In Teil 3 unserer Serie über Buxtehudes Stadtteile geht es um eine Ortschaft, die vor allem mit dem Konflikt “Neubürger gegen Alteingessene“ ringt

Buxtehude. Früher war zwar nicht alles besser, aber vieles ruhiger. Betrachtet man die Buxtehuder Ortschaft Ottensen, fragt man sich zwar, wie etwas noch ruhiger sein kann als dieses Fleckchen Erde. Aber Elke Wichern weiß, was sie mit so einem Satz meint. Seit 1986 ist sie Lehrerin an der Grundschule Ottensen, einer Nebenstelle der Grundschule Stieglitzweg. Und sie hat miterlebt, wie sich die dörfliche Idylle im Laufe der Jahre in das neue Ottensen verwandelte.

Das Ottensen, in dem große Neubaugebiete voller Einfamilienhäuser entstanden, in denen die klassische und gehobene Mittelschicht eine Heimat fand. Aber auch das Ottensen, in dem Alteingesessene und Neubürger nicht immer gute Freunde wurden.

Etwas vom alten Ottensen ist noch übrig geblieben. "Stoh fast, kiek wiet un rög di" steht in großen Lettern am Giebel eines Hauses an der Nindorfer Straße. Auf Hochdeutsch: Steh fest, schau weit und reg dich. Eine Mahnung an alle, den Sinn für das Wesentliche im Leben nicht zu verlieren. Hohe Eichen ragen in den Himmel empor, auf einigen Höfen stehen Trecker und Pflug, Überbleibsel einer Zeit, in der die Landwirtschaft das Gesicht des Ortes bestimmte.

Die Boten der Vergangenheit, die Fachwerkhäuser, die sanft geschwungene Landschaft in den Estewiesen und vielleicht sogar die unbefestigten Sandwege, die einen Hauch von Ursprünglichkeit versprühen, waren es auch, die Ilka Hinke und ihre Familie nach Ottensen gelockt haben.

Die Mutter von Lana, 5, und Len, 3, stammt wie ihr Mann aus Buxtehude und hat sich bewusst für ein Häuschen in der Ortschaft entschieden. "Vorher haben wir in Hamburg gelebt, aber wir wollten lieber etwas Sicheres für unsere Kinder", sagt sie. Keine Durchgangsstraße, alles ruhig, aber trotzdem nicht allzu weit weg vom Schuss - das waren die Argumente, die für den Hauskauf sprachen.

Da unzählige andere Familien ähnlich dachten, nahm die Wandlung des Ortes ihren Lauf, was sich nicht zuletzt in der sozialen Struktur niederschlug. "Wir haben kaum noch Kinder von Alteingesessenen in den Klassen", sagt Elke Wichern. Dadurch, dass sich die Klassenstruktur veränderte, kamen natürlich auch mehr schwierige Kinder dazu, sofern man davon in Ottensen überhaupt sprechen kann. Denn eigentlich weiß Elke Wichern genau, dass eine Schule mit 36 Mädchen und Jungen für Lehrer und Schüler ein Paradies ist.

Es gibt kaum Kinder mit Lernschwierigkeiten, keine Kinder, die unentschuldigt im Unterricht fehlen, und bei den jüngsten Neueinschulungen niemanden, der nicht die deutsche Sprache beherrscht: Kein einziges Kind hat einen Migrationshintergrund. Es sind eher andere Dinge, die die Lehrerin kritisch sieht. "Manche Schüler sind verwöhnt und haben einen sehr hohen Anspruch", sagt sie. Neubürger blicken auf Alteingesessene hinab, und das trägt nicht immer zu einem guten Klima in der Klasse bei. Hinzu kommt der begrenzte Raum der kleinen Dorfschule. Wenn Schüler miteinander nicht klarkommen, ist es mitunter schwierig, zueinander auf Distanz zu gehen. "In einem größeren Haus ist das einfacher."

Und noch ein anderer Nachteil ist mit der Winzigkeit der Grundschule verbunden. Da es nur die Jahrgänge 1 und 2 mit 16 und 20 Kindern und zwei Lehrerinnen gibt, bietet sie keine Nachmittagsbetreuung an. "Wir hatten einmal ein Kind, das bis 15 Uhr betreut werden sollte, und da das bei uns nicht geht, musste es nach Altkloster wechseln", erzählt Elke Wichern. In Ottensen können die Mädchen und Jungen nur bis 13 Uhr bleiben, wer dann noch nicht nach Hause kann, weil die Eltern arbeiten, muss entweder zur Tagesmutter, den Großeltern oder den Nachbarn. In der ersten Klasse nutzen 8 von 16 Kindern das Angebot, bis 13 Uhr in der Schule zu bleiben.

"Die Betreuung ist in Ottensen unser Hauptthema", sagt Andrea Lange-Reichardt, Leiterin der Fachgruppe Jugend, Soziales und Familie der Stadt Buxtehude. In vielen Familien seien Mutter und Vater berufstätig, deshalb sei es für diese Paare wichtig, ihre Kinder gut aufgehoben zu wissen. Ansonsten ist die Ortschaft in Sachen Jugendhilfe ein weißer Fleck. Es gibt keine Mietwohnungen, die jungen Familien ziehen in Häuser, demzufolge gibt es wenig Bewegung in der Einwohnerschaft.

Elke Wichern weiß aber auch, dass nicht alles im Ort nur heile Welt ist. "Gerade bei den jungen Familien, die in die Neubaugebiete ziehen, treten manchmal finanzielle Schwierigkeiten auf", sagt sie. Das Haus ist teurer als gedacht, die Eltern trennen sich - da steht eine Familie schnell vor dem Nichts. An den Kindern gehen diese privaten Schwierigkeiten nicht spurlos vorüber, was sich auch auf ihre schulische Leistung und das Sozialverhalten auswirkt. "Das sind alles keine Wahnsinns-Probleme", sagt die Lehrerin. Aber trotzdem ist es eine Herausforderung, die sie zu lösen haben.

Im vierten Teil unserer Serie kommt morgen Professor Helmut Lukas zu Wort, der die Studie über die Buxtehuder Stadtteile erstellt hat.