Schulzentren Apensen und Freiburg haben seit 2004 an den Gesetzen vorbei gearbeitet

Apensen/Freiburg. Was hat die 7526 Einwohner starke Samtgemeinde Nordkehdingen eigentlich dem Rest Niedersachsens voraus? Vielleicht die Wischhafener Elbfähre nach Glückstadt, könnte man sagen. Und die Samtgemeinde Apensen, 8059 Einwohner groß? Vielleicht die Firma Eisbär-Eis, mag dem Ortskundigen einfallen. Doch die beiden eher unauffälligen Kommunen haben noch einen weiteren gemeinsamen Pluspunkt, nämlich ein innovatives Schulmodell, das jetzt Pate für den Rest des Bundeslandes steht.

Landesweit wird in den Kommunen zurzeit die Einführung neuer Oberschulen beschlossen, die eine Zusammenfassung von Haupt- und Realschulen bei weitgehend integriertem Unterricht vorsieht. Im Schulzentrum Apensen und in der Haupt- und Realschule (HRS) Kehdingen, die sich in Freiburg befindet, wird allerdings schon seit mehr als zehn Jahren nach diesem Prinzip unterrichtet.

Die Tatsache, dass ausgerechnet diese beiden Schulzentren jetzt vielfach als Modelle gehandelt werden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn das Prinzip des gemeinsamen Unterrichts konnte dort jahrelang nur inoffiziell, um nicht zu sagen: ungesetzlich, durchgeführt werden.

"Es entsprach für eine Weile nicht der Gesetzeslage, was wir gemacht haben", sagt Günter Bruns, der das Schulzentrum seit seiner Gründung 2001 leitet. Bereits von Beginn an hatte man dort die Schüler in einigen Klassen und Fächern gemeinsam unterrichtet. In der HRS Kehdingen werden Schüler seit 1999 entschieden in bestimmten Fächern gemeinsam unterrichtet.

Genau dies war aber nach einer Gesetzesänderung des Jahres 2003, die im Sommer 2004 in Kraft trat, nicht mehr vom Schulgesetz gedeckt. Die Schwarz-Gelbe Koalition unter dem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff schaffte die Orientierungsstufe ab, in der alle Schulkinder in den Klassen 5 und 6 weitgehend gemeinsam unterrichtet wurden. Mit der Gesetzesänderung fielen auch die Möglichkeiten der Kooperation zwischen Haupt- und Realschulklassen. Die Schulzentren in Apensen und Freiburg haben dennoch wie gehabt weitergemacht, allerdings nur verdeckt.

"Wir bekamen keine Genehmigung. Aber es hieß vorsichtig aus Hannover, dass wir ein geduldeter Sonderfall seien", erinnert sich Jörg Petersen, der die HRS seit 1999 leitet. Diese informelle Duldung habe er allerdings nur mündlich und niemals schriftlich zugesagt bekommen. Ähnlich lief es im Falle Apensen ab, berichtet Günter Bruns: "Ich bekam einen Anruf des Landtagsabgeordneten Helmut Dammann-Tamke. Der gab mir die Zusage, man würde es so billigen".

Bruns und Petersen betonen, dass die Duldung der Schulzentren weitgehend dem Bargstedter CDU-Politiker, der 2003 in den Landtag gewählt wurde, zu verdanken sei. Auch dessen Fraktionskollege Kai Seefried, der selbst aus Kehdingen stammt und 2008 in den Landtag kam, habe eine tragende Rolle gespielt. "Beide waren die wesentlichen Personen, die für Entspannung gesorgt haben", sagt Jörg Petersen.

"Wir haben unbürokratische Wege gefunden, dass so weiter gearbeitet werden konnte", sagt dazu Helmut Dammann-Tamke. Zu der Regelung, die im Falle der beiden Schulzentren gefunden wurde, sagt er: "Es wurde stillschweigend geduldet. Man wollte innerhalb des Schulsystems keine Präzedenzfälle schaffen." Auch Kai Seefried bestätigt: "Es war schon so, dass es ein geduldetes Modell gewesen ist. Das ging eigentlich am Schulgesetz vorbei."

Etwas anders wird die Sache allerdings im zuständigen Kultusministerium in Hannover gesehen. "Von einer Sondergenehmigung zur Erteilung gemeinsamen Unterrichts für die genannten Schulen ist uns nichts bekannt", heißt es in einer Stellungnahme der Sprecherin Corinna Fischer. Und weiter: "Wir gehen davon aus, dass die Schulen entsprechend den Möglichkeiten der alten Grundsatzerlasse gemeinsamen Unterricht erteilt haben".

Wie hätte gemeinsamer Unterricht auf Basis der alten Erlasse, die bis einschließlich Juli 2010 gültig waren, aussehen können? Jörg Petersen hat dazu eine klare Meinung: "Das Schulgesetz ließ gemeinsamen Unterricht, außer im AG-Bereich, nicht zu. Wer so etwas beantragt hätte, hätte keine Genehmigung bekommen." Wie Günter Bruns sagt, habe man daher auch darauf verzichtet, einen offiziellen Antrag zu stellen.

Immerhin sei man mittlerweile "auf der sicheren Seite", so Günter Bruns weiter. Die Gesetzeslage wurde zum 1. August 2010 so geändert, dass der gemeinsame Unterricht auf Antrag zugelassen werden kann. Diesen Antrag habe man gestellt und auch genehmigt bekommen.

Stimmt der Niedersächsische Landtag im März erwartungsgemäß dem Gesetz zur Oberschule zu, dann ist der Weg für eine noch weiter gehende schulinterne Zusammenarbeit frei. Doch hätten die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht schon eher geschaffen werden sollen? War es richtig, dass die beiden Schulzenten zuerst jahrelang mit einem prekären Status arbeiten mussten? "Meine Erfahrung ist, dass es ein Schulgesetz und trotzdem viele Sonderwege gibt", sagt Helmut Dammann-Tamke dazu. Auch er gesteht beiden Schulzentren, für die er sich eingesetzt hat, Modellcharakter zu. Und er sagt: "Wir glauben, dass es uns gelungen ist, die verantwortlichen Politiker darauf hinzuweisen, dass integrativer Unterricht ein guter Weg ist."