200 Bürger demonstrieren gegen Pläne der Stadt, das Grundstück zu verkaufen

Stade. Das Wetter passt zur Stimmung. Stade ist trübe und grau an diesem Sonnabendmorgen. Es regnet, als der historische Leichenwagen auf hölzernen Speichenrädern aus der ehemaligen "Eisen-Edler-Halle" fährt. Auf dem Sarg steht "Technik- und Verkehrsmuseum", auf dem Wagen sitzt Fred Kasch in schwarzer Robe mit Zylinder - originalgetreu, wie alles im Museum. Die Vorstellung, dass die Museumsidee wegen klammer Stadtfinanzen nun, nach 27 Jahren Erfolgsgeschichte, zu Grabe getragen werden soll, will nicht in die Köpfe der Menschen, die dem Trauerzug folgen.

In orangefarbenen Warnwesten und mit Plakaten strömen hinter dem Leichenwagen mehr als 150 Leute aus der Museumshalle. Historische Traktoren, ein Oldtimer-Mercedes und eine Grüne Minna bilden den Abschluss der Prozession. Und dann geht es los: Mit Trillerpfeifen und Vuvuzelas, Rasseln und Trompeten machen die Museumssympathisanten ihrer Enttäuschung und Wut Luft. Weitere 50 Menschen schließen sich nach und nach dem Zug an. Mit ihren alten Lanz-Buldogs und Hanomags wollen die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder den Ratsherren sprichwörtlich Dampf machen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Und auf Plakaten warnen sie Bürgermeister Andreas Rieckhof, dass seine Wiederwahl gefährdet sei, wenn er bei seinen Plänen bleibt.

Bürger aus dem gesamten Landkreis wollen das Museum in Stade behalten

Mehr als 7000 Unterschriften haben die etwa 170 Mitglieder des Museumsvereins gesammelt, um den Bürgerwillen zu bekunden, dass dieses einzigartige Museum erhalten bleiben soll. Es gibt Überlegungen, auf dem Gelände einen Baumarkt anzusiedeln, wenn es erst einmal verkauft ist. "Da wird auf einen Ertrag von zwei Millionen Euro gehofft", sagt Dieter Theodor Bohlmann, Kurator des Technik- und Verkehrs-Museums. "Dieses Kalkül dürfte unterm Strich ein herbes Minus ergeben", schätzt Bohlmann, der als CDU-Ratsherr im Stadtrat sitzt.

Das gesamte Gelände um die ehemalige "Eisen-Edler-Halle" sei 35 000 Quadratmeter groß. Etwa 10 000 Quadratmeter davon nutzt das Museum derzeit, das könne man auf rund 6000 Quadratmeter zusammenziehen, so Bohlmann.

"Dafür sind bei einem Verkauf allenfalls 400 000 Euro zu bekommen, die wohl kaum das derzeitige Finanzloch der Stadt Stade von rund 34,7 Millionen Euro stopfen können", rechnet Bohlmann vor.

Auch der Vorsitzende des Museumsvereins, Walter Müller ist entsetzt. "Wir haben in 27 Jahren so viel ehrenamtliche Arbeit und Liebe zur Sache in das Technik- und Verkehrsmuseum gesteckt. Etwa 10 000 Exponate wurden aufgebaut, für die Ausstellungen hergerichtet, alles gehegt und gepflegt." Aus der Zeitung habe er von den Plänen der Stadt erfahren, dass das Museum weg soll, so der 74-Jährige.

Die Stadt Stade ist allerdings im Recht, wenn sie das Aus für das Museum anordnet. Immerhin darf der gemeinnützige Museumsverein das stadteigene Gelände mietfrei nutzen. Zwar hatte sich 1985 der Stader Rat einstimmig für diesen Standort ausgesprochen und dies vor zehn Jahren auch noch einmal bekräftigt. Allerdings steht in der Zusage-Vereinbarung von 2000, die bis 2020 gelten sollte, eine Klausel. Und die besagt, dass die Stadt Stade, wenn es ihr finanziell schlecht geht, die Vereinbarung mit dem Verkehrs- und Technikmuseum nicht einhalten muss.

Dennoch wehren sich die Vereinsmitglieder gemeinsam mit den Freunden des Museums. "Wir sind doch mehr als eine Sammlung von historischer Technik", sagt Walter Müller. Mit Schülern der Jobelmann-Schule habe man Projekte ausstellungsfertig hergerichtet und gemeinsame Veranstaltungen zu Technik-Themen initiiert.

Auch viele junge Leute wollen diese Museums-Sammlung in Stade erhalten

"Macht unser Museum nicht kaputt" steht auf dem Plakat von Thomas Junge und Alexander Ackermann. "Wir sind von der Jugendbauhütte im Museum aktiv. Es bietet einen interessanten Überblick über Technik und Handwerk, alles mit Liebe zusammengetragen, das ist doch wirklich bewundernswert."

Klaus und Renate Krebber aus Horneburg sagen: "Dieses Museum hat eine großartige Sammlung, es wäre ein Unding, es zu schließen, um das Grundstück zu vermarkten." Stephanie Bardoux schließlich bringt die Meinung der meisten Demonstranten in der Stader Innenstadt auf den Punkt: "Das Museum ist ein gutes Stück Kultur in Stade. Wir brauchen keinen weiteren Baumarkt. Wird das Museum geschlossen, geht viel Wissenswertes verloren."

Sie schaut zu ihrem kleinen Sohn Marlon, der mit seinem Opa Reinhard Bardoux ein Plakat trägt. "Mein Vater gehört zu den Leuten, die mit viel Liebe und Herzblut eine alte Bleisatzdruckerei im Museum aufgebaut haben. Wenn ich sehe, wie neugierig die Kinder all die alte Technik bestaunen, weiß ich, wie wichtig das Museum ist."

Lothar Krumrey steht ganz in Schwarz mit Zylinder auf dem Kopf vor dem Sarg auf dem Wagen: "In diesem Museum steckt so viel Stader Geschichte, das muss in Stade bleiben. Ich bin großer Oldtimerfreund und jedes Jahr ist das Oldtimertreffen im Museum ein besonderer Höhepunkt." Seine Frau Inge Krumrey hebt das Engagement der vielen Museums-Helfer hervor: "27 Jahre haben sie ehrenamtlich so viel geleistet, da muss man große Hochachtung haben."

Die ehrenamtlichen Helfer, die sich mit viel Arbeit engagieren, sind bitter enttäuscht", sagt Bohlmann. "Wir hoffen, dass das Museum in Stade noch eine Zukunft hat."