Radioaktiver Abfall aus dem Atomkraftwerk lagert voraussichtlich noch bis Ende dieses Jahrzehnts an der Elbe - für Betreiber E.on zu lange.

Stade. Das Kernkraftwerk in Stade steht seit fast acht Jahren still. Trotzdem arbeiten dort noch etwa 400 Menschen täglich. Sie zerlegen das Kraftwerk in seine Einzelteile. Dabei prüfen sie, welche Teile radiologisch belastet sind. Die radioaktiven Abfälle werden derzeit in einer Halle neben dem Kraftwerk gelagert, und dies theoretisch noch sehr lange: Bis zu vier Jahrzehnte könnte der Atommüll in Stade bleiben. So lange will Betreiber E.on nicht warten. "Wir haben hohes Interesse daran, so schnell wie möglich auszulagern", sagt Kraftwerksleiter Michael Bächler.

Im Sommer 2007 wurde in Stade ein Lager für radioaktive Abfälle in Betrieb genommen. Die Halle auf dem Kernkraftwerksgelände ist etwa 60 Meter lang, 20 Meter breit und 15 Meter hoch. Sie ist für die Lagerung von rund 3000 Tonnen Atommüll ausgelegt. Dort werden schwachradioaktive und mittelradioaktive Abfälle zwischengelagert. Zurzeit stehen dort 180 Stahlcontainer sowie 413 sogenannte Mosaikbehälter. Letztere sind für mittelradioaktive Abfälle ausgelegt und werden je nach Belastung ihres Inhalts im Inneren zusätzlich mit Blei verstärkt.

Das Stader Zwischenlager ist von der zuständigen Atomaufsicht bis zum Jahr 2047 genehmigt worden. Geht es nach den Kraftwerksbetreibern, wird der Atommüll jedoch schon viel früher weggeschafft. Zur endgültigen Lagerung kommt er in das bereits genehmigte Endlager Schacht Konrad, einem ehemaligen Eisenerzbergwerk in Salzgitter. Dieses Endlager wird zurzeit ausgebaut, die ersten Abfälle könnten dort voraussichtlich Ende dieses Jahrzehnts eingelagert werden. Wenn es soweit ist, will Betreiber E.on schnell handeln.

"Wir planen, mit die Ersten zu sein, die auslagern", sagt Kraftwerksleiter Bächler. Schließlich müsse das Lager dauerhaft überwacht werden, was zu enormen Kosten führe. Bis 2016 soll das gesamte Kraftwerksgebäude abgerissen sein und bis auf die Lagerhalle alles vom Gelände verschwunden sein.

Die Kraftwerksbetreiber wollen den radioaktiven Abfall möglichst schnell aus Stade wegschaffen, betonen jedoch auch, dass die Radioaktivität auf dem Gelände schon heute weniger als ein Prozent dessen betrage, was dort früher üblich war. Außerdem nehme das Stader Zwischenlager ausschließlich Abfälle aus dem Rückbau und Betrieb des Stader Werks auf, sagt Kraftswerkssprecher Detlev Hubert.

Am 14. November 2003 wurde das Atomkraftwerk Stade nach 31-jähriger Betriebszeit abgeschaltet. Zwei Jahre später begann der Rückbau der nuklearen Anlagenteile. Dieser ist in vier Phasen aufgeteilt, die jeweils einzeln genehmigungspflichtig sind. Die letzte Genehmigung liegt jetzt vor. Derzeit befinden sich die Kraftwerksbetreiber allerdings ganz im Sinne des eigenen Zeitplans noch in der dritten Phase des Rückbaus. Momentan wird unter anderem der sogenannte biologische Schild entsorgt. Das sind meterdicke Betonwände, die während des Betriebes den eigentlichen Reaktordruckbehälter (RDB) umschlossen haben. Dieser war selbst 253 Tonnen schwer und acht Meter hoch. Im vergangenen Jahr haben Roboter mit Schneidbrennern den RDB in 273 handliche Teile zerlegt.

Zerlegt wird nun auch die Betonabschirmung. Bis April dieses Jahres sollen Teile mit einem Gesamtgewicht von 1272 Tonnen entfernt werden. Das ist beim nuklearen Rückbau eines Kernkraftwerkes allerdings gar nicht so einfach. Zunächst werden Teile in der Größe von einem Meter mal 80 Zentimeter aus dem Betonring herausgeschnitten, die dann in Gitterboxen zur weiteren Behandlung transportiert werden können. Mit Messungen wird entschieden, ob das Material sauber oder radiologisch belastet ist.

Ist es sauber, wird es bis zur Freigabe mehrere Male mit unterschiedlichen Kontrollmessungen überprüft. Abschließend überprüft die atomrechtliche Aufsichtsbehörde die vollständige Freigabedokumentation, bevor der Strahlenschutzbeauftragte der Bundesregierung das unbelastete Material endgültig freigibt. Es bleiben allerdings auch radioaktive Abfälle. Diese werden nach dem Grad der Aktivität unterschieden. Zum einen gibt es Abfälle, die Wärme entwickeln. Diese wurden früher auch als hochradioaktiv bezeichnet. Dazu gehören beispielsweise die abgebrannten Brennelemente. Die gibt es in Stade allerdings nicht mehr. Das letzte Brennelement hat das Kraftwerk am Rande der Hansestadt am 26. April 2005 verlassen. Sie wurden zur Wiederaufarbeitung in die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague im Nordwesten Frankreichs gebracht.

Bleiben die Abfälle, die keine Wärme beziehungsweise vernachlässigbare Wärme entwickeln. Bundesweit gibt es 19 Zwischenlager für diesen Müll, eines davon steht in Stade. Dort erfolge die Lagerung der Abfälle bereits in endlagergerechter Form, sagt Kraftwerksleiter Michael Bächler. Damit die radiologisch belasteten Abfälle lange gelagert werden können, müssen strenge Auflagen erfüllt werden. Dazu gehören beispielsweise der Schutz vor Rost oder anderen chemischen Reaktionen.

So werden die Container und Behälter zum Beispiel bei einer Luftfeuchtigkeit von unter 50 Prozent gelagert, zudem müssen sie ausfallsicher und bergefähig sein. "Wir profitieren von Erfahrungen, die in den vergangenen 30 Jahren bei der Zwischenlagerung gesammelt wurden", sagt Bächler. Möglichen Bedenken, den Atommüll in Stade zu lagern, entgegnet Bächler: "Es ist ein Giftstoff, aber wenn man damit vernünftig umgeht, ist es nicht gefährlicher als Asbest."