Im Jorker Traditionslokal “Herbstprinz“ sind neue Pächter eingezogen. Doch die Vergangenheit des Restaurants könnte sie einholen.

Jork. Für die Gastronomen Thomas Armbruster und Michael Ploch hat sich mit der Neueröffnung des Jorker Herbstprinzen, Osterjork 76, der Traum vom eigenen Restaurant erfüllt. Sie haben das historische Gasthaus mit viel Aufwand renoviert und wollen in dem rund 300 Jahre alten Traditionslokal ihre Gäste mit Spezialitäten der Saison und Speisen der französischen und mediterranen Küche verwöhnen.

Doch der Traum vom eigenen Restaurant könnte für die beiden Hamburger Gastronomen, ihren Konditor Pite Gier und die Mitarbeiterin Özlem Atalay noch zum Albtraum werden. Denn sie haben mit Andreas S., über eine Firma, die S. gehören soll, einen Pachtvertrag abgeschlossen, so Armbruster gegenüber dem Abendblatt.

Was auf den ersten Blick als ganz normaler Vorgang erscheint, wirft bei genauerem Hinsehen Fragen auf. Denn Andreas S. ist nicht der Besitzer des Lokals. Das gehört seiner Exfreundin, der ehemaligen Herbstprinz-Wirtin Sandra T., die derzeit in Untersuchungshaft sitzt. Sandra T. steht laut Staatsanwaltschaft Stade im Verdacht, ein Mordkomplott gegen ihren Ex-Partner und Vater der gemeinsamen Tochter, Andreas S., ausgeheckt zu haben.

Sandra T. soll, so die bisherigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft, mit ihrem Liebhaber Marc W., der als Koch und Geschäftsführer im Herbstprinz beschäftigt war, vier Männer aus Hamburg angeheuert haben, die Andreas S. aus dem Weg räumen sollten. Der überlebte im März 2011 schwer verletzt eine nächtliche Messerattacke. Bei Sandra T. klickten rund zwei Monate später die Handschellen.

Monatelang war der Herbstprinz geschlossen und Andreas S. auf der Suche nach geeigneten Pächtern. Die beiden Hamburger Thomas Armbruster und Michael Ploch wagten es, trotz der spektakulären Vorgeschichte des Herbstprinzen, das Lokal zu renovieren und neu zu eröffnen. Zwei Monate haben die beiden geschuftet, das historische Ambiente des denkmalgeschützten Reetdachhaus auf Hochglanz poliert, die Küche modernisiert und sogar die sanitären Anlagen stilvoll auf das Gesamtensemble abgestimmt.

Sie sagen: "Wir wollen hier im Alten Land einen Neuanfang machen, den Leuten wieder eine stilvolle Gastronomie im Herbstprinz bieten und mit den alten Sachen überhaupt nichts zu tun haben."

Im Raum steht nun die Frage, ob die Besitzerin, die derzeit noch in Untersuchungshaft sitzt, überhaupt von dieser Entwicklung weiß, die Andreas S. eingeleitet hat. Beim Amtsgericht Tostedt läuft ein Insolvenzverfahren, 2010 beantragt von Sandra T., weil sie offensichtlich ihren Zahlungsverpflichtungen ihren Gläubigern gegenüber nicht mehr nachkommen konnte. Seit Dezember 2010 war der Laden in Osterjork dicht.

"Wir haben von der Neueröffnung des Restaurants aus den Medien erfahren", sagt Jens Drexler, Sprecher der Volksbank Stade-Cuxhaven. Das Geldinstitut gehört zu den Gläubigern der Herbstprinz-Wirtin. "Wir sehen es natürlich positiv, dass wieder Leben im Herbstprinz ist, und diese gastronomische Perle im Alten Land den Gästen nun wieder offen steht. Den neuen Pächtern wünschen wir einen guten Start", sagt Drexler.

Die Volksbank Stade-Cuxhaven war bereits Hauptgläubiger der Familie Scholz, die vor Sandra T. das renommierte Traditionsrestaurant führte. Petra und Harald Scholz hatten das Herbstprinz-Ensemble mit Restaurant und Wohnhaus im Jahr 2000 für 1,4 Millionen Mark von der Hamburgerin Renate Pahlke gekauft, bei der Harald Scholz über Jahre als Koch angestellt war.

Insider aus der Jorker Gastronomie erinnern sich noch, dass nach vier Jahren, im Februar 2004, beim Herbstprinz ein Insolvenzverfahren anhängig war. Der Eigentümer und Spitzenkoch Harald Scholz war an den hohen Kosten wirtschaftlich gescheitert.

Das weit über die Grenzen des Alten Landes bekannte Traditionshaus war im März 2005 im Amtsgericht Buxtehude zwangsversteigert worden. Der neue Eigentümer, die Volksbank Stade-Cuxhaven, hatte für das denkmalgeschützte Objekt 258 000 Euro bezahlt.

Die Bank hatte großes Interesse, den Herbstprinz wieder zu verkaufen, damit die neuen Besitzer die Gastronomie weiterführen konnten. Für rund 415 000 Euro sollte das historische, mit antiken Möbeln eingerichtete Restaurant, das Nebengebäude als Eigenheim und ein kleiner Fachwerkbau neben dem Lokal den Besitzer wechseln.

Mit dem Hamburger Gastronom Andreas S. und seiner Lebensgefährtin Sandra T. schienen genau die passenden Wirte gefunden. Andreas S., am Hamburger Restaurant "Zirkus Erich" sowie an "Marina Catering" beteiligt, die in Flensburg das Betriebsrestaurant von Motorola betreibt, sollte die notwendige Erfahrung und Know-How einbringen, als das Gastronomenpaar 2006 den Herbstprinz eröffnete.

Wie ihre Vorgänger, war offenbar auch Herbstprinz-Eigentümerin Sandra T. nach etwa vier Jahren wirtschaftlich am Ende.

Nach Informationen des Abendblattes ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter derzeit dabei, sich über die Vertrags-Strukturen und die finanziellen Verflechtungen der Herbstprinz-Beteiligten einen Überblick zu verschaffen. Besonders für die neuen Pächter ist das wichtig, um sie vor möglichen finanziellen Schäden zu schützen.

Andreas S. gab sich auf Nachfragen des Abendblattes zu diesem Thema wortkarg. Ob seine Ex-Partnerin ihn vom Gefängnis aus beauftragt und bevollmächtigt hat, das Lokal weiter zu verpachten, wollte S. weder bestätigen noch dementieren.

Auch die Frage, ob ein Pachtvertrag mit S.' Firma "Marina-Catering" schon vor der Messerattacke bestand, oder ob Sandra T. und Andreas S. nach dem Attentat eine Abmachung zum Weiterbetrieb des Lokals getroffen haben, lässt S. unbeantwortet.

Bei ersterer Variante wäre S. mit seiner "Marina Catering" als Pächter von Sandra T.s Besitz berechtigt gewesen, an Dritte weiter verpachten, wenn der Pachtvertrag eine entsprechende Klausel enthält.

Andreas S.' einziger Kommentar dazu: "Ich sage zu dieser Sache gar nichts".