Mehr als 30 Ehrenamtliche wollen Ende Dezember ihre Arbeit niederlegen, weil St.-Petri-Kirchengemeinde Trägerschaft an Diakonie abgibt.

Buxtehude. Kartoffeln sollen's heute sein, und vielleicht ein bisschen Brot. Michael Turovskiy steht mit seinem Korb vor Ilona Baeck und nennt der Mitarbeiterin der Buxtehuder Tafel höflich die Dinge, die er gerne mitnehmen möchte. Danach geht er weiter in den nächsten Raum, in dem Joghurt, Schokolade und noch mehr Lebensmittel aufgebaut sind. Michael Turovskiy ist einer von 220 sogenannten bedürftigen Buxtehudern, die Kunden der Tafel sind. Heute ist für ihn Einkaufstag.

Dass diese Einkaufstage in Zukunft etwas anders aussehen könnten, darauf werden sich die Tafelkunden wohl einstellen müssen. Die mehr als 30 ehrenamtlichen Helfer des Tafel-Teams haben gedroht, ihren Dienst zum 31. Dezember geschlossen zu quittieren. Sie sind entsetzt, dass die Leitung der St.-Petri-Kirchengemeinde quasi über ihre Köpfe hinweg entschieden hat, die Trägerschaft der Tafel an den Diakonieverband des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Buxtehude und Stade abzugeben. Ein großer Tafel-Verband Elbe soll gegründet werden, dem alle Tafeln im Landkreis Stade angehören. Bisher sind lediglich die Einrichtungen in Drochtersen, Himmelpforten und Stade in Trägerschaft der Diakonie.

"Wir wollen unter dem Dach der Kirchengemeinde bleiben", sagt Helma Struckmann. Neben Marina Mächler, Erika Kalisch und Jörn Reincke gehört sie zum Leitungsteam und war schon bei der Tafelgründung vor knapp zehn Jahren dabei. Tenor der Kritik ist, dass die Ehrenamtlichen nicht verstehen, warum sie an der Suche nach einem neuen Träger nicht beteiligt wurden und warum es überhaupt einen Wechsel geben soll. Sei die Arbeit, die sie leisten, etwa nicht gut genug? Ihre Befürchtung ist, dass im Zuge der Zusammenlegung die Arbeit vor Ort in Buxtehude ins Hintertreffen gerät. Außerdem kritisieren sie, dass der Kirchenvorstand und Pastorin Karin Altenfelder über sie bestimmen, aber im Grunde gar nichts über sie wissen würden. Altenfelder habe die Tafel nicht ein einziges Mal besucht.

Dass das durchaus stimmen könnte, räumt Karin Altenfelder mit der Begründung für ihre Entscheidung im Grunde selbst ein. St. Petri als Träger der Einrichtung habe nicht die zeitlichen Ressourcen und die Kompetenz, die Tafel erfolgreich in die Zukunft zu führen. Bereits im vergangenen Jahr habe es Gespräche mit dem Leitungsteam gegeben, deshalb könne man auch nicht von einem Beschluss über die Köpfe hinweg sprechen. Seitens der Mitarbeiter habe es aber immer nur geheißen, dass man keine Veränderung wolle. Mehr nicht.

"Es geht auch nicht darum, dass die Ehrenamtlichen ihrer Arbeit nicht nachkommen", geht sie auf einen weiteren Kritikpunkt ein und nennt dann als Beispiel ein Liefersystem für die Waren, das sich die Mitarbeiter wünschen. "Wir als Träger können so etwas nicht leisten, deshalb brauchen wir eine gewisse Kompetenz." Diese Kompetenz biete die Diakonie. Sie lade alle Ehrenamtlichen herzlich ein, sich über die Einrichtung zu informieren.

+++ Die Tafeln helfen Bedürftigen +++

Genau diesen Weg geht auch Diakonie-Geschäftsführerin Annette Kirn. Anfang Dezember werde es ein Gespräch mit den Tafel-Mitarbeitern geben, bei dem sie das neue Konzept vorstellen wolle, sagt sie. "Wir suchen Leute vor Ort, weil wir eine Tafel von Buxtehudern für Buxtehuder betreiben wollen." Die Tafel solle in dem neuen Konzept selbstständig bleiben, und die Geldspenden, die in der Estestadt eingingen, würden auch nur dort verteilt. "Spenden sind zweckgebunden, wir haben sogar einen eigenen Haushalt für Tafel und Wärmestube", entkräftet sie eine weitere Befürchtung der Buxtehuder, das Geld würde in einen gemeinsamen Topf wandern.

Zunehmende Altersarmut, dringende Notfälle - in Annette Kirns Augen stehen die Tafeln in den kommenden Jahren noch vor riesigen Herausforderungen. Ziel sei es deshalb, sie weiterzuentwickeln, und das gehe in einem Verbund besser. Ein Ansatz sei zum Beispiel, auch in Buxtehude die Tafel als eine Art Laden zu organisieren. Derzeit wird ein Teil der Lebensmittel noch in Einkaufstüten abgepackt, damit sie gerecht verteilt werden können. "Dieses System ist nicht transparent", sagt Annette Kirn und kritisiert zudem, dass es in der Estestadt Wartezeiten gebe. Die 220 Tafelkunden können nur im 14-täglichen Rhythmus vorbeikommen. Das heißt, die eine Hälfte ist in den geraden und die andere in den ungeraden Wochen an der Reihe, jeweils noch einmal aufgeteilt auf Dienstag und Freitag. Pro Tag sind somit nur um die 50 Leute in dem Haus an der Hansestraße 1.

Dass das alles aber bestens funktioniere, bestätigen langjährige Kunden wie Charlotte Bock und Haike Holte. "Wir sind eine Familie", sagt Bock. "Wir werden wie Menschen aufgenommen, niemand braucht sich schämen, dass er herkommt", sagt Holte. Nach Ansicht von Astrid Gränert gibt es auch am Tütensystem nichts zu bemängeln, es habe sich bewährt. Wie die anderen schätzt sie den persönlichen Kontakt und blickt voll Sorge in die ungewisse Zukunft.

Möglich ist nun, dass Vermittler eingeschaltet werden und es ihnen gelingt, die verhärteten Fronten aufzubrechen. Buxtehudes Superintendent Helmut Blanke, der sich mittlerweile ebenfalls eingeschaltet hat, geht aber schon so weit und sagt, dass die grundsätzlich unterschiedlichen Standpunkte in der Sachfrage bedeuten können, dass eine Zusammenarbeit zwischen dem bisherigen Leitungsteam der Tafel und der Diakonie nicht möglich ist.

Deshalb wolle die Diakonie als nächstes auf die Mitarbeiter selbst zugehen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Eine Sorge kann aber auch Blanke nicht verhehlen. Er hoffe sehr, dass die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln weiterhin sichergestellt werde. Also auch dann, wenn die Ehrenamtlichen im Januar tatsächlich ihre Arbeit niederlegen. Er habe zurzeit keinen Grund daran zu zweifeln, dass es genügend Menschen in Buxtehude gebe, die dieses Anliegen teilen und tatkräftig mithelfen würden.