Die Bundesstraße 73 ist sicherer geworden. Dafür kracht es nun häufiger auf dem Obstmarschenweg

Stade/Buxtehude. Die Bundesstraße 73 ist nicht länger das Sorgenkind der Polizei. Viel häufiger als auf der einst als "Todesstrecke" bekannten Straße kracht es mittlerweile mitten in den Städten Stade und Buxtehude. Jeder zweite Unfall passiert in einer der beiden Städte. Die schwersten Unfälle mit den schlimmsten Folgen geschehen allerdings weiterhin außerorts. Bis Ende Juli zählte die Polizei 2300 Unfälle im gesamten Kreisgebiet, dabei kamen sieben Menschen ums Leben, 73 weitere wurden schwer verletzt.

Robert Schlimm kennt die gefährlichsten Stellen ganz genau. Der Polizeihauptkommissar ist seit zwei Jahren zuständiger Sachbearbeiter für den Verkehr bei der Polizeiinspektion Stade. Obwohl die Bundesstraße 73 den Schrecken vergangener Jahre verloren hat, kann es bei weitem keine Entwarnung geben. Trotzdem berichtet Schlimm nicht ohne Stolz vom Erfolg bei einem der bisherigen Unfallschwerpunkte auf der Bundesstraße 73.

So habe sich in Horneburg an der Kreuzung von Bundesstraße 73 und Issendorfer Straße die Zahl der Unfälle spürbar reduziert. Das liege vor allem an der Autobahn 26 und der daraus resultierenden Verkehrsentlastung. Aus diesem Grund könnten an der Kreuzung jetzt andere Ampelphasen geschaltet werden. Zudem können die Linksabbieger mitlerweile gesondert fahren und haben beim Abbiegen keinen Gegenverkehr mehr. In Richtung Cuxhaven sei die B 73 ebenfalls relativ unauffällig. Problematisch ist Robert Schlimm zufolge die Strecke zwischen Ovelgönne und Neu Wulmstorf. "Das liegt vermutlich an der hohen Verkehrsbelastung, da können wir wenig machen", sagt Schlimm. Er erhofft sich eine Verbesserung, wenn die neue B 3 für Entlastung sorgt.

An anderer Stelle hat sich die aktive Verkehrspolitik von Polizei, Kommunen und Verkehrswacht offenbar bezahlt gemacht. Die Problemstrecke bei Gräfenmoor wurde mit einem 2007 aufgestellten Blitzer entschärft. "Diese Stelle ist heute völlig unauffällig", sagt Schlimm. Alle Unfälle im Landkreis Stade werden statistisch ausgewertet. Dann trifft sich einmal im Jahr die sogenannte Verkehrskommission.

"Daran beteiligen sich eigentlich alle, die irgendwas mit der Straße zu tun haben", sagt Polizeisprecher Rainer Bohmbach. Es wird darüber beraten, ob und wie man die Unfallzahlen an bestimmten Stellen reduzieren kann. Mögliche Maßnahmen sind Geschwindigkeitsbegrenzungen und stärkere Kontrollen, aber auch Sanierungsarbeiten an der Straße. Die Verkehrskommission wertet ihre Maßnahmen zudem aus und nimmt diese wieder zurück, falls sie sich als unwirksam herausgestellt haben.

Auch wenn die B 73 nicht mehr das ganz große Sorgenkind ist: Im Landkreis Stade gibt es noch immer etliche Straßen mit großem Gefahrenpotenzial. Viele Autofahrer nutzen die Landesstraße 111, den Obstmarschenweg, als Ausweichstrecke. Entlang der knapp 56 Kilometer langen Strecke bis nach Kehdingen komme es aufgrund langer Geraden und einiger gefährlicher Kurven immer wieder zu schweren Unfällen, sagt Schlimm. Der Obstmarschenweg zwischen Jork-Königreich und Hamburg gehört ebenfalls zu den Unfallschwerpunkten. In den vergangenen drei Jahren passierten dort zwei Unfälle mit Todesfolge und drei, die schwere Verletzungen zur Folge hatten.

Die Verantwortlichen haben reagiert. Bis Hove wurde eine 70er-Zone eingerichtet, anschließend Überholverbot angeordnet. "In diesem Jahr gab es dort bislang keine Unfälle", sagt Schlimm. Weitere akute Problemstellen im Kreis sind die Landesstraße 127 zwischen Wangersen und Ahrensmoor, die Landesstraße 123 zwischen Bargstedt und Kutenholz und die Kreisstraße 39 am Deich Richtung Hamburg. Zwischen Wangersen und Ahrensmoor zählte die Polizei in drei Jahren auf einer Strecke von nur fünf Kilometern drei Unfälle mit Todesfolge.

Die Strecke zwischen Fredenbeck und Kutenholz ist ebenfalls auffällig. In den vergangenen drei Jahren passierten dort zwei Unfälle, bei denen Menschen ums Leben kamen, und drei Unfälle, die schwere Verletzungen zur Folge hatten. Wie die Polizei auf die aktuellen Schwerpunkte reagiert, ist noch unklar. "Die meisten Unfälle passieren aufgrund von Fahrfehlern", sagt Polizeisprecher Bohmbach. Diese kämen besonders häufig bei jungen Fahranfängern vor. Bereits im Jahr 2009 wurde deshalb vom Landkreis in Zusammenarbeit mit der Polizeiinspektion, ADAC und Kreisjugendring das Projekt "Schutzengel" ins Leben gerufen.

Dafür wurden rund 20 000 Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren angeschrieben, die einen "Schutzengelausweis" erhalten haben. Die jungen Erwachsenen sollen darauf achten, dass ihre Freunde nicht zu schnell fahren und auf Alkohol und Drogen am Steuer verzichten.

Gleichzeitig setzte die Polizei auf flächendeckende Kontrollen. Dabei wurden nicht nur Raser, sondern auch Gurtmuffel sowie Alkohol- und Drogensünder aus dem Verkehr gezogen. Bei den groß angelegten Aktionen sind meist zwischen 30 und 60 Polizeibeamte im Einsatz.

Bei einer Unfallursache sind die Polizisten im Kreis allerdings nahezu ratlos. Etwa 20 Prozent aller Unfälle im Landkreis sind Wildunfall. Hinzu komme vermutlich eine erhebliche Dunkelziffer, schätzt Bohmbach. Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel Wildschutzzäune gibt es zwar, doch es sei unrealistisch, diese im gesamten Kreisgebiet aufzustellen. "Wir kriegen die Wildunfälle nicht in den Griff", sagt Bohmbach. Ein bundesweites Patentrezept gebe es noch nicht. Einziger Lichtblick: Bei Wildunfällen bliebe es in der Regel bei Blechschäden, schwere Verletzungen bei den Menschen seien eher die Ausnahme, sagt Bohmbach.