Anwohner klagen gegen Baugenehmigung wegen Gesundheitsgefährdung und Geruchsbelästigung . Verwaltungsgericht Stade weist Klage ab.

Heinbockel. Pieter Molema steht auf seinem Balkon am Kirchweg in Heinbockel. Auf der anderen Straßenseite wird bereits gebaut. Dort entsteht in knapp 160 Meter Entfernung ein Stall für die Aufzucht und Haltung von Putenelterntieren. Seine Lebensgefährtin, Ulrike Tiedemann, hat bereits gegen die erteilte Baugenehmigung des Landkreises geklagt - erfolglos. Das Stader Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Aufgeben wollen Tiedemann und Molema allerdings noch nicht.

Ulrike Tiedemann hat ihr ganzes Leben in dem Wohnhaus verbracht. Ihre Großeltern betrieben auf dem Grundstück zwischen Hagenah und Heinbockel-Siedlung noch einen landwirtschaftlichen Betrieb. Im August 2009 erfuhr sie von den Plänen, dass der Landwirt Klaus Meyer aus Heinbockel direkt vor ihrem Wohnhaus einen Putenelternstall für 5500 Tiere zur Aufzucht zu bauen. Weiterhin sollen dort drei Futtersilos, eine Abwassergrube und eine Sammelgrube gebaut werden. Den Bauantrag stellte Meyer bereits am 19. März 2009.

Weil sie eine starke Geruchsbelastung befürchtete, ging Tiedemann zu einem Rechtsanwalt und erkundigte sich über ihre Möglichkeiten. Sie wandte schließlich bereits im Genehmigungsverfahren ein, dass der geplante Putenelterntierstall kein privilegiertes Vorhaben nach dem Baugesetzbuch sei, da es sich nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb handele. Schließlich hätte der Landwirt bereits Putenstelle für einen Betrieb an anderer Stelle errichtet, diese dann aber nicht selbst betrieben, sondern an die Deelbuscher Putenzucht GbRmbH verpachtet.

Allerdings geht aus Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hervor, dass sowohl der neu zu errichtende Putenelternstall als auch die verpachteten Putenställe über ausreichende eigene Futtergrundlagen verfügen, um einen landwirtschaftlichen Betrieb darzustellen. Somit erteilte der Landkreis Stade am 12. März des vergangenen Jahres die Baugenehmigung. Für Landwirt Meyer gibt es einige Auflagen. Zum Beispiel dürfe der Geflügelkot nur innerhalb des Stalles gelagert werden. Außerdem wird der Tierbestand auf maximal 5000 Putenhennen und 500 Putenhähne begrenzt.

Ulrike Tiedemann erhob Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Während dieses Verfahrens bot sie dem Landwirt an, sich außergerichtlich zu einigen. Er sollte Bäume vor dem Stall pflanzen und sich an den Kosten für Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück zum Schutz vor den Beeinträchtigungen vom Stall beteiligen. Sie konnten sich nicht einigen. "Wir haben auch sehr viel verlangt", räumt Tiedemann heute ein. Doch das Angebot des Landwirts, fünf bis zehn Bäume zu pflanzen, sei inakzeptabel gewesen.

Als der Landkreis den Widerspruch abwies, klagte Ulrike Tiedemann beim Verwaltungsgericht in Stade. Das größte Problem sei die drohende Geruchsbelastung. Allerdings habe ein Gutachten ergeben, dass zulässige Grenzwerte nicht überschritten werden. Zudem befürchtet Tiedemann eine Gesundheitsgefährdung. Lebensgefährte Pieter Molema leidet an Asthma. Die beiden fürchten, dass sich die Grunderkrankung verschlechtere. "Ich habe auch ein ärztliches Attest vorgelegt, aber das spielt keine Rolle", sagt Molema.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Einer der Gründe ist, dass sich das knapp 70 Jahre alte Wohnhaus im Außenbereich befindet. Dort habe es zwar Bestandsschutz, aber sei als Wohnhaus nicht privilegiert, sagt Richard Wermes, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts. Wer dort wohnt, müsse gegenüber landwirtschaftlicher Nutzung toleranter sein. Allerdings würden die zulässigen Immissionsgrenzwerte ohnehin unterschritten.

Für Ulrike Tiedemann bleibt als einziges Rechtmittel nun, beim Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen. Erst wenn dieser Antrag erfolgreich ist, geht es in das Berufungsverfahren. Zulassungsgründe seien zum Beispiel ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, sagt Gerichtssprecher Wermes. Tiedemann will sich nun mit ihrem Rechtsanwalt beraten, ob sie diesen Schritt gehen möchte. Derzeit zweifele sie noch an ihren Erfolgschancen.

Erfolgreicher waren die Gegner der Hähnchenmastställe in Hedendorf. Dort möchte der Landwirt Diedrich Dammann 80 000 Tiere mästen. Der Landkreis erteilte bereits eine Baugenehmigung. Doch Anne-Dore Völkers, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe, hatte Widerspruch eingelegt. Nachdem das Gericht dem Landkreis signalisierte, dass es dem Widerspruch stattgeben werde, trat die Kreisverwaltung auf die Bremse. Derzeit steht die Baustelle still.

Allerdings seien die Fälle in Hedendorf und Heinbockel schwer miteinander zu vergleichen, sagt Gerichtssprecher Wermes. Es gibt zwei entscheidende Unterschiede. Erstens hat Ulrike Tiedemann als Privatperson geklagt. Das heißt, sie muss in ihren eigenen Rechten verletzt sein. Im Hedendorfer Fall erhob ein Naturschutzverband Widerspruch. "Naturschutzverbände können auch Verletzungen objektiven Rechts geltend machen", sagt Wermes. Zweitens hätte in Hedendorf das Verfahren nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) abgewickelt werden müssen. Das liegt an der großen Anzahl der Tiere, die dort in den Ställen sein sollen. Mit 5500 Tieren liege das Vorhaben von Landwirt Meyer in Heinbockel unter der Grenze für eine Prüfung nach dem UVP-Gesetz.