Einwohner von Buxtehude-Hedendorf wollen die Erweiterung der Hähnchenzuchtanlagen auf 160 000 Tiere verhindern

Hedendorf. Sie alle sind Getriebene, gefangen in der Zwickmühle der wirtschaftlichen Realität. Die Landwirte, weil sie nach den Zwängen des Marktes handeln müssen, der niedrige Preise diktiert, die man nur mit Massenproduktion erlangt. Die Konsumenten, weil sie genau nach diesen billigen Produkten greifen, obwohl viele das System doch eigentlich ablehnen. Aber was tun, wenn die Geldbörse am Monatsende fast wieder leer ist?

Bei der Informationsveranstaltung zu den geplanten Hähnchenställen in Buxtehude-Hedendorf wurde schnell klar, in welchem Dilemma die moderne Landwirtschaft steckt. Die Veranstalter um Ratsmitglied Anne-Dore Völkers (Grüne), die zugleich Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe ist, hatten zuvor provokativ gefragt: "Industrielle Massentierhaltung in Buxtehude - wollen Sie das?"

Welche Frage, kaum einer der Anwesenden im vollen Saal des Restaurants "Zur Eiche" wollte. Viele Bürger zögerten deshalb nicht lang und trugen sich auf der Liste als Unterstützer der frisch gegründeten Bürgerinitiative ein.

Ziel der Hedendorfer Bürgerinitiative ist es nun, sich rechtlichen Beistand zu holen, um zu klären, welche Einspruchsmöglichkeiten es gegen die zwei Hähnchenställe für insgesamt fast 80 000 Tiere gibt, die der Landwirt Diedrich Dammann in der Hedendorfer Feldmark errichten will. Die neuen Ställe sollen direkt neben zwei bestehenden Ställen entstehen, in denen bereits genau so viele Hähnchen gehalten werden. Damit würden auf dem Areal insgesamt fast 160 000 Tiere schlachtreif gemästet werden.

Die Buxtehuder Politik hatte Ende des vergangenen Jahres zwar mehrheitlich entschieden, ihre Zustimmung zu dem Vorhaben zu verweigern. Doch der Landkreis Stade mit Landrat Michael Roesberg an der Spitze, der in diesem Fall die zuständige Genehmigungsbehörde ist, hat sich darüber hinweggesetzt und den Weg für den Bau der zwei Ställe freigemacht.

"Wir müssen uns zusammentun und versuchen, etwas dagegen zu tun", macht Anne-Dore Völkers den Anwesenden klar. Bis zum nächsten Treffen der Bürgerinitiative, dessen Termin noch nicht feststeht, sollen sich nun alle Gedanken machen und Vorschläge verfassen, über die dann abgestimmt werden kann. Ein Anwalt soll prüfen, ob die Forderungen relevant sind und Aussicht auf Erfolg besteht.

Einige der Hedendorfer Bürger haben daran schon jetzt ihre Zweifel. "Das nützt doch alles gar nichts", sagt eine Frau, wird aber sogleich von den anderen überstimmt, die sehr wohl an eine Chance glauben. Sie wollen sich nicht damit abfinden, dass die Gerüche der Ställe bis in den Ort hinein zu riechen sind. "Beim Ausmisten und Desinfizieren ist es besonders schlimm", sagt jemand.

Es gehe um die Belastung der Bevölkerung und die gesundheitliche Gefährdung, erklärt Anne-Dore Völkers. Dazu nennt sie einige Beispiele: Aufgrund des extrem stinkenden Hühnerkots, der auf den Feldern verteilt wird, werde das Trinkwasser mit Nitraten verseucht. Resistente Keime und Viren würden in das Grundwasser und weiter in das Trinkwasser eindringen und die Gesundheit der nachkommenden Generationen gefährden.

Der Neukloster Forst, ein beliebtes Ausflugsziel, werde durch die Ammoniak-Emissionen gefährdet, beliebte Spazierwege seien quasi unbenutzbar. Ganz zu schweigen von den Bürgern, die an manchen heißen Tagen im Sommer aufgrund des Gestanks nicht einmal ihre Fenster zum Lüften öffnen könnten.

Eine Frage bleibt dennoch im Raum stehen: Warum werden solche Mastanlagen überhaupt errichtet? Wollen wir nicht alle, dass die Tiere ein schönes Leben haben? Damit wären wir wieder bei dem Dilemma, auf das auch Eckard Wendt von der Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung aus Stelle eingeht, den Anne-Dore Völkers zu der Informationsveranstaltung extra eingeladen hat.

Die Konsumenten würden alles billig haben wollen, sagt er. Aber wenn sie sehen, wie Masthühner so schnell schwer gezüchtet werden, dass ihr Stützapparat die Muskelmasse kaum mehr tragen kann, sie unter der Last ihres eigenen Gewichts zusammenbrechen und starke Schmerzen haben, wenden sie sich empört ab. Dabei seien das zwangläufig die Auswüchse der einseitig auf Gewinn ausgerichteten Mast, macht Wendt deutlich.

"Wir müssen zu einem Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft kommen", fordert er. Denn auch die Landwirte befänden sich in einer Zwickmühle, wenn sie über die Runden kommen wollen, aber ihre Gewinne so gering seien, dass sie ihr Heil zwangsläufig in der Massenproduktion suchen müssen.

Auf diesen Misstand weist auch Hähnchenmäster Diedrich Dammann hin, der ebenfalls zu der Infoveranstaltung erschienen war. Er habe vor zehn Jahren, als er mit der Mast begann, einen Stall mit Auslauf errichtet, damit die Tiere auch nach draußen gehen können, berichtet er. Sehr schnell habe er aber festgestellt, dass es für Freiland-Masthähnchen keinen Markt gebe. Daraufhin habe er es wieder gelassen. Seitdem hält er seine 80 000 Tiere nur im Innern seiner zwei Ställe.

Am Mittwoch, 9. Februar, beschäftigt sich der Hedendorfer Ortsrat bei seiner öffentlichen Sitzung im Dorfgemeinschaftshaus, Am Sportplatz 2, erneut mit der Erweiterung der Hähnchenmastställe. Die Buxtehuder Stadtverwaltung wird einen Sachstandsbericht abgeben. Beginn der Ortsratssitzung ist um 20 Uhr.