Stader und Buxtehuder Schüler haben beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten Christian Wulff gewonnen. Preis für Outing-Geschichte

Stade/Buxtehude. Detailreiches Recherchieren, akribisches Nachfragen und tagelanges Schreiben haben sich für Gesa Lewe aus Buxtehude gelohnt. Die 18-Jährige hat beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten zum Thema "Skandale in der Geschichte" einen dritten Preis auf Bundesebene gewonnen und darf heute in Berlin dabei sein, wenn Bundespräsident Christian Wulff die Preisträger ehrt.

Auf knapp 50 Seiten hat Gesa für diesen Preis Geschichte erforscht. Ihre eigene Familiengeschichte. "Eine Auflage des historischen Forschungswettbewerbs ist es, dass ein regionaler oder persönlicher Zusammenhang zwischen Forscher und Forschungsgegenstand besteht", sagt Gesas Lehrerin Annette Puckhaber, die sowohl Tutorin als auch Landesbeauftragte des Geschichtswettbewerbs ist. Diese Bedingung hat Gesa erfüllt. Die Schülerin der 12. Klasse schreibt in ihrer Arbeit "Das Outing einer Lesbe 1991" über eine Verwandte, die sich Anfang der 90iger Jahre in einer Kleinstadt und innerhalb eines katholischen Umfelds als homosexuell outete. "Das war damals, gerade für ihre Eltern, schon ein Skandal", sagt Gesa, die damit auch das Motto des Wettbewerbs "Ärgernis, Aufsehen, Empörung: Skandale in der Geschichte" aufgegriffen hat.

Für ihre Recherche hat Gesa Bibliotheken durchforstet, Briefe ausgewertet, mit Familienangehörigen Interviews geführt und mit Pastoren aus der besagten Kleinstadt gesprochen. "Das alles hat schon sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Drei Monate hatte ich oft nichts anderes im Sinn", sagt die Preisträgerin, die Geschichte auch als Leistungskurs gewählt hat.

Bereits über ihren Landessieg hatte sich Gesa sehr gefreut. Jetzt auch noch einen der 30 dritten Plätze deutschlandweit gewonnen zu haben, das hat sie nicht erwartet. Vor allem weil es für Gesa zwischendurch "echt hart" war - mitten in der Recherchearbeit entschied ihre Verwandte, sie wolle anonym bleibe. "Das war nicht einfach für Gesa. Sie dachte schon, ihre gesamte Arbeit wäre nutzlos gewesen. Toll, dass sie drangeblieben ist, ihr Ergebnis ist hervorragend", berichtet Annette Puckhaber.

Die Forschungsarbeit schrieb Gesa im Rahmen eines Seminars, in dem sie und ihre Mitschüler eine Facharbeit anfertigen mussten. Für ihr Werk bekam Gesa als Facharbeit die Note "sehr gut", als Beitrag im Geschichtswettbewerb 750 Euro Preisgeld. "So hat sich die viele Arbeit zumindest rentiert", sagt Gesa und freut sich auf ihren neuen Laptop, den sie sich von diesem Geld anschaffen möchte.

Auch das Vincent-Lübeck-Gymnasium in Stade hat erfolgreich an dem Wettbewerb teilgenommen. Einer von 15 zweiten Preisen auf Bundesebene geht an acht Stader Schüler für ihr gemeinsames Projekt "Der Fall der Anna Engel Berger. Ein Skandal im Pfarrhaus von Neuenwalde 1721 bis 1730". Durch den Archivar Thomas Fenner vom Ritterschaftlichen Archiv sind die Schüler auf das Thema aufmerksam geworden. Fenner legte ihnen die Akte vor und die Geschichte fesselte die Schüler sogleich. "Inhaltlich geht es um die Ehefrau eines Pastors, die zuviel Alkohol konsumierte und ihren Mann geschlagen haben soll. Das war ein riesiger Skandal in der damaligen Zeit", sagt Henning Mergard, 16, einer der Schüler. Knapp 40 Seiten haben er, Marco Albers, 15, Mirco Fuchs, 15, Johannes Feld, 15, Johanna Fröhling, 13, Till Albers, 14, Christian Spreckels, 13, und Christian Strunk, 13, in der Geschichts-AG und unter der Leitung von Studiendirektor und Tutor Johannes Heinßen gefüllt. Dafür haben sie alte Kirchenbücher gewälzt und sowohl das Ritterschaftliche Archiv als auch das Staatsarchiv in Stade aufgesucht.

"Wir haben uns jeden Freitag in der AG abgesprochen und dann viel Arbeit zu Hause erledigt", sagt Mirco Fuchs. Die größte Hürde war für die Schüler dabei das Entziffern der alten Akten. Stunde um Stunde haben sie damit verbracht, die handschriftliche Sütterlinschrift zu erschließen. "Die Schüler waren sehr engagiert und haben viel Freizeit für das Projekt geopfert", sagt Tutor Johannes Heinßen. Die Mühe hat sich auch für diese Schüler gelohnt. 1250 Euro gewannen sie mit ihren Siegen auf Landes- und Bundesebene. Davon wollen sie eine Exkursion machen und "den Rest sparen".

Zur heutigen Preisverleihung dürfen die acht Schüler, trotz ihres zweiten Preises, allerdings nicht fahren. Das Privileg, vom Bundespräsidenten nach Berlin eingeladen zu werden, bleibt den ersten Preisträgern und den landesbesten Schulen vorbehalten.

Seit 1973, als der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann und Stifter Kurt Adolf Körber den Wettbewerb gründeten, haben sich rund 126 000 junge Menschen mit mehr als 25 000 Beiträgen am Wettbewerb beteiligt. In diesem Jahre wurden 1152 Beiträge eingereicht, 19 davon stammen vom Gymnasium Buxtehude Süd. "Für unsere Aktivität wurden wir belohnt", sagt Annette Puckhaber, "der Preis der landesbesten Schule Niedersachsens geht in diesem Jahr an uns." Aufgrund dieser Auszeichnung durfte das Gymnasium vier Personen benennen, die mit zur feierlichen Preisvergabe nach Berlin fahren - unter ihnen ist Gesa Lewe. Heute ist Bundespräsident Christian Wulff Gastgeber der Buxtehuder-Delegation im Schloss Bellevue. "Irgendetwas Schickes" trägt Gesa dann und Annette Puckhaber hofft auf ein gemeinsames Foto mit dem Bundespräsidenten.