Stader Tierschützer werfen Sibylle Witthöft vor, Hundequälerei zu dulden. Veterinärin weist die Anschuldigungen zurück

Gräpel/Kranenburg. Ihr Bellen ist weit zu hören. Nachbar Björn Graff klagt über "nächtliches Heulen, das den Hund von Baskerville um ein Vielfaches übertönt". Es geht um zehn Hunden, die trotz des eisigen Winters seit fast einem halben Jahr in einer unbeheizten Scheune bei Gräpel an der Oste untergebracht sein sollen. Dies hat Tierschützer jetzt veranlasst, gegen die Amtstierärztin des Landkreises Stade, Dr. Sibylle Witthöft, eine Fachaufsichtsbeschwerde einzureichen.

Zudem erstattete Andrea Althaus von der Initiative "Haustierrechte" bei der Veterinärbehörde des Landkreises Anzeige wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und die geltende Tierschutz-Hundeverordnung aus dem Jahr 2001. Die Anzeige richtet sich gegen die Amtstierärztin und gegen Dieter Alfer, den Halter der Hunde, der als Schäfer in Kranenburg arbeitet.

"Bereits am 22. Oktober vorigen Jahres haben Anwohner diese den Fall beim Veterinäramt angezeigt. Zwar trat dort kurzzeitig Besserung ein, nachdem Amtstierärztin Witthöft dort vorstellig wurde. Die Tiere wurden zeitweilig auch aus der Scheune ins Freie gelassen. Aber schon wenig später gab es das gleiche Hundeelend wieder", sagt Andrea Althaus.

Gemeinsam mit Kirsten Born vom Verein "Tierhilfe Stade" war Andrea Althaus am 12. Februar noch einmal an der Scheune bei Gräpel. Ihr Urteil: "Es ist katastrophal. Unkastrierte Rüden und läufige Hündinnen, nur wenige Meter von einander getrennt, in dieser nach Kot und Urin stinkenden Bretterbude zusammengepfercht, das ist eine widerliche Tierquälerei." Im Dezember zeigten Anwohner aus Gräpel zusammen mit Margret Dirksen von der "Tierhilfe Stade" die Sache abermals beim Veterinäramt an. Ihre Begründung: Ohne Auslauf, vorgeschrieben im Paragraf 2 der Tierschutz-Hundeverordnung, und Beschäftigung seien sich die Tiere selbst überlassen.

Es fehlten wärmedämmende Liegebereiche und Hütten, die im Paragraf 5 der Tierschutz-Hundeverordnung gefordert sind, weil sie Schutz vor Kälte und Luftzug bieten, heißt es unter anderem in der Beschwerde der Tierschützer gegen die Amtstierärztin. Tierschützerin Andrea Althaus: "Frau Dr. Witthöft ist das alles bekannt und sie unternimmt nichts, Woche für Woche nur Vertröstungen."

Die beschuldigte Amtstierärztin bestätigt gegenüber dem Abendblatt, dass sie nichts unternimmt. Witthöft: "Nein, ich greife nicht ein. Es sind bei den Hunden weder Schmerzen, Leiden oder Schäden erkennbar." Es handele sich um eine Übergangslösung, bis die Hunde anders untergebracht werden können, so Witthöft. "Wenn die Hütehunde nicht dauerhaft dort gehalten werden, ist das nicht so dramatisch", begründet Witthöft ihre Entscheidung. Kritisch sieht Witthöft allerdings, dass die Tiere nicht ausreichend Tageslicht bekämen. Andererseits sagt sie: "Der Schäfer zeigt sich gutwillig. Wenn alles gut geht, kann der Umzug der Hunde nächste Woche über die Bühne gehen."

Besitzer der Hunde, darunter Schafspudel, Gelbbacken und Harzer Fuchs, ist Dieter Alfer, der seit April 2010 als Schäfer für den Deichverband Kehdingen-Oste arbeitet. "Herr Alfer erfüllt mit seinen etwa 1300 Schafen vertraglich die Beweidung der rund 20 Kilometer Ostedeich", sagt Horst Wartner, Deichgraf für die Abteilung Oste II und III. Für eine fachgerechte Deichpflege mit Schafen habe man extra eine rund 300 000 Euro teure Schafhalle gebaut, in der Schafe und Hütehunde untergebracht werden. Dafür habe man die neue Halle an den Schäfer Alfer verpachtet, so Wartner. "Wegen des zeitigen Wintereinbruchs ist die Halle noch nicht ganz fertig, deshalb sind vorerst nur die Schafe dort untergebracht", sagt der Deichgraf. Alfer, der als Wanderschäfer arbeitet, beschreibt die Situation seiner Hunde im Gespräch mit dem Abendblatt als "wirklich nicht ideal". Die Tiere seien aber gesund und topfit. Alfer: "Meine abgerichteten Hütehunde sind das Wichtigste bei der Schäferei. Ohne sie kann ich die Herde doch nicht führen. Deshalb werden sie von mir abgerichtet und immer gut behandelt."

Voraussichtlich in der kommenden Woche sollen die Hunde zu den Schafen in die Halle kommen. Dafür müssten aber noch Zwinger gebaut werden, so der Schäfer, der aus der Nähe von Dortmund an die Oste kam. So ein großer Umzug aus dem Ruhrpott mit so vielen Tieren sei in der Kürze der Zeit nicht komplett zu bewältigen.

Auch er und seine Frau lebten derzeit übergangsweise in einer 40-Quadratmeter-Wohnung, so Alfer. "Für mich ist es ein kostspieliger Aufwand, dreimal täglich zum Füttern von Kranenburg nach Gräpel zu fahren, zumal ich jetzt in der Lammzeit kaum aus der Schafhalle fortgehen kann", sagt Alfer.

Er sagt, er verstehe die Aufregung der Tierschützer nicht. "Meine Hunde sind wechselweise täglich bei den Schafen. Ich hole immer zwei bis vier Tiere mit dem Auto nach Kranenburg." Sie seien es gewöhnt, auf Stroh zu liegen und dürfen nicht zu warm untergebracht werden, so Alfer. Die Zwinger im Scheunenquartier böten mit etwa 14 Quadratmetern genügend Bewegungsfreiheit.

Über die Beschwerde gegen Sibylle Witthöft entscheidet nun das Niedersächsische Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz.