Das Abendblatt wirft einen Blick auf die Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen

Buxtehude. Sozialraumanalyse. Wie in Stein gemeißelt steht dieses Wort da und lässt Außenstehende ehrfürchtig erstarren. Doch was sich hinter einer solchen Studie verbirgt, hat einen hohen Nutzen für die Stadt. Sie liefert nämlich ein genaues Bild von der gesellschaftlichen Struktur eines Ortes.

Grund genug für die Stadt Buxtehude, den Berliner Sozialplaner Helmut Lukas zum zweiten Mal nach 2004 mit der Erstellung einer Sozialraumanalyse zu betrauen. Auf diese Weise will sich das Jugendamt einen Überblick über die Situation der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den einzelnen Stadtteilen verschaffen, um so die Angebote und Konzepte der Jugendhilfe zu verbessern.

Oberstes Ziel müsse es sein, die Buxtehuder Jugendarbeit noch viel stärker auf die einzelnen Sozialräume abzustimmen, hatte Andrea Lange-Reichardt, Leiterin der Fachgruppe Jugend, Soziales und Familie, Ende des vergangenen Jahres gesagt, als Helmut Lukas die aktuelle Studie den Politikern erstmalig vorstellte. Das Abendblatt wird nun in einer vierteiligen Serie die Stadtteile Altstadt, Brunckhorst'sche Wiesen und Ottensen näher beleuchten und lässt zudem Helmut Lukas im Interview zu Wort kommen.

Dass die Wahl gerade auf diese drei genannten Stadtteile fiel, liegt an ihrer unterschiedlichen Struktur: Die Altstadt ist das soziale Sorgenkind der Stadt. Zwischen Altländer Straße und Hansestraße gibt es die meisten minderjährigen Bezieher von Grundsicherung (31,3 Prozent). Das heißt, jeder dritte junge Mensch dort lebt von Hartz IV. Es gibt dort relativ viele Hauptschüler (23,63 Prozent), den höchsten Anteil von Minderjährigen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und die meisten Minderjährigen, für die ambulante Hilfe zur Erziehung nötig ist (2,05 Prozent). Unter "ambulante Hilfe zur Erziehung" versteht man zum Beispiel Hilfskräfte des Jugendamts, die in die Familien kommen und den oftmals jungen Eltern bei der strukturierten Gestaltung des Tagesablaufs helfen.

Die Brunckhorst'schen Wiesen hingegen lassen sich als ein klassisches Mittelklasse-Wohngebiet bezeichnen. Betrachtet man die Zahlen, sieht man, dass lediglich 14,3 Prozent der Unter-18-Jährigen auf Grundsicherung angewiesen sind. 0,96 Prozent der Minderjährigen bekommen ambulante Hilfe zur Erziehung und gegen 9,3 Prozent der Jugendlichen wird vor Gericht Anklage erhoben.

Ottensen sticht hingegen als Musterschüler hervor. Es gibt dort beispielsweise kaum einen Jugendlichen, gegen den Anklage erhoben wird (1,1 Prozent), und lediglich einen geringen Anteil von minderjährigen Beziehern von Grundsicherung (3,4 Prozent). Darüber hinaus wechseln 63,63 Prozent der Jugendlichen in Ottensen aufs Gymnasium. Übertroffen wird dieser Wert nur vom Baugebiet Königsdamm, wo es 80 Prozent sind.

Sorgenkind, Durchschnitt und Musterschüler - drei von neun Sozialräumen stehen somit exemplarisch für eine Stadt, die sozial geteilt ist. Für die Untersuchung hat Helmut Lukas Buxtehude in Altstadt, Neubaugebiet Königsdamm, Brunckhorst'schen Wiesen, Altkloster, Buxtehude Süd, Estetal, Hedendorf/Neukloster, Ottensen sowie die zu einem Sozialraum zusammengefassten kleineren Ortschaften Daensen, Pippensen, Eilendorf, Immenbeck, Ovelgönne und Ketzendorf aufgeteilt und dann separat untersucht.

Er nahm dabei unter anderem die Übergangsquote in die Hauptschule ebenso mit in die Untersuchung hinein wie die Zahl der Kinder mit Antrag auf Kita-Gebührenerlass. Er schaute nach, wie viele Kita-Plätze es gibt, wie sie genutzt werden und in welchen Stadtteilen wie viele Kinder und Jugendliche ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind.

Seine Daten stammen zum einen vom Landesamt für Statistik Niedersachsen, wo sie für jeden online frei zugänglich sind. Zum anderen hat er die Zahlen, die die Leistungen der Jugendhilfe vor Ort betreffen, vom Jugendamt der Stadt Buxtehude erhalten. Beispiele sind hier die Hilfen zur Erziehung oder die der von Ehescheidungen betroffenen Kinder. Die Daten zu den Beziehern von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung hat die statistische Abteilung der Landesagentur für Arbeit geliefert.

"Um die Jugendhilfe zu planen, benötigen wir eine grundsätzliche Analyse der Struktur", sagt Andrea Lange-Reichardt. Die Sozialraumanalyse diene dabei als Grundlage dafür, was man wo verändern könne. Zusätzlich dazu gebe es bei der Stadt Facharbeitsgruppen zur Kinderbetreuung, zur Jugendarbeit wie sie beispielsweise im Freizeithaus stattfindet und zur Jugendhilfe, die sich bei Problemen einschaltet. Die Fachleute kommen regelmäßig zusammen und nehmen den Bestand genau unter die Lupe, zum Beispiel mit Hilfe von telefonischen Bedarfsabfragen bei den Eltern. Was haben wir vor Ort, wie viele Betreuungsplätze gibt es und welche Kooperationen mit Vereinen? "Aus dem Abgleich von Bestand und Bedarf kann man sehen, was getan werden muss", sagt Andrea Lange-Reichardt.

Im ersten Teil unserer Serie geht es morgen um die Buxtehuder Altstadt.