Die Region hofft darauf, dank der geplanten Autobahnen zum Naherholungsgebiet für die Hamburger und zur Konkurrenz für das Alte Land zu werden

Wischhafen/Drochtersen. Jahrzehntelange war die Stimmung der Politiker im Kehdinger Raum alles andere als von Euphorie geprägt. Ein kontinuierlicher Rückgang der Einwohnerzahlen, wenige wirtschaftliche Impulse und damit ein nur eingeschränkter finanzieller Spielraum haben den nördlichen Landkreis über viele Jahre geprägt. Das Einzige, was vielen Kommunalpolitikern ein wenig Hoffnung machte, war der Tourismus.

Für Nordkehdingens Samtgemeindebürgermeister Edgar Goedecke war bereits im Jahr 2006 klar, dass einzig der Tourismus neue Impulse in die Region bringen könnte - und damit zusätzliches Geld. Mit dieser Meinung stand Goedecke nicht allein, sie war Konsens bei den Kehdingern und Nordkehdingern. Mit den begrenzten Finanzmitteln der Gemeinden wurden Wohnmobilstellplätze errichtet und der Ausbau des Elbe-Radwanderwegs forciert. Mit Fördergeld wurde zuletzt Freiburgs Zentrum saniert, denn der Flecken wollte endlich für Touristen attraktiver werden.

Große Hoffnungen wurden auch in das Strandhotel auf Krautsand gesetzt. Das 1956 auf der Ferienhalbinsel eröffnete Hotel mit Blick auf die Elbe hat seit dem Jahr 2000 wegen einer Insolvenz mehrfach den Besitzer gewechselt. Alle Versuche, wie zuletzt vom DRK, das Hotel wieder attraktiv und profitabel zu machen, scheiterten. Seit etwa zwei Jahren dümpelt das Haus vor sich hin, obgleich der derzeitige Besitzer, der Steuerberater Rigo Gooßen - er übernahm das Gebäude im Jahr 2008 - angekündigt hat, dem Gebäude wieder neues Leben einhauchen zu wollen.

Medizinischer Tourismus als neues Standbein für die Region

Trotz der Rückschläge beim Strandhotel herrscht Optimismus im Kehdinger Land, denn jetzt könnte die Idee, den nördlichen Teil des Landkreis Stade zu einer touristischen Naherholungsregion umzugestalten, wirklichen Auftrieb erfahren. Die Hoffnung auf den touristischen Aufschwung nährt sich aus den Infrastrukturplänen der Bundesregierung, genauer: der A 26 und der Küstenautobahn A 20.

Alleine für Drochtersen wird mit den Autobahnbauten ein Wirtschaftswachstum von mindestens acht Prozent prognostiziert. "Das ist eine einmalige Chance für unsere Region", sagt Drochtersens Bürgermeister Hans-Wilhelm Bösch. Das Autobahnkreuz bei Drochtersen werde auf die ganze Region ausstrahlen und die Gegend für Firmen und Bürger attraktiver machen.

Heinrich von Borstel, Vorsitzender des Tourismusvereins Kehdingen, glaubt, dass dies auch neue Chancen im touristischen Angebot bieten könnte. Ihm schweben künftig Angebote im Gesundheitssektor vor, die vor allem Hamburger in die Region locken könnten. "Ein Kur- und medizinisches Angebot wäre ein weiteres Standbein für unsere Tourismuswirtschaft und ein Alleinstellungsmerkmal. Der medizinische Tourismus ist hier noch ein weißer Fleck auf der Karte, das ist eine große Chance für uns", sagt von Borstel. Von Borstel glaubt, dass dann die Auslastung der Gaststätten und Hotels gerade in der Nebensaison deutlich steigen könnte. "Wir sind zwar bei allem noch in Sondierungsgesprächen, aber wenn die Autobahn da ist, müssen wir vorbereitet sein", so von Borstel. Werben mit dem Obstbau lohne nicht - einerseits würde dies eine ungewollte Konkurrenz zum Alten Land herstellen, zum anderen würde man im Obstbau immer als Nummer zwei wahrgenommen werden.

Kehdingen versteht sich als Teil der Metropolregion Hamburg

Die beiden Autobahnen, die woanders auf Ablehnung stoßen - hier werden sie von vielen begrüßt. "Wir verstehen uns als Teil der Metropolregion, aber die Wege von Hamburg hierher oder andersherum waren bisher zu lang", sagt Bösch. Mit der Autobahn werde die Region besser zusammenwachsen und schneller erreichbar sein, auch für Touristen aus Hamburg.

Dass die Kehdinger Region landschaftlich eine Menge für Touristen zu bieten habe, ist für viele selbstverständlich. Das Elbstrandrennen auf Krautsand, das Natureum Niederelbe, das Küstenschifffahrtsmuseum, die Ausflüge mit dem Vogelkieker und natürlich die Elbe selbst mit ihren Badestränden und Campingplätzen bieten großes touristisches Potenzial. "Was wir aber zusätzlich brauchen werden, ist eine erweiterte Gastronomie und ausreichende Übernachtungsmöglichkeiten, also Hotels", sagt Bösch.

Doch genau da drückt noch der Schuh, denn aus eigener Finanzkraft werde da nur wenig zu erreichen sein. "Wir sind für weitere touristische Angebote auf Krautsand beispielsweise auf Investoren angewiesen", so Bösch. Die seien aber wohl erst mit dem Bau der Küstenautobahn und dem Anschluss an die A26 zu gewinnen. "Daher ist für uns das Engagement von Enak Ferlemann im Verkehrsministerium sowie eine verlässliche Verkehrsplanung bis 2018 auch enorm wichtig", sagt Bösch. Je früher die Autobahn komme, desto eher komme der wirtschaftliche Aufschwung und damit Arbeitsplätze für die kommende Generation - vor allem im Gastronomie- und Hotelgewerbe.