Das Freibad Hollern-Twielenfleth könnte zu einem chlorfreien Naturerlebnisbad mit Sand und Schilfzone umgebaut werden. Die Beratungen laufen.

Twielenfleth. Sandstrand, Schilfzone, Sprungturm, Riesenrutsche und Badewasser ohne Chlor - eine neue Idee beschäftigt den Rat der Samtgemeinde Lühe in Sachen Freibad Twielenfleth. Kämmerers Kai Schulz muss beim Bad dauerhaft sparen. Andererseits soll es wegen seines einmalig schönen Elbblicks als attraktive Freizeiteinrichtung in jedem Fall erhalten bleiben. Immerhin 65 000 Besucher vergnügten sich im wechselhaften Sommer 2010 in den Badebecken. "Eine Freibad-Saison kostete bislang rund 230 000 Euro", sagt Schulz. Soviel könne allein aus den Eintrittsgeldern nicht in die Kasse kommen, wenn die Preise erschwinglich bleiben sollen, so der Kämmerer. Die Samtgemeinde habe bisher für den Betrieb fast 150 000 Euro pro Saison zugebuttert.

Ob Twielenfleths "Perle am Elbdeich" als konventionelles Schwimmbad saniert und energietechnisch modernisiert wird oder ob es ein völlig neues Ambiente als Naturerlebnisbad bekommt, muss nun von Rat und Verwaltung mit den Spezialisten für Schwimmbadbau und unabhängigen Gutachtern gründlich berechnet und abgewogen werden.

"Der Bauausschuss hat sich jetzt von der Spezialfirma Eko-Plant eine Idee vorstellen lassen, die auf ökologischem Weg beträchtliche Kosteneinsparungen versprechen könnte", sagt Rolf Riggers, Bauamtsleiter der Samtgemeinde Lühe. Dafür müsste die zu Beginn der 70er-Jahre erbaute Anlage mit den drei Badebecken und einer Einschwimmhalle für etwa 1,2 Millionen Euro zu einem Naturerlebnisbad umgestaltet werden, so Riggers.

"Auch eine schrittweise technische Aufrüstung zur Kosteneinsparung werden wir prüfen", sagt Schulz.

Zu dieser Variante hat der Oldendorfer Ingenieur Manfred Kaminsky verschiedene Entwürfe vorgelegt, die kurzfristig realisierbar wären, ohne dass das Bad längere Zeit geschlossen werden müsste. "Das größte Energieproblem des Twielenflether Bades ist seine freie Lage auf dem Außendeich direkt an der Elbe", sagt Kaminsky nach der Auswertung seiner Energieverbrauchs-Analyse vom vergangenen Sommer.

"Von der Elbseite weht der Wind extrem und kühlt das Wasser erheblich aus. Zudem verdunstet deshalb viel Wasser, das heißt, es muss Frischwasser zugelassen und mit hohem Energieaufwand von etwa fünf Grad auf mehr als 20 Grad Celsius aufgeheizt werden."

Gegen diese Heizkosten von etwa 40 000 Euro pro Jahr empfiehlt Kaminsky unter anderem Solarenergie und als ersten Schritt eine spezielle Abdeckung des Beckens, jeweils abends nach dem Badebetrieb. "Eine isolierende Abdeckfolie könnte beim Halten der Wassertemperatur um 20 Grad rund 50 Prozent Einsparung bringen", so der Energie-Fachmann.

Die Kosten für die Abdeckung, die wie ein Rollo über die Wasserfläche gezogen wird, lägen bei etwa 130 000 Euro, so Kaminsky und sie wäre in kurzer Zeit montierbar. Als nächsten Schritt könne man auf dem Gebäudedach für rund 60 000 Euro Solartechnik installieren und damit das Dusch- und Beckenwasserwasser zusätzlich beheizen. Der Energie-Experte sieht im abschnittsweise Umrüsten auch die Möglichkeit, die Kosten überschaubar und moderat in den Haushalt der Samtgemeinde einzubinden.

Geomatix-Filter mit Schilf, eine wärmeabsorbierende Spezialfolie für den Beckengrund und ein Flachwasserbereich mit Sandstrand wären die Waffen der Firma Eko-Plant gegen die Kostenlasten des Badbetreibers. Für die komplette Wandlung des konventionellen Freibades in ein Naturerlebnisbad müsste die Samtgemeinde Lühe ein Investitionsvolumen von rund 1,2 Millionen Euro stemmen und das Bad für die Dauer des Umbaues mindestens eine Saison lang schließen.

"Man muss etwa 900 bis 1200 Euro pro Quadratmeter Wasserfläche kalkulieren, wenn wir Naturerlebnisbäder der neuen Generation bauen", sagt Tomma Freesemann, Ingenieurin bei Eko-Plant. "Bei konventionellen Bädern muss dem Wasser Chlor oder Ozon zur Desinfektion zugefügt werden. Wir haben ein technisches System entwickelt, das mit unserem Geomatix-Bodenfilter und einer besonderen Schilfart sowie bestimmten Mikroorganismen das Badwasser biologisch reinigt", sagt Freesemann.

Das Wasser werde bei diesem Prozess bis zu sechsmal täglich komplett umgewälzt, was sich bei hohen Besucherzahlen im Bad bewähren werde, so die Fachfrau für Schwimmbadtechnik. Das Ergebnis sei neben einer Senkung der Betriebskosten sauberes, klares Wasser, das auch für jene geeignet ist, die Baden in gechlortem Wasser nicht vertragen.

Für Menschen mit Allergien, Neurodermitis oder Kleinkinder sei diese biologische Variante der Wasseraufbereitung ideal, so Freesemann. "Eine Spezialbeschichtung der Fliesen und eine grüne Bodenfolie würden vom Sonnenlicht Wärme absorbieren und auf diesem Weg das Wasser insbesondere im Flachwasserbereich aufheizen. Eine große Beckensanierung im Vorfeld wäre im Twielenflether Freibad nicht nötig", erklärt Freesemann.

Zudem wolle man den Badebereich so kombinieren, dass auch die sportlichen Schwimmer, die ihre Bahnen ziehen wollen, einen Teil nutzen können. Dafür würden eigens Bahnenstreifen zur Orientierung auf die Bodenfolie gebracht. "Ein weiteres Novum wäre ein Strand an der Nichtschwimmerzone. Dieser wäre, anders als jener Strand an der Elbe, frei von Müll und Hundekot", sagt Tomma Freesemann. Sie ist sich sicher: "So ein Trend-Bad wäre in der Region Stade als einmalige Attraktion sicher ein Besuchermagnet."

Bauamtschef Rolf Riggers will nun noch einmal beide Varianten unter den Aspekten der Energiekosten und des Investitionsvolumens von einem unabhängigen Gutachter berechnen lassen. "Wir müssen bei diesen Berechnungen einen Zeitraum von etwa 20 Jahren bewerten", sagt Riggers. Votiere der Rat für ein Naturerlebnisbad, müsste das Freibad für mindestens eine Saison geschlossen bleiben, so Riggers. Noch in diesem Sommer will der Samtgemeinderat sich für eine der beiden Freibadvarianten entscheiden.