Neue Vorrichtungen schützen die Ernte der Altländer Obstbauern. Touristen sagen, die Landschaft werde so verschandelt.

Jork. Manche Touristen finden es scheußlich, dass zunehmend mehr Kirschen unter Folie wachsen. Aber Obstbauern kontern mit starken Argumenten, warum sie ihre Ernte aufwendig vor Regen schützen müssen. Immer größer und knackiger, dunkelrot bis schwarz, möchten die Kunden ihre Kirschen kaufen, und schon gar nicht aufgeplatzt dürfen sie sein.

Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, müssen die Früchte unter speziellen Folien reifen. Inzwischen beschweren sich im Jorker Rathaus Urlauber über diesen Anblick.

"Bei unserer letzten Tour durch das Alte Land sind wir total erschrocken", schrieb Urlauber Manfred Wiermann aus Winsen an die Jorker Tourist-Info. Mit Entsetzen sehe er Traditionen bröckeln, weil Kirschen jetzt nicht mehr nur unter den Netzen wachsen, sondern in Treibhäuser verpackt seien, so Wiermann. "Nur für die paar Wochen Kirschenzeit wird das schöne Alte Land verschandelt."

Jorks Bürgermeister Rolf Lühmann stellt sich vor die Obstbauern der Region: "Auf nur etwa fünf Prozent der Altländer Anbaufläche stehen Kirschbäume. Unser Obstanbau unterliegt einem dynamischen Wandel, den die Nachfrage der Verbraucher erfordert. Wer Kirschen verkaufen will, muss beste Qualität bieten und technische Hilfen nutzen", sagt Lühmann. Die Obstbauern lassen ihre Kirschen unter Folien und Permanentdächern reifen, weil es für sie um die Sicherung ihrer Erträge und ihrer Existenz gehe, so Lühmann

"Dauerregen kann eine ganze Ernte vernichten", sagt Hendrik Quast, Gärtnermeister der Fachrichtung Obstbau aus Jork-Borstel. Er hat den Obsthof seiner Eltern übernommen und möchte rund zehn Tonnen Kirschen pro Hektar ernten. "Einen halben Hektar haben wir unter einer Kombination aus Netzen und Folie, um die fast reifen Kirschen vor Regen zu schützen", sagt Quast. Auf weiteren zwei Hektar möchte er unter Permanentdächern neue Sorten, wie "Carmen", "Bellise" oder "Early Korvic" anbauen."

Um am Obstmarkt zu bestehen muss der junge Obstbauer viel Arbeit und Geld investieren. "Je Hektar Permanentdach samt Bewässerungssystemen kalkuliere ich bis zu 90 000 Euro", sagt Quast.

Makellose "Dachware" sei deshalb mit 3,50 bis fünf Euro je Kilogramm auch teurer als die kleineren Freilandkirschen, die für 2,50 bis 3,50 Euro je Kilo zu haben seien, so Quast. "Dachware kann optimal ausreifen und wachsen. Und jeder Millimeter Kirschfruchtfleisch kostet halt mehr", sagt Quast. Zudem müssen Wildbienen und Hummeln für die Bestäubung angeschafft werden, weil Honigbienen nicht unter den Folien fliegen.

"Unsere Obsterzeuger richten sich nach Verbraucherwünschen", sagt Rolf Stehr, Versuchsleiter für Kern- und Steinobst an der "Esteburg", dem Jorker Kompetenzzentrum für den norddeutschen Obstbau. "Um die Reifesaison zu strecken, müssen neue Kirschsorten auf die Hitlisten der Obsterzeuger. Diese Sorten wie 'Kordia' oder 'Regina' reifen optimal nur unter Folie", sagt Stehr.

Verbraucher würden immer stärker nach sehr großen Früchten fragen. Aber je größer die Kirschen, desto empfindlicher seien sie, so der Steinobstexperte. Weltweit würden deshalb neue Sorten gezüchtet werden, die besonders groß, dick und fest seine. "Sehr große Früchte wie 'Techlovan' oder 'Kordia' werden mitunter aus Angst vor Regen geerntet, bevor sie ihre Vollreife erreichen", sagt Stehr. "Reifen die Früchte unter Folien, haben die Obstbauern diesen Stress nicht."

Für den Kirschenanbau unter Folie gibt es verschiedene Techniken: Folien werden über die Halterungen der Vogelschutznetze aufgerollt oder wie große Tücher über die Kirschbäume gehängt. "Es gibt auch so genannte Permanentdächer, die das ganze Jahr auf einem Holzunterbau aufgenagelt bleiben", sagt Stehr.

Man habe bislang kaum Erkenntnisse, wie diese Permanentdächer Stürmen und Schnee standhalten, zudem müsse man bei dieser Technik die Größe der Bäume im Auge behalten, so Stehr. Für gefragtere Kirschsorten müssten neue Bäume gepflanzt werden. Ein guter Baum wachse zwei Jahre in der Baumschule und tragt im fünften und sechsten Jahr optimal, so Stehr.

Zwischen acht und zwölf Euro je Baum zahlen die Obstbauer, wenn sie mehr als 500 Bäume kaufen. Die Sortenwechsel müssen peu à peu erfolgen, damit während der Kirschenzeit ein gesunder Mix an Sorten im Angebot bleibt.

Auch Obstbauer Hinrich Stoelken aus Königreich hat sich entschieden: "Ich werde meine rund 25 Jahre alten Bäume nach und nach gegen neue Sorten austauschen. Die großen Fruchtsorten werden einfach mehr verlangt."

Indes zeigen einige Touristen auch Verständnis für diese Anbautechnik. "Wir haben diese Veränderung in diesem Jahr erstmals entdeckt, aber Verständnis dafür, weil wir wissen, warum es so ist", sagen Anke und Uwe Sperling aus Bremerhaven.

Radwanderer Günter Kleiner aus Wiesbaden sagt: "Der natürliche Altländer Charme geht mit all den Folien verloren. Aber geplatzte Kirschen will eben auch keiner kaufen." Dieter Dorß aus Norderstedt fühlt sich an spanische Tomatenplantagen erinnert und sagt: "Diese hässlichen Folien möchte man als Tourist hier in dieser schönen Naturlandschaft nicht sehen." Jürgen Rüger aus Norderstedt sagt: "Für den schönen Blick bleibt bald nicht mehr viel übrig. Vor allem, wenn die Folien das ganze Jahr drauf bleiben." Helmut Rodenberg aus Hamburg hat Verständnis: "Schön ist es nicht aber schon leichter Nieselregen lässt Kirschen platzen."