Vor seinem Gastspiel im Stadeum spricht der griechische Sänger Costa Cordalis über Sokrates, Rousseau und den Sinn des Lebens.

Stade. Bei Costa Cordalis denken die meisten sofort an den Ballermann. Was viele nicht wissen: Vor seiner Musikkarriere hat der Grieche Philosophie studiert. Bevor er am 17. September im Stadeum auftritt, verrät er im Abendblatt-Interview, was für ihn der Sinn des Lebens ist.

Hamburger Abendblatt: Herr Cordalis, lassen Sie uns über Philosophie sprechen.

Costa Cordalis: Philosophie hat ein ganz breites Spektrum.

Hamburger Abendblatt: Dann fangen wir doch mal so an: Haben Sie so etwas wie eine Lebensphilosophie?

Costa Cordalis: Oh, davon habe ich viele. Viele Tricks, viele Übungen. Nach einer alleine kann man nicht leben, sei sie noch so stark. Man braucht, wie bei allem im Leben, viele kleine Schritte, um das Gesamte zu erreichen.

Hamburger Abendblatt: Also viele kleine Lebensweisheiten, die sich zu dem großen Lebensratgeber zusammenfügen?

Costa Cordalis: Genau. Es gibt viele wunderschöne Sprüche. Aber sie müssen handelbar sein, verständlich und anwendbar. Und dann muss man jeden Tag üben, das Leben besser zu gestalten, mehr Glück zu haben, mehr Freude. Denn was ist der Sinn des Lebens? Hier auf dieser Welt, wo wir leben, glücklich zu sein.

Hamburger Abendblatt: Ist der Sinn des Lebens soeinfach zu benennen?

Costa Cordalis: Ja, aber jeder muss seinen Weg für sich finden, denn jeder von den sechs Milliarden Menschen auf der Welt funktioniert anders. Wenn man glücklich ist, profitiert man nicht nur selbst, sondern das ganze Umfeld, die ganze Welt. Deswegen ist es so wichtig, glücklich zu sein. Das erste, was ich mache, wenn ich morgens aufstehe, ist dankbar zu sein für die gute Nacht, für die Erfolge, die man gehabt hat, und einfach positive Gefühle zu haben.

Hamburger Abendblatt: U nd das gelingt Ihnen jeden Morgen?

Costa Cordalis: Ich versuche es zumindest. Denn wenn es mir gelingt, weiß ich, der Tag ist gerettet.

Hamburger Abendblatt: Auf Ihrer Homepage haben Sie sechs Lebensweisheiten aufgeführt. Sind das einige Ihrer Kernüberzeugungen, nach denen Sie zu leben versuchen?

Costa Cordalis: Ja, die haben mir einfach gefallen. Jean-Jacques Rousseau zum Beispiel finde ich sehr gut. "Es ist mehr wert, jederzeit die Achtung der Menschen zu haben, als gelegentlich ihre Bewunderung." Es ist nichts wert, wenn dich jemand dafür bewundert, dass du zehn Bier auf einmal trinken kannst, du aber ein schlechter Vater bist. Solche Weisheiten haben grundsätzlich ein ganzes Leben lang Gültigkeit.

Hamburger Abendblatt: Sie haben mal drei Semester Philosophie studiert. Was haben sie daraus für Ihr Leben mitgenommen?

Costa Cordalis: Na ja, ich beschäftige mich immer noch jedem Tag mit dem Thema Mensch. Das ist mein Hobby. Es gibt kein interessanteres Studium, als den Menschen zu erforschen.

Hamburger Abendblatt: Carl Friedrich von Weizsäcker hat mal gesagt, Philosophie sei die Wissenschaft, über die man nicht reden könne, ohne sie selbst zu betreiben.

Costa Cordalis: Das ist absolut richtig. Das Wort Philosophie stammt schließlich aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt "Liebe zur Weisheit". Also man muss ein Freund der Weisheit sein, sonst kann man sie nicht betreiben.

Hamburger Abendblatt: Haben Sie einen Lieblingsphilosophen?

Costa Cordalis: Eigentlich nicht, denn die Philosophie ist ein allgemeines Gut. Sie entspringt mal hier und mal da. Ich kann nicht sagen, der eine Mensch hat bessere Sachen gesagt als der andere. Sokrates gefällt mir als Grieche natürlich sehr gut. Das war ein kluger Mann.

Hamburger Abendblatt: Sind Sie als Grieche besonders früh mit Philosophie in Verbindung gekommen?

Costa Cordalis: Selbstverständlich. In jedem Tafelhaus, jeder Schule und überall. Da sitzen die Männer und philosophieren von morgens bis abends. Nur, dass es heute um andere Themen geht, da geht es dann um Fußball, Musik. Aber Philosophie ist sehr wichtig. Es ist doch schön, wenn man sich an einem langen Abend über sinnvolle Sachen unterhält.

Hamburger Abendblatt: Wo fängt Philosophie an?

Costa Cordalis: Sobald man anfängt zu denken, ist das Philosophie. Sobald man seinen Geist anstrengt.

Hamburger Abendblatt: Sind die Texte Ihrer Lieder philosophisch?

Costa Cordalis: Das nicht unbedingt, soweit möchte ich nicht gehen. Ich will die Leute unterhalten. Ich will sie erheitern und Liebe verbreiten, so dass sie ihre Alltagssorgen vergessen.

Hamburger Abendblatt: Haben Sie am Ballermann schon mal eine tief philosophische Unterhaltung geführt?

Costa Cordalis: Nur zum Spaß. Da waren einmal zwei österreichische Comedians, die bei mir zu Hause waren. Und um die Leute richtig zu überraschen, fingen sie später am Abend auf der Bühne plötzlich an, philosophische Zitate zu bringen. Vor besoffenem Publikum, die Leute haben gar nicht gewusst, was das war.

Hamburger Abendblatt: Ist Vollrausch das Gegenteil von Philosophie?

Costa Cordalis: Man ist betäubt, die Sinne sind betäubt, man kann nicht richtig denken. Das hat mit Philosophie nichts zu tun. Das ist verlorene Zeit, eigentlich.

Hamburger Abendblatt: Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es besagt, dass der Mensch wie in einer Höhle lebt, weil die Dinge, die er als real wahrnimmt, in Wirklichkeit nur Schatten und Abbildungen des wahren Seienden sind. Lässt sich das auf den Ballermann übertragen?

Costa Cordalis: Selbstverständlich. Dieser Rausch, in dem die Leute sind, ist wie eine Leere im Kopf. Davon profitieren die natürlich, sie brauche keinen Psychiater und keine Tabletten, sondern kommen ganz erholt nach Hause, weil sie nicht mit ihren Alttagsproblemen beschäftigt sind. Für die ist das wie ein Paradies. Allerdings haben die griechischen Philosophen damals natürlich auch schon Ballermann gemacht und sich an Orgien erfreut.

Hamburger Abendblatt: Fühlen Sie sich am Ballermann manchmal am falschen Ort?

Costa Cordalis: Eigentlich nicht, denn wenn du Herr der Lage bist, kannst du delegieren. Du kannst überall eine Kirche um dich herum bauen.