Der Werbekreis Tostedt zählte in Norddeutschlands größter Schnäppchen-Oase erstmals mehr als 1000 Verkaufsstände bei sonnigem Wetter.

Tostedt. Diesmal war alles ganz anders. Die Sonne schien, und es war mit Temperaturen um 25 Grad sommerlich warm. Das dürfte in den 38 Jahren, die es den Flohmarkt in Tostedt bereits gibt, vermutlich auch ein Novum gewesen sein. Einer der es wissen muss, ist Rudi Schmidt, 73 Jahre alt, ehemals Fernsehhändler im Ort und von Anfang an einer der Organisatoren des Marktgeschehens.

"Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals ein solches Prachtwetter hatten. In den meisten Jahren regnete es, und nicht selten sagten einige Flohmarkthändler deshalb sogar kurzfristig ihre Teilnahme ab." Diesmal sagte keiner ab, und Schmidt stellte fest: "Alle sind fröhlich, Händler wie Besucher. Was die Sonne doch ausmacht."

Hans-Peter Prigge, 53, seit 22 Jahren ebenfalls im Organisationsteam des Werbekreises Tostedt aktiv, schätzte die Zahl der diesmal teilnehmenden Händler auf mehr als 1000 und die Zahl der Besucher, die von morgens um 6 bis abends um 18 Uhr über den auch "Töster Markt" genannten Flohmarkt bummelten, auf mehr als 30 000. Aneinandergereiht haben alle Stände eine Gesamtlänge von mehr als sechseinhalb Kilometern. Das gesamte innere Ortsgebiet von Tostedt ist mittlerweile Marktplatz. Rudi Schmidt: "Als wir 1973 den ersten Flohmarkt veranstalteten, hatten wir nur Stände auf der halben Länge des Himmelswegs". Inzwischen bietet Tostedt den größten Flohmarkt Norddeutschlands. Händler wie Besucher kommen sogar aus dem Ausland, aus Dänemark, Holland und Polen.

Schnäppchenjäger hatten schon früh um 6 Uhr auf der Lauer gelegen. Devise: Wer zuerst kommt, hat die besten Stücke für sich. Aber auch alle anderen hatten eine Riesenauswahl, von seltenen Langspielplatten bis zu Urgroßmutters Schlafzimmergemälde mit röhrendem Hirsch auf der Waldlichtung.

Moritz Peters, 23, Grafiker aus Lüneburg, und seine Partnerin, die Studentin Carolin Schulze, 21, waren zusammen mit der Freundin Vanessa Knedel, 20, aus Rosengarten über den Flohmarkt geschlendert - immer auf der Suche nach brauchbaren Gegenständen für die Wohnungseinrichtung. Moritz und Carolin wollen sich nach dem Auszug aus der Wohngemeinschaft nun ihre erste gemeinsame Wohnung möglichst originell ausstatten.

"Ich habe ein Schränkchen gefunden und von 60 auf 50 Euro runtergehandelt", freut sich Carolin. Eines ist sicher: Das Schränkchen mit den kleinen Fächern und Schubladen erhält einen neuen Anstrich. Aber wofür Carolin es verwenden will, steht noch nicht fest. "Entweder deponiere ich Schmuck darin, oder der Schrank kommt auf den Flur und wir packen Post und Schlüssel hinein", sagt Carolin.

Vanessa Knedel wohnt mit ihrem Freund ebenfalls in der ersten gemeinsamen Wohnung. "Ich habe eine Lampe für nur zwei Euro gekauft", sagt sie stolz, weil sie sicher ist, ein Schnäppchen gemacht zu haben. Allerdings: Der Lampenschirm ist schon recht schäbig und muss wohl erneuert werden. Für den silberfarbenen Lampenfuß genügt eine gute Politur. Danach wird die Lampe vermutlich auf dem Schreibtisch der Studentin leuchten.

Künstler und Flohmarkthändler Teddy Jan, 45, aus Hamburg ist mit seinem Trödelseit mehr als 20 Jahren auf dem Töster Markt zu finden. Er hat es sich in einem alten Schaukelstuhl gemütlich gemacht und liest Zeitung. Einige Leute bleiben stehen, fragen nach Preisen von Pütt und Pann. Und was soll der Schaukelstuhl kosten? "Dafür möchte ich 150 Euro haben", sagt Jan.

Mal abgesehen davon, dass bereits seit Ende August Weihnachtsgebäck in den Regalen der Supermärkte liegt und zwei Monate vor dem ersten Dezember auch schon wieder Adventskalender gehandelt werden, ist es doch gar nicht so verkehrt, dass auch Gunda Hesse, 50, und ihre Freundin Birgit Klitsch, 51, aus Scheeßel einen Haufen Weihnachtsmänner und bunte Tannenbaumkugeln auf ihrem Verkaufstisch ausgebreitet haben. "Die Leute kaufen das komischerweise", sagt Gunda Hesse, die sommerlich bekleidet, mit kurzärmeligem Shirt hinter dem Tisch sitzt und sich keine Gedanken über Winter und Weihnachten machen möchte.