Der Satiriker und Hereusgeber der “Titanic“ liest am 7. April in Stade aus seinem Buch “Heimatkunde - eine Expedition in die Zone“

Der Mann ist Mitherausgeber des berüchtigten Satire-Magazins "Titanic", Außenreporter der Satiresendung "Heute-Show" im ZDF und Autor des besonders in Ostdeutschland vielbesprochenen und nicht weniger oft kritisierten Buches "Heimatkunde - eine Expedition in die Zone". Am Donnerstag, 7. April, gastiert der Satiriker Martin Sonneborn in der Stader Seminarturnhalle. Mit dem Hamburger Abendblatt sprach er darüber, was seine Besucher erwartet.

Hamburger Abendblatt:

Herr Sonneborn, Ihre Lesung trägt den Titel "Krawall und Satire". Was bedeutet das?

Martin Sonneborn:

Der Abend ist ein unaufgeregtes Multimediaspektakel, das sich zusammensetzt aus langweiligen Lesungsteilen aus dem Heimatkunde- und dem Partei-Buch, den letzten beiden Bücher, die ich geschrieben habe. Unterbrechen werde ich das mit kurzen, lustigen Filmeinspielungen, denn viele Jugendliche sind heute gar nicht mehr in der Lage, längeren Textpassagen zu folgen ohne zu zappeln. Wir haben ja viele satirische Aktionen mitgefilmt, von Interviews mit Bundestagshinterbänklern bis hin zu unserem "Staatsbesuch" in Georgien.

Abendblatt:

Für das Buch und den Film "Heimatkunde" sind Sie 250 Kilometer um Berlin gewandert und haben skurrile Begegnungen zum Thema Deutsche Einheit gesammelt. Was war Ihr skurrilstes Erlebnis?

Sonneborn:

Jede Übernachtung war skurril, in vielen Pensionen zum Beispiel sind Luft, Tapeten und Bettwäsche noch aus der DDR. Was ich immer interessant finde, sind Menschen, die sonst in den Medien selten zu Wort kommen. Leute, die nicht zufrieden sind mit der Deutschen Einheit. Ein Erlebnis ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Ich stand auf einem Hochhausbalkon in Marzahn, der größten Hochhaussiedlung Europas, und ein jetzt arbeitsloser Straßenbahnfahrer aus der DDR erzähle mir, wie er den Tag des Mauerfalls erlebt hat.

Abendblatt:

Und zwar?

Sonneborn:

Er sagte, er habe schon im Bett gelegen, seine Frau kam nachts rein und rief "Gerald, die Grenze ist auf, wir können rüber in den Westen." Und er sagte nur: "Was soll ich da? Lass mich schlafen, ich muss morgen Straßenbahn fahren." Er ist auch jetzt, 20 Jahre nach dem Mauerfall, noch völlig empört darüber, dass am 10. November 1989 nur 40 Prozent seiner Kollegen zum Dienst angetreten sind. Für ihn war der Fall der Mauer also eigentlich nur eine Störung im Betriebsablauf.

Abendblatt:

Der Film wurde zum Teil als Ossi-Hetze bezeichnet. Hassen Sie die Ossis wirklich, oder sind die Wessis genauso schlimm?

Sonneborn:

Es geht ja nicht wirklich um "üble Ossi-Hetze", wie der "Berliner Kurier" schrieb, sondern wir machen uns gern über das immer noch bestehende Klischee der Deutschen Einheit lustig. Es gibt keine wirkliche Deutsche Einheit. Es gibt kulturelle und sozioökonomische Unterschiede, und das wird auch noch einige Jahre so bleiben. Daran haben wir uns bei "Titanic" schon seit fünf Minuten nach dem Mauerfall gerieben, mit vielen lustigen Aktionen. Ich erinnere mich zum Beispiel gern an den Tag, an dem ich als GEZ-Vertreter Bürger in Sachsen angerufen und ihnen erklärt habe, sie müssten jetzt die Gebühren für die Jahre 1980 bis 1989 nachzahlen, weil sie damals zwar immer Westfernsehen gesehen, aber nie bezahlt haben. Da kamen unfassbar lustige Beschimpfungen. Natürlich differenzieren wir nicht wirklich zwischen Leuten aus Ost und West. Auch in der "Titanic"-Redaktion haben DDR-Bürger korrekt gearbeitet. Natürlich zu Ost-Löhnen.

Abendblatt:

Auf dem Cover des "Heimatkunde"-Buches ist eine Banane abgebildet. Spielen Sie gerne mit Klischees?

Sonneborn:

Auf jeden Fall. Klischees und Tabus sind das Arbeitsmaterial für ein Satiremagazin. Eigentlich dachte ich, die Idee des Verlages, eine Banane zu zeigen, sei zu abgegriffen, aber da, wo sonst das Chiquita-Logo ist, prangt jetzt das DDR-Emblem. Das gefällt mir.

Abendblatt:

Haben Sie Ihre Leidenschaft für Satire irgendwann entdeckt, oder hat man so etwas in sich, ist das eine Charakterfrage?

Sonneborn:

Ich vermute, dass das eine negative Charaktereigenschaft ist.

Abendblatt:

Warum eine negative?

Sonneborn:

Es hat viel mit Häme, Rachsucht und dem Hang zum Beleidigen, Stören, Polemisieren zu tun. So etwas zeigt sich, glaube ich, spätestens in der neunten oder zehnten Klasse. Die Frage ist, ob man das so exzessiv betreiben muss, dass man nur noch bei "Titanic" landen kann.

Abendblatt:

Ist das die Endstation für Satiriker?

Sonneborn:

Ja, danach kommt nur noch "Focus".

Abendblatt:

Gibt es für Sie in der Satire eigentlich Grenzen?

Sonneborn:

Achim Greser, ein Zeichner der FAZ und früherer "Titanic"-Redakteur, hat mal gesagt, es gibt zwei Tabus: Das eine Tabu ist die Drehtabakindustrie, aus dem einfachen Grund, dass sie jahrelang in der "Titanic" geworben hat. Und das zweite ist seine Mutter. Da war's eigentlich.

Abendblatt:

Waren Sie schon mal in eine Sache verwickelt, bei der Sie dachten, aus der Nummer kommen Sie nicht mehr raus?

Sonneborn:

Ja, als die "Bild"-Zeitung nach unserer WM-Bestechung dazu aufrief, in der Redaktion anzurufen und uns die Meinung zu sagen. Neun Stunden lang klingelten alle vier Telefone in der Redaktion. Die Leute riefen "Im Rechtsstaat gehören Leute wie Sie ins KZ!" und ähnliches. Wir haben das alles aufgenommen, aus Versehen natürlich, weil das strafbar ist, und eine CD daraus gemacht. Das ist die erfolgreichste Abo-Prämie der "Titanic". Wenn die Bestechung allerdings nach hinten losgegangen und die WM 2006 nach Südafrika gegangen wäre, dann hätten wir wohl das Land verlassen müssen...

Abendblatt:

Hat man Sie besser als Freund oder Feind?

Sonneborn:

Das ist eine gute Frage. Aber die können vermutlich am besten meine Freunde oder Feinde beantworten.

Abendblatt:

Was sagen Sie dazu, wenn Leute Sie als Politclown und Ihre Partei mit dem schönen Namen "Die Partei" als Blödelpartei bezeichnen?

Sonneborn:

Ach, damit kann ich leben, zumindest bis zur Machtübernahme. Ich bin Spitzenpolitiker, und ich polemisiere ja auch.

Abendblatt:

Hat es sie geärgert, dass Sie zur Bundestagswahl 2009 nicht zugelassen wurden?

Sonneborn:

Das hat uns so sehr geärgert, dass wir eine Verfassungsklage angestrengt haben, die jetzt vom Verfassungsgericht zur Entscheidung angenommen worden ist. Wir klagen auf Wahlwiederholung. Wenn ich das bei meinen Lesungen erzähle und den Leuten erkläre, dass sie diesmal nicht wieder FDP wählen müssen, führt das immer zu großer Freude.

Abendblatt:

In Ihrer Magisterarbeit haben Sie sich damals mit der Wirkungsmöglichkeit von Satire beschäftigt. Was kann Satire Ihrer Meinung nach bewirken?

Sonneborn:

Meine wissenschaftliche Schlussfolgerung war, dass die Wirkungsmöglichkeit von Satire heute nicht mehr gegeben ist. Allerdings habe ich diese These in meinen Jahren bei "Titanic" aus Versehen mehrfach widerlegt. Das heißt, die Arbeit ist völlig wertlos. So wertlos wie die von Guttenberg.