Die Buxtehuderin Gisela Falten hat einen grauen Altpapier-Container vor zwei Wochen bunt bemalt - ohne Erlaubnis. Jetzt soll diese Kunst weg.

Buxtehude. Da sind diese Container. Seit Jahr und Tag stehen sie am Heitmanns Weg in Buxtehude und betrüben Gisela Falten sehr. In ödem Grau gewandet, schlucken sie das Papier und das Glas, das die Leute ihnen beständig reichen. Manchmal, da züngeln sogar die Flammen aus ihnen hinaus, weil sich jemand einen vermeintlichen Spaß macht und das Papier in Brand steckt. Danach sind die Container um einiges hässlicher, rostiger und verbogener als zuvor - Gisela Falten betrübt das dann noch mehr.

Dabei versucht die 71-Jährige regelmäßig, etwas Ordnung in das Chaos aus Glas und Pappe direkt vor ihrer Haustür zu bringen. Einmal lagen an Weihnachten Papierberge über den gesamten Platz verteilt, weil die übervollen Container die Aufnahme verweigert hatten. Gisela Falten schaufelte die Berge zusammen, damit sie wenigstens über die Festtage ihren Blick vom Balkon aus nicht auf den Müll richten musste. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass die Container und Gisela Falten über die Jahre eine besondere Beziehung zueinander entwickelt haben.

Als dann lange Zeit ein hastig hingeschmiertes Graffiti eine Seite der Containerwand verunstaltet und niemand etwas dagegen unternimmt, ist für Gisela Falten der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. "Mit hat's einfach gereicht", sagt sie. Mit Farbe, Pinsel und Eimer bewaffnet, macht sich die tatkräftige Rentnerin, die früher ein Blumengeschäft geleitet hat, auf den Weg zum Container. Die Aktion "Schöner Müll wegwerfen" nimmt ihren Lauf.

Nun weiß eigentlich jeder in Deutschland, dass man nicht einfach so überall ungefragt drauflosmalen darf. Nein, man sollte denjenigen, auf dessen Besitztümern man seine Kunstwerke verewigt, vorher um Erlaubnis bitten. Dies ist der entscheidende Punkt, und Gisela Falten weiß auch genau, dass sie das versäumt hat. Wenn der Elefant nur nicht so schön gewesen wäre!

Die Buxtehuderin entscheidet sich nämlich dazu, auf die rechte Seite des Containers das trötende Tier zu malen und ihm eine stolze Giraffe zur Seite zu stellen. Seit zwei Wochen zieren die Tiere nun das vormals graffitibeschmierte Grau, das Gisela Falten zuvor abgeschliffen und mit einer frischen Zinkfarbe übertüncht hat. Über Giraffe und Elefant pinselt sie den Spruch "Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehn." Ein Zitat der Literatur-Nobelpreisträgerin Pearl Sydenstricker Buck. Dies passe gut zu dem Container, findet sie. So wandle sich eine lästige Pflicht wie das Müll-Wegbringen in eine Sache, die einen auf ganz neue Gedanken bringt. Zustimmung für ihre spontane Kunst-Aktion gibt's seitens der Nachbarschaft. "Mir haben fast alle gesagt, dass sie das jetzt viel schöner finden." Es hätte alles so bleiben können, wäre nicht die Künstlerin mit ihr durchgegangen. Gisela Falten will mehr.

Noch mehr Tiere sollen kommen und sich auf den Containern tummeln, schließlich ist es mit der einen grauen Wand nicht getan, es gibt ja noch einige andere. Wie wär's mit einem Löwen mit buschiger Mähne? Oder einem Tiger, der seine scharfen Zähne blitzen lässt? Wer weiß, ob den Müllcontainern einer Märchenstadt wie Buxtehude nicht auch ein mümmelnder Hase und ein naseweiser Igel gut zu Gesicht gestanden hätten?

Doch zu solchen ambitionierten Überlegungen sollte es nicht mehr kommen. Die Firma Karl Meyer Umweltdienste aus Wischhafen, der die Container gehören, hat der Buxtehuderin jetzt ein Schreiben zukommen lassen, mit der Aufforderung, keine weiteren Malereien in Angriff zu nehmen und die alten gefälligst bis zum kommenden Dienstag, 16. August, zu entfernen. Wie sie von den tierischen Veränderungen Wind bekommen haben? Gisela Falten selbst hat sie informiert.

"Ich habe da einfach angerufen und gefragt, ob ich auch die vorderen Containerwände bemalen darf", sagt sie. Das sei etwas naiv gewesen, gibt sie zu. Und ja, es ist unverständlich, dass sie bei den einen Wänden fragt, während sie die andere schon ungefragt bemalt hat. Aber vielleicht hat sie nur ein wenig Angst vor dem Ausmaß ihrer Verschönerungsaktion bekommen und wollte sich lieber absichern.

Wie auch immer, Giraffe und Elefant sollen nun sterben, damit das triste Grau wieder Einzug am Heitmanns Weg erhalten kann. Frei nach dem Motto: Das ist keine Kunst, also kann das weg. Wenn Gisela Falten sich nicht selbst um die Sache kümmere, heißt es in dem Brief, würde es die Firma entfernen lassen - und ihr die Kosten in Rechnung stellen. Die Buxtehuderin kann und will das nicht hinnehmen: "Wenn ich das mache, wird doch sofort wieder ein neues Graffiti hingeschmiert."

Rettung für die bedrohte Tierwelt könnte jetzt nur noch in Gestalt von Geschäftsführer Henning Knorr höchstpersönlich nahen. Auf Abendblatt-Nachfrage sagt er, er habe einen Blick auf das Oeuvre am Heitmanns Weg geworfen - und es für durchaus hübsch befunden. "Ich gebe zu, dass ich bei dem Anblick schmunzeln musste. Ich finde gar nicht schlecht, was sie gemacht hat", sagt der Geschäftsführer der Karl Meyer Umweltdienste GmbH.

Er sagt allerdings auch, dass seine Mitarbeiter richtig gehandelt hätten, als sie sie aufforderten, die Malereien zu entfernen. "Der Container ist unser Eigentum, da kann schließlich nicht jeder drauf rummalen", stellt Henning Knorr klar. Das Unternehmen habe mit vielen Schmierereien zu kämpfen, die man auch nicht einfach durchgehen lassen dürfe. Anders hätte es vielleicht ausgesehen, wenn die Künstlerin vorher nachgefragt hätte.

Was soll also nun werden, aus Elefant und Giraffe, die vielleicht gar nichts von all den Verwicklungen ahnen? Henning Knorr könnte sich vorstellen, vielleicht doch noch ein Auge zuzudrücken und die beiden Tierchen leben zu lassen. "Wir überlegen es in diesem Fall, weil es ja ein Gemälde und keine Schmiererei ist", so der Geschäftsführer. Eines müsse Gisela Falten aber versprechen: "Sie möge bitte keine weiteren Behälter bemalen."