Immer mehr Bauern betreiben für zusätzliche Einkünfte Windkraftwerke, Biogas- und Solaranlagen. Einige wechseln dabei sogar die Branche.

Stade/Harsefeld. Wenn Ralf Dammann morgens seine fleißigsten Hofbewohner füttert, fährt er erst einmal mit einem Bagger zu einem Haufen Mais-Silage. Dort lädt er gut zwei Tonnen des Nährmaterials auf die Schaufel und kippt das Ganze in einen Schacht. Was dann passiert, ist nicht sichtbar, weil es im Inneren eines zylindrischen Behälters von der Größe eines Einfamilienhauses passiert. Unter Luftabschluss verwandeln Bakterien die Silage, die in der Anlage mit Schweinegülle vermischt wird, in einen Stoff, der anschließend als Pflanzendünger verwendet wird. Die Hauptsache dabei ist ein biologisches Nebenprodukt: Das Methan, das die Bakterien erzeugen, treibt Motoren an, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen.

Ralf Dammann verdient die Hälfte seiner Einkünfte mit Biogas

"Gut die Hälfte meiner Einkünfte kommen mittlerweile aus der Energieerzeugung", sagt der Bargstedter Landwirt, der auf seinem Hof auch Schweine züchtet und Mais und Getreide anbaut. Gemeinsam mit seinem Schwiegervater Jürgen Koch betreibt er die beiden Biogasanlagen, die mit ihren nach außen gewölbten Dächern von weitem an morgenländische Kuppelbauten erinnern. Zweimal 330 Kilowatt ist die theoretische Nennleistung der beiden Anlagen, die vor fünf Jahren von einer Osnabrücker Firma installiert wurden. Zum Vergleich: Die Nennleistung des vor vier Jahren stillgelegten Atomkraftwerks Stade lag bei 650 Megawatt.

Die beiden Biogasanlagen können also etwa 0,1 Prozent davon erzeugen. Nicht viel, so wirkt es auf den ersten Blick. Ein anderes Bild von der Leistung der Bakterien erhält der, der Ralf Dammann in den Maschinenraum folgt. Hier dröhnt ein mächtiger Gasmotor von der Größe eines Schiffsdiesels, der die Arbeit der Bakterien in Wärmeenergie umsetzt.

"Wir beheizen von hier aus unsere Schweineställe. Außerdem liefern wir Fernwärme für 33 Haushalte in der Umgebung", ruft Dammann gegen den Maschinenlärm. Wie er später erklärt, könnten die Häuser auf diese Weise sogar billiger beheizt werden als mit herkömmlichen Methoden.

Im Falle der Stromerzeugung liegt die Sache noch etwas anders. Die Energie, die mittels eines Generators umgewandelt wird, speisen Dammann und Koch in das Netz der Energieversorgung Weser-Ems AG (EWE) ein. Diese ist gesetzlich dazu verpflichtet, den Strom abzunehmen und zahlt dafür einen Festpreis, der von der Inbetriebnahme der Anlage an 20 Jahre lang garantiert werden muss. Diese finanzielle Sicherheit war es, die Dammann vom Bau einer Biogasanlage überzeugte. "Die Preise am Schweinemarkt sind nicht sehr konstant. Deshalb wollten wir uns ein zweites Standbein schaffen", sagt Dammann.

Mittlerweile setzt er immer stärker auf diese neue Einkommensquelle. Im vorigen Jahr kam eine neue, kleinere Biogasanlage hinzu. Seit einem halben Jahr befinden sich zwei große Sonnenkollektoren auf den Dächern der Schweineställe, die je 28,5 Kilowatt Nennleistung haben. Die Vorstellung, sich eines Tages ganz vom Landwirt zum Energieversorger zu verwandeln, stört ihn nicht: "Ich kann mir vorstellen, dass wir in zehn Jahren nur noch Energie anbieten", sagt Dammann.

Bereits in drei Jahren soll es etwa 25 Biogasanlagen im Landkreis geben

So wie Ralf Dammann denken immer mehr Landwirte im Landkreis Stade. Allein in der Samtgemeinde Harsefeld werden zurzeit zehn Anträge für neue Biogasanlagen bearbeitet, in Horneburg sind es sechs Anträge. In Apensen wollen 20 Landwirte gemeinsam eine große Biogasanlage errichten. Ein regelrechter "Boom" habe die Region erfasst, sagt Uwe Mattfeld, der beim landwirtschaftlichen Beratungsring der Stader Saatzucht für das Thema zuständig ist. "In drei Jahren werden wir landkreisweit gut 25 Biogasanlagen haben", sagt der Experte. Ende 2008 waren es noch sieben Anlagen.

Auch die anderen erneuerbare Energiequellen werden immer populärer: Von den 200 Landwirten im Bereich der Stader Geest, die Mattfeld betreut, würden bereits mehr als die Hälfte Strom erzeugen. 25 dieser Bauern seien an Windkraftanlagen in einem der sechs Winkparks beteiligt, die es landkreisweit gibt. 45 erzeugen Strom mit Solaranlagen, 65 setzen auf Biogas.

Der Grund für diesen Boom hat für Mattfeld einen Namen, und dieser lautet "EEG". Das Erneuerbare Energien-Gesetz", das den Besitzern von Windrädern, Solarmodulen und Biogasanlagen Festpreise garantiert, würde immer mehr Landwirte dazu ermutigen, in die Energieerzeugung einzusteigen. Denn wie Ralf Dammann können sie so die stark schwankenden Erträge aus der Landwirtschaft abfedern.

Einer, der bereits ganz vom Bauern zum Energieunternehmer umgesattelt ist, ist der Ahlerstedter Helmut Ehlen. Er ist auf dem Gehöft seiner Eltern aufgewachsen, hat dort jahrzehntelang selbst Hühner- und Schweinezucht betrieben. Ein neues Fördergesetz des Landes Niedersachsen bewog ihn im Jahr 1994, gemeinsam mit

34 weiteren Landbesitzern eine Gesellschaft zum Betrieb eines Windparks zu gründen. Der "Bürgerwindpark Ahrenswohlde-Wohnste", kurz "Awomo", ist heute mit 33 Windrädern einer der größten der Region. Und Ehlen ist der hauptberufliche Geschäftsführer der Gesellschaft.

Jetzt sollen die Anlagen in einem sogenannten Repowering gegen neue ausgetauscht werden, die dann 2000 Kilowatt Nennleistung haben. Um zum Vergleich mit dem ehemaligen Atomkraftwerk Stade zurück zu kommen: Uwe Mattfeld schätzt, dass die Windkraftanlagen im Landkreis Stade bereits jetzt dessen 650 Megawatt Nennleistung aufwiegen.

Dass die Errichtung neuer Windräder und Biogasanlagen längst nicht überall auf Gegenliebe stößt, ist dabei kein Geheimnis. Das Repowering im Awomo-Windpark konnte erst nach monatelangem Bürgerprotest durchgesetzt werden. Anwohner fürchteten, dass die neuen, größeren Anlagen lauter sein würden als die alten - das Gutachten eines Schallexperten besänftigte schließlich die Gemüter. Auch gegen neue Biogasanlagen gibt es Argumente. Kritiker wie die Harsefelder Grünen befürchten, dass der notwendige Maisanbau zur Entstehung von Monokulturen führen wird. Uwe Mattfeld hält dem entgegen, dass man bereits in wenigen Jahren andere Pflanzen verwenden könne, zum Beispiel Zuckerrüben. Überhaupt seinen diese Einwände schwer verständlich gegen die Perspektive, das Klima retten zu können, meint Ehlen. "Ich komme eigentlich gar nicht aus so einer ideologischen Ecke. Aber ich bin sicher, dass wir bald auf Kohle- und Atomstrom verzichten können."