am Unterwegssein schon Geschmack gefunden. Ihn reizt besonders das Filmen. Vielleicht gibt es ja auch ein Abenteuer-Gen. Mein Vater zum Beispiel war begeisterter Bergsteiger und hat sich intensiv mit Reiseliteratur beschäftigt.

Man sagt immer, Reisen sei die beste Bildung. Ist das so?

Erdmann: Sicher. Wenn man allein ist, ist man ja auch kontaktfreudig und lernt viel über Menschen, Sprachen, Kulturen und das Leben in der Ferne. Aber auch über sich selbst.

Moser: Solche Reisen sind auf jeden Fall prägend. Ich weiß noch, ich war in jungen Jahren mal in der Kaisut Wüste im Norden Kenias mit zwei Turkana-Kriegern unterwegs. Kurz bevor wir unser Ziel erreicht hatten, blieben die beiden plötzlich stehen und ich fragte, was los sei. Der eine von Ihnen sagte dann, sie würden warten, dass ihre Seele sie einholt. Dadurch ist mein Reisemotto entstanden: "Zu Fuß unterwegs sein, in einer Geschwindigkeit, in der die Seele Schritt hält". Solche ungewöhnlichen Erfahrungen mit anderen Menschen, beeinflussen auch das eigene Leben.

Haben Sie das jeweilige Element des anderen eigentlich schon mal betreten?

Erdmann:Dass Achill schon mal segeln war, weiß ich. Und ich war 1958 auch schon mal in der Wüste in Libyen. Aber mir war das da ein bisschen zu staubig...

Herr Moser, und Ihnen war das Meer vermutlich zu nass?

Moser:Das nicht. Ich bin Anfang der Achtziger mit einem Floß den kanadischen Mackenzie-Strom bis zum Nordpolarmeer hinab gefahren und dann all die Jahre immer mal wieder auf dem Wasser gelandet. Wilfried ist da gar nicht so unschuldig dran, mit seinen faszinierenden Büchern. Aber ich hatte immer großen Respekt vor dem Meer und bin nie allein gesegelt. Das Meer hat keinen Boden, die Wüste schon. Und wie sagt man so schön? Schuster bleib bei deinem Leisten.

Die Lesung in der Seminarturnhalle, Seminarstraße 7, beginnt um 20 Uhr. Karten kosten 7 Euro und sind vorab bei der Buchhandlung Waller unter Telefon 04141/400 80 erhältlich