Das Schifffahrtskontor verlegt offenbar den Firmensitz von Steinkirchen nach Hamburg. Politiker fürchten Einbruch der Gewerbesteuer.

Steinkirchen. Das Schifffahrtskontor Altes Land (SAL), eine der größten Reedereien in der Region, verlegt offenbar seinen Firmensitz von Steinkirchen nach Hamburg. "Wir wissen schon länger davon. Nun steht es ja fest, dass der Wechsel Ende nächsten Jahres vollzogen wird", sagte Hans Jarck (SPD), Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe, gestern auf Abendblatt-Nachfrage. Das Unternehmen selbst wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Nach Aussage von Gemeindepolitikern ist der geplante Wechsel in Steinkirchen aber schon länger bekannt. "Ich habe auf der Straße davon erfahren. Mit mir hat das Unternehmen aber nicht gesprochen", sagte gestern Bürgermeister Michael Gosch (CDU). Ähnlich Otto Bruns (SPD), langjähriges Ratsmitglied in Steinkirchen: "Im Ort ist das bekannt. Aber ich bin nicht persönlich informiert worden."

+++31 Jahre Altländer Schifffahrtsgeschichte+++

Nach Informationen des Abendblatts wurde die SAL-Belegschaft in Steinkirchen vor etwa einem Monat darüber informiert, dass es Pläne für den Umzug gibt. Ein Hauptgrund sei, dass die Räumlichkeiten in Steinkirchen nicht mehr genug Platz böten. Neue Räume in Hamburg seien noch nicht gefunden. Die Belegschaft wird sich wohl aber darauf einrichten müssen, künftig nach Hamburg pendeln zu müssen. In Steinkirchen sind rund 70 Mitarbeiter beschäftigt.

Mit dem Weggang des Unternehmens endet eine 31-jährige Ära in Steinkirchen. Der im Alten Land geborene Unternehmer Hans Heinrich hatte das Schifffahrtskontor im Jahr 1980 gegründet und zu einem der führenden Anbieter auf dem Gebiet des Schwerlast-Transportes auf See gemacht. SAL hat heute Zweigstellen in mehreren Teilen der Welt, unter anderem in London und in Tokio, und verfügt über eine Flotte von 16 Schiffen.

Im Jahr 2007 verkaufte Heinrich 50 Prozent der Anteile an die in Japan ansässige Reederei K-Line. Im Juni dieses Jahres verkaufte Heinrich die restlichen 50 Prozent und zog sich im Alter von 65 Jahren aus dem Unternehmen zurück. Hans Jarck sieht den geplanten Wegzug nach Hamburg im direkten Zusammenhang mit dieser Entscheidung. "Die Ahnung war da, nachdem K-Line die Reederei übernommen hat. Hamburg hat schließlich einen eigenen Flugplatz und einen Hafen."

Hans Heinrich, der als sehr heimatverbundener Unternehmer gilt, wollte sich gestern nicht zur der Entscheidung des SAL äußern. Michael Gosch sagt allerdings: "Ich weiß, dass Hans Heinrich die Firma gerne hier im Ort behalten hätte."

SAL ist eines der größten Unternehmen in der Samtgemeinde Lühe, in der 1600 Einwohner zählenden Gemeinde Steinkirchen das mit Abstand größte. Entsprechend ist die Reaktion der Politik: "Ich bedaure das sehr. Aber wir hatten keine Instrumente, das zu verhindern", sagte gestern Michael Gosch. Ähnlich Hans Jarck: "Das ist für uns keine schöne Nachricht. SAL ist einer der kräftigsten Steuerzahler."

Der Wegfall der Gewerbesteuer - er wird für die lokale Politik voraussichtlich das größte Problem nach einem Wegzug des Unternehmens. Erst kürzlich hatte ein Gutachten der Stader Industrie- und Handelskammer ermittelt, dass Lühe im regionalen Vergleich in den vergangenen Jahren besonders hohe Einkünfte aus dieser Steuer erzielt hat. Im Gespräch mit dem Abendblatt hatte das der Samtgemeindekämmerer Kai Schulz auch auf die Reederei-Branche zurückgeführt. SAL ist das einzige Unternehmen dieser Art in der Samtgemeinde. Nun wird man sich um Ersatz bemühen müssen.

Michael Gosch ist dennoch verhalten optimistisch. Ein Grund: Hans Heinrich, der als Mäzen auch für die Sanierung mehrerer historischer Gebäude in Steinkirchen verantwortlich zeichnet, bleibt dem Ort erhalten. Er ist nach wie vor Eigentümer der vier Häuser im Steinkirchener Zentrum, in denen SAL derzeit residiert. Nun gelte es, sie neu zu vermieten. "Büroräume werden ja gesucht", sagt dazu Hans Jarck.

Zumindest einen Vorteil könnte es haben, wenn neue Mieter in die Räume an der Bürgerei einziehen. Die Gewerbesteuer wird vielleicht nicht mehr so üppig sprudeln - dafür aber konstanter. Bei den Beträgen, die SAL überwies, sei es laut Hans Jarck eine "Berg- und Talfahrt" gewesen. "Mal bekam die Gemeinde Millionenbeträge, mal wesentlich weniger." Dies sei den Eigenheiten der Schifffahrtsbranche geschuldet. "Das meiste geht ohnehin an den Kreis und an das Land", ergänzt Otto Bruns.

Bleibt die Frage, ob der Umzug, der vonseiten des Unternehmens nicht offiziell bestätigt und begründet wird, überhaupt richtig ist. Michael Gosch hat Zweifel: "In Hamburg gibt es mehr als 100 Reedereien dieser Größe, hier waren sie die einzigen. Und das Alte Land war ein weitweites Markenzeichen in der Branche". (abendblatt.de)