Der Förderverein Lühe-Aue will das 20 Tonnen schwere Kunstwerk am Lühe-Sperrwerk retten. Doch dafür fehlt bislang das nötige Geld.

Grünendeich. Kunst am Bau oder überflüssiger Kitsch? Ballast aus Beton oder beredtes Zeitzeugnis? Seit der Abriss des alten Steuerhauses am Grünendeicher Lühesperrwerk beschlossen wurde, ist eine Debatte um die Betonstele entbrannt, die sich an die Nordwestseite des Gebäudes aus den 60er-Jahren schmiegt. Dazu kommt, dass weder in der Samtgemeinde Lühe noch beim Eigentümer, dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), bekannt war, wer mit den Initialen "MB" die Stele überhaupt geschaffen hatte.

Licht ins Dunkel der Vergessenheit kommt erst jetzt, da sich Mitglieder des Fördervereins Lühe-Aue für die Rettung der Stele stark machen. Mitarbeiter des NLWKN durchsuchten daraufhin ihre Archive und wurden fündig: Geschaffen hat die sieben Meter hohe Betonstele mit einem Halbrelief der Architekt, Künstler und Dozent an der damaligen Fachhochschule Buxtehude, Professor Heinz Meyer-Bruck (1923 bis 1997) zur Erinnerung und zum Gedenken an die Flut im Jahr 1962 und ihre Opfer.

Unauffällig und doch bei genauerem Hinschauen monströs ist die Kunst am Bau in schlichter Symbolik. Die Betonstele am alten Lühe-Sperrwerksgebäude, die den Rotklinkerbau um etwa zwei Meter überragt, wird im Vorüberfahren von vielen Menschen übersehen. Doch wer einen Moment verweilt, kann eine interessante Entdeckung machen.

Neptun grollt in den Fluten, stehend auf einem zähnefletschenden Fisch. Er reckt den Dreizack wie einen Dirigentenstab gen Himmel. Über allem, symbolisch für das Alte Land, die Apfelbäume hinter den Deichen. Diese bewegte Szene erzählt von der Urgewalt der Elemente, wie sie während der Sturmflut am 16. und 17. Februar 1962 auch das Alte Land hinter den Elbdeichen verwüstet und Menschenleben gekostet hat.

Ein schwerer Orkan peitschte aus nordwestlicher Richtung die tobenden Fluten der Nordsee direkt in die Elbmündung und ließ den Strom so gewaltig anschwellen, dass an vielen Stellen die Deiche brachen oder überspült wurden. Die grauen Wassermassen ergossen sich schäumend ins schutzlose Hinterland und überraschten die Menschen. Insgesamt kostete diese Sturmflut 340 Menschenleben. Als Konsequenz aus den Flutschäden im Hinterland der Elbe und ihrer Nebenflüsse wurde das Lühe-Sperrwerk von 1964 bis 1967 erbaut. Im zeitgenössischen Stil sparsamer Symbolik kam die "Kunst am Bau" an das öffentliche Gebäude. Gefördert wurden solche Projekte seinerzeit von Bund und Land, .

Inzwischen wurde vom NLWKN das alte Sperrwerkssteuerhaus auf der Grünendeicher Seite der Lühe durch ein modernes Gebäude am gegenüberliegenden Lühe-Ufer ersetzt. Zum Herbst dieses Jahres soll es seinen Betrieb aufnehmen. Dann soll das alte Gebäude abgerissen werden. "Der Vorstand unseres Vereins hatte versucht, dafür zu argumentieren, das alte Gebäude zu bewahren, indem es anders genutzt wird. Zum Beispiel von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, die vor Ort nur einen Bauwagen am Elbdeich bei Wisch als Wachstation hat", sagt Wulf Hoffmann, Vorsitzender des Fördervereins Lühe-Aue. Doch damit habe man beim NLWKN ebenso wenig Erfolg gehabt wie private Interessenten, so Hoffmann. "Das NLWKN hat uns mitgeteilt, dass der Platz für die schwere Technik zur Wartung des Sperrwerkes gebraucht wird und deshalb das alte Sperrwerkshaus weichen muss", sagt Hoffmann.

Mit dem Abriss des Gebäudes müsse man sich wohl nun abfinden, doch das Schreddern der Stele wolle man in jedem Fall verhindern. Der im Förderverein aktive Architekt Fritz Schleif und seine Frau Gudrun Schleif haben sich, seit die Abrisspläne bekannt waren, mit der Stele befasst und vor allem, wie man gemeinsam ein Rettungskonzept erstellen kann. "Momentan wird geprüft, ob wir über die Gemeinden Jork und Lühe aus dem Topf der Leader-Förderung Geld für die Erhaltung des Kunstwerkes bekommen könnten", sagt Hoffmann. "Denn wenn wir die Stele retten können, sollte sie an einem anderen, passenden Standort aufgestellt werden."

Das könne auf keinen Fall am neuen Sperrwerkshaus sein, so Heinrich Pudimat, beim NLWKN zuständig für den Bereich Sade. Immerhin ein Angebot, das auf den Erhalt der Stele hoffen lässt, kam jüngst vom NLWKN, der keine Verwendung für das Kunstwerk mehr hat: "Wir bieten an, die Stele zu bergen, damit sie später an einem anderen Standort aufgestellt werden kann", sagt Heinrich Pudimat, "Das ist im Zuge der Abrissarbeiten ein zusätzlicher Aufwand, da die Stele nicht freitragend ist. Aber wir sind inzwischen auch dafür, das Bauwerk nicht zu zerstören."

Das Problem: Nun müsste schnell sowohl ein neuer Standort gefunden als auch der Umzug finanziert werden. Das rund 20 Tonnen schwere Betonbild, das sieben Meter hoch, zwei Meter breit und etwa 60 Zentimeter tief ist, kann allerdings nur mit schwerer Spezialtechnik bewegt werden. "Nach unseren bisherigen Recherchen stehen Zahlen von 14 000 bis 35 000 Euro für dieses Unterfangen im Raum", sagt Hoffmann. Doch dafür haben weder der Verein noch die Kommunen noch der NLWKN die Mittel im Etat.

Das Thema soll noch im August auf die Tagesordnung des Kulturausschusses der Samtgemeinde Lühe. Denn die Mitglieder des Fördervereins Lühe-Aue sehen die aus vier Segmenten bestehende Betonstele und das alte Sperrwerksgebäude als Gesamtensemble, das es durchaus verdient hätte als technisches Denkmal unter Schutz gestellt zu werden, so Gudrun Schleif aus Guderhandviertel.

"Technisch ist es kein Problem, die Stele an einen anderen Standort zu bringen", sagt Hoffmann, ein Architekt und ein Statiker haben dafür bereits ein Konzept. "Wir halten es aber auch für sinnvoll, den Bezug der Stele zur Elbe und deren Fluten und zum Alten Land zu erhalten", sagt Vereinsmitglied Hannelore Schauf. Deshalb solle die Stele in der Nähe des Elbdeiches und der Lühemündung bleiben, so Peter Dankers vom Förderverein.

"Für den Verein ist es nun eine große Aufgabe, Sponsoren und Mitstreiter zu finden, die sich für die Rettung der Stele einsetzen", sagt Michael Järnecke vom Förderverein. "Die Stele ist ein Kunstwerk und kann durchaus auch freistehend als Denkmal einen Platz im öffentlichen Raum finden."