In der Schwedenschanze wurden die Überbleibsel einer Hafenanlage ausgegraben. Das belegt, dass Stade bereits im 7. Jahrhundert exisitierte.

Stade. Stades Archäologe Andreas Schäfer wählt seine Worte mit Bedacht. Doch Schäfer übertreibt wohl nicht, wenn er die Stader Region als eine der archäologisch interessantesten Gegenden in Norddeutschland bezeichnet. Denn die von ihm geleiteten Forschungsarbeiten haben ergeben, dass Stade definitiv viel älter und historisch wichtiger ist, als alle bisher geglaubt haben. Den derzeitigen Ergebnissen zufolge datiert die Schwedenschanze mit dem dort entdeckten Hafen auf das Jahr 673 oder 674 nach Christus. Damit ist Stade die älteste Siedlung mit einer Festungsanlage in Norddeutschland. Selbst die Wikingersiedlung Haithabu bei Schleswig, mittlerweile ein Touristen-Magnet, ist erst im 8. Jahrhundert entstanden. "Aus diesem Grund zählt die Schwedenschanze zu den größten archäologischen Kostbarkeiten Norddeutschlands", sagt Schäfer.

Bisher galt 994 als das offizielle Gründungsdatum Stades. In jenem Jahr wurde die Stadt erstmals urkundlich erwähnt. "Siedlungen existierten aber bereits vorher, nur gibt es dafür keine urkundlichen Belege", so Schäfer, der auch an der Universität Hamburg doziert. Diese Belege zu liefern, das ist die Aufgabe der Archäologie. Das Team der Wissenschaftler hat hier ganze Arbeitgeleistet. Mit neuesten Techniken, teilweise weltweit einmaligen Forschungsansätzen und mit finanzieller Unterstützung der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung und der Stadtverwaltung wurden Teile der Böden rund um Stade untersucht, mehrere Ausgrabungsflächen akribisch kartografiert und wichtige Fundstücke geborgen.

Bei der Schwedenschanze, einer als ovalem Wall an der Schwinge angelegten Wehranlage, haben die Untersuchungen neben den Wallringen hölzerne Uferrandbefestigungen, die auf eine komplette Hafenanlage schließen lassen, Bohlenwege und eine kleine, vorgelagerte Festungsanlage, das sogenannte Ohle Dörp, hervorgebracht. Unter der Leitung des Archäologen Wolfgang Scherf wurde zunächst eine unbekannte Holzkonstruktion entdeckt, die sich später als Holzturm manifestierte. Nachdem im weiteren Umfeld auch Grabungen mit personeller Unterstützung der Universität Hamburg und geophysikalische Untersuchungen des Flussbettes mithilfe von Berliner Wissenschaftlern unternommen wurden, stellte sich heraus, dass bei Groß-Thun auch die älteste bekannte Hafenanlage in Norddeutschland liegt.

Schäfer vermutet, dass in unmittelbarer Nähe von Hafen und Festung ein Bestattungsplatz liegt. Erste Anzeichen hierfür haben die Archäologen in Richtung Hagen bereits gefunden. In den kommenden Jahren soll das vermutete Areal genau untersucht werden. Die Forscher hoffen, hier auf Grabbeigaben zu stoßen, die weitere Auskunft über das Leben in der Region um 700 nach Christus geben können.

Laut Bürgermeister Andreas Rieckhof hätten die zutage gelieferten Ergebnisse alle Erwartungen der Stadtverwaltung übertroffen. Auch Karsten Behr, Hauptgeschäftsführer der Bingo-Umweltstiftung, hebt den Wert der Forschung hervor. "Diese Arbeiten haben Modellcharakter und sind von überregionaler Bedeutung."

Die Schwedenschanze ist etwa 140-mal 70 Meter groß, die Breite des Walls liegt bei etwa 16 Meter. Direkt an der Wallanlage liegt die Uferrandbefestigung, die fast 30 Meter lang ist. Hier, so vermutet Schäfer, könnten Handelsboote festgemacht haben. Alte Ruder wurden bereits gefunden. Vieles spricht dafür, dass Stade in der Zeit der sogenannten "Dark Ages", also jener Zeit zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn des Hochmittelalters, ein befestigter Handelsort mit etwa 200 Einwohnern gewesen ist. Die nachgewiesenen Handelswege gen Itzehoe deuten ebenso darauf hin, wie die verkehrsgünstige Lage auf einer Anhöhe am Ende des Geestrückens in unmittelbarer Nähe zur Elbe, die damals dicht an Stade vorbei floss. Zudem ist da die naheliegende Vermutung, dass die Siedlung an der Schwedenschanze wohl den einzigen schiffbaren Übergang über die Unterelbe in Richtung des heutigen Schleswig-Holstein darstellte, das zwischen 700 und 900 nach Christus aus fränkischer Sicht nur ein wenig organisiertes, kaum erschlossenes und schwer erreichbares Siedlungsgebiet darstellte.

Trotz aller Ergebnisse, die bislang erzielt wurden, gibt es weiterhin viele Rätsel um die Anlage. So ist die Bedeutung des Handelsortes momentan nur schwer abzuschätzen. Zudem stellt sich die Frage, warum eine Siedlung, die so dicht am Elbufer gelegen war, eine Festungsanlage überhaupt benötigte. Diente die Schutzanlage der Abwehr von Wikingern? "Dafür ist es zeitlich zu früh, es könnte aber sein, dass es eine seeseitige Bedrohung gegeben hat", so Andreas Schäfer.