Die einst belächelte Öko-Partei ist der große Gewinner der Kommunalwahl und auch an der Niederelbe auf stetigem Wachstumskurs.

Stade/Buxtehude. Der Siegeszug der Partei Bündnis 90 / Die Grünen setzt sich fort. Sowohl auf Bundesebene, als auch auf kommunaler Ebene erhalten die einst als Ökos belächelten Grünen immer mehr Zustimmung. Die einstige Fundi-Partei, so kann konstatiert werden, ist dauerhaft in die Wohnzimmer der Bundesbürger eingezogen.

Der Jubel war groß, als in Baden-Württemberg im Mai mit Winfried Kretschmann erstmals ein Grünen-Politiker Ministerpräsident wurde. Ähnlich groß war die Freude im Landkreis Stade bei den Grünen. Denn bei der Kommunalwahl am 11. September hat die Partei in nahezu allen Gemeinden kräftig an Stimmen zugelegt.

In Stade legte die Partei um 4,9 auf 13,7 Prozent zu, in Buxtehude wuchs der Stimmanteil sogar um 11,9 Prozent auf 19,2 Prozent der Gesamtstimmen. In Sauensiek haben die Grünen stolze 22,2 Prozent der Stimmen eingeheimst. In fünf Orten, nämlich Agathenburg, Drochtersen, Stade-Hagen, Hollern-Twielenfleth und Grünendeich erhielten die Grünen auf Anhieb mindestens 7,7 Prozent der Stimmen und sind damit erstmals im Rat vertreten.

Warum aber punkten die Grünen bei den Bürgern so stark? "Einer der Gründe ist sicherlich, dass die Reaktorkatastrophe von Fukushima viel Menschen aufgeschreckt hat", sagt der Grünen-Kreistagsabgeordnete Wolfgang Weh. "Viele Menschen glauben uns endlich, was wir schon lange gesagt haben." Der Ausstieg aus der nicht beherrschbaren Kernenergie, der notwendige Wechsel zu erneuerbaren Energien, das sei in den Köpfen vieler Bürger nun angekommen. "Die Menschen haben uns im Wahlkampf gesagt: 'Ihr habt ja doch recht gehabt.' Das ist schon ein Stück weit Genugtuung nach all den Jahren, in denen wir nicht ernst genommen wurden", sagt Weh.

Dennoch seien vor allem die lokalen Themen die Stimmenbringer gewesen. Das glaubt auch Hartwig Holthusen von den Harsefelder Grünen. "Fukushima und der Bundestrend haben wohl weniger mit unserem Erfolg vor Ort zu tun", sagt der Ruschwedeler. Er meint, dass die Grünen Kompetenz bei lokalen Themen bewiesen hätten. Nun würden die Lorbeeren für das jahrelange Engagement um mehr Bürgernähe geerntet. "Wir hatten in Harsefeld beispielsweise sehr klare Positionen beim Thema Biogas und sind nicht, wie andere Parteien, ständig herumgeeiert", sagt er. Diese Verlässlichkeit würden die Bürger schätzen. Michael Lemke von den Buxtehuder Grünen sieht das ähnlich. Das Versprechen der Grünen, mehr Bürgerbeteiligung bei Sachthemen zuzulassen, sei für den Erfolg entscheidend gewesen.

Jan-Boris Ingerowski vom Grünen-Kreisvorstand und der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler können dieser Analyse nur zustimmen. "Wir haben am Dienstag unsere Wahlnachlese gemacht und dabei ist herausgekommen, dass die lokalen Themen besonders wichtig waren. Wir haben bewusst einen sehr lokalen Wahlkampf geführt. Das wurde honoriert", sagt Ingerowski. Kindler sieht das ähnlich: "Wir haben glaubhafte Kommunalpolitik gemacht und deshalb mehr Vertrauen von den Bürgern bekommen."

Diese Einschätzung teilt auch Wolfgang Weh. "In Fredenbeck haben wir uns etwa stark für unsere Feuerwehr eingesetzt. Das haben die Bürger natürlich nicht vergessen. Und wir haben immer wieder Bürgeranhörungen und Bürgerbeteiligungen im Fredenbecker Rat ermöglicht", sagt Weh. Holthusen glaubt auch, dass die Wähler erkannt haben, dass die Grünen keine monothematische Partei mehr seien. Vielmehr könnten die Grünen klare Vorstellungen in der Sozial-, Finanz- und in der Wirtschaftspolitik vorweisen. "Wir werden nicht mehr als Öko-Randgruppe wahrgenommen sondern als vollwertige Partei", sagt er. Ingerowski sieht das ähnlich. "Dafür spricht auch ein Blick in die Programme der anderen Parteien. Unsere Umweltthemen werden von den anderen Parteien übernommen. Die CDU versucht etwa, sich einen grünen Anstrich zu geben und die Energiewende als ihre Idee zu verkaufen. Wir werden also durchaus ernst genommen", sagt er.

Auf den Lorbeeren könne sich die Partei aber nicht ausruhen. "Wir müssen uns nun weiter an Sachthemen orientieren, denn das erwarten die Wähler von den Parteien. Sie müssen verträgliche Lösungen für Probleme anbieten", sagt Holthusen.

Darauf seien die Grünen, so Ingerowski und Kindler, ausreichend vorbereitet. Sie glauben auch, dass der derzeitige kommunale Parteikurs zukunftsweisend sei und dass die Grünen als zweite oder dritte Kraft einen Teil ihrer Themen künftig auch stärker in die Räte einbringen können. "Wir werden sicherlich mehr in den Räten durchsetzen können", sagt Kindler, der den Erfolg der Grünen auch nicht als Eintagsfliege abtun will. "Das ist ein seit Jahren anhaltender Trend. Und die steigenden Mitgliederzahlen sprechen für sich", sagt Kindler. Im Kreis Stade hätten sich bereits etwa 150 Bürger der Partei angeschlossen.

Wird es nach einem grünen Ministerpräsidenten in Süddeutschland künftig grüne Bürgermeister in Norddeutschland geben? Ingerowski hält das nicht für unmöglich. "Wenn CDU und SPD sich nicht einigen können, wäre ein grüner Kompromisskandidat denkbar."