Der AOS-Konzern will seine Deponie bei Stade-Bützfleth aufstocken. Bürger fürchten Lärmbelästigung

Stade. Die Bilder der Umweltkatastrophe in den ungarischen Dörfern Kolontár und Devecse sind noch in vielen Köpfen. Das Drama der Rotschlammlawine, die sich ungebremst durch die Landschaft wälzte, entfachte eine Diskussion über die Sicherheit von Rotschlammdeponien. Denn der rötliche Abfallschlamm wälzte sich in Ungarn über ein riesiges Areal. Sieben Menschen starben, mehr als 100 kamen mit teils schweren Verätzungen der Atemwege und der Haut in Krankenhäuser.

AOS-Prokurist hält ein Drama wie in Ungarn für nicht vorstellbar

Ein Drama wie jenes in Ungarn, das ist für Helmuth Buhrfeind, Prokurist des Unternehmens Aluminium Oxid Stade (AOS) in Stade-Bützfleth, nicht vorstellbar. Buhrfeindt steht auf dem Deich der Rotschlammdeponie der AOS bei Stadermoor. Bei ihm ist eine Abordnung der Grünen, Kommunalpolitiker, Landtag- und Bundestagsabgeordnete, darunter die Landtagsabgeordnete Elke Twesten und der Umweltreferent der Bundestagsfraktion, Jochen Hake. Sie haben um einen Termin bei der AOS gebeten, um sich ein Bild von der Sicherheitslage zu machen und Informationen über die Pläne der AOS zu erhalten, die gigantische Rotschlammdeponie zu erhöhen.

"Die Anlage fasst derzeit etwa 19 Millionen Kubikmeter Rotschlamm", sagt Buhrfeindt. 130 Hektar Fläche hat der See in der Deponie, das gesamte Gelände umfasst 160 Hektar, inklusive Stränden und Dämmen. Die Altstadt von Stade passt etwa achtmal in die Rotschlammdeponie. Die Dämme sind derzeit zwölf Meter hoch, bis 15 Meter Höhe dürfen sie noch legal aufgestockt werden. Momentan wächst der Damm um etwa einen halben Meter pro Jahr. "Das reicht aber nicht für die Zukunft, wir wollen daher auf 21 Meter Höhe gehen", sagt Buhrfeindt. Das gibt dem Konzern Luft für weitere 25 Jahre. Dann muss eine andere Deponie her, oder aber ein anderes Verfahren zur Entsorgung des Rotschlamms.

Für den Ausbau der Anlage läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren

Für den Ausbau der Anlage läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren. Der AOS-Manager geht davon aus, dass das Unternehmen grünes Licht erhält. Schließlich arbeite der Konzern vorbildlich. Ein Unglück wie in Ungarn könne gar nicht passieren, sagt Buhrfeindt erneut. Er wolle zwar keine Kollegenschelte betrieben, aber die Sicherheitsstandards in Ungarn seien nun mal doch andere als die in Deutschland. "In Ungarn ist vor allem ein großer Fehler begangen worden. Dort ist das Wasser bis an den Deich gekommen, dass sorgte dafür, dass der Deich weich wurde", sagt Buhrfeindt. In Stade werde dagegen bewusst ein breiter Strand aus Rotschlamm geschaffen und erhalten, der das eingeleitete Wasser weit genug vom Deich weg hält. Ein Durchweichen des Dammes sei so gut wie ausgeschlossen. Am Boden schütze zudem eine natürliche Schicht aus Kleiboden das Grundwasser vor Rückständen der Rotschlammdeponie. Außerdem sei der Rotschlamm, wenn vernünftig damit umgegangen werde, alles andere als giftig. Der Manager bezeichnet die rote Brühe als ungefährlich, das demonstriere auch das Ökosystem mit Wildgänsen und Rehen, das sich auf der Deponie bereits entwickelt habe.

In Ungarn sei das Wasser so ätzend wie Natronlauge gewesen, weil das Wasser nicht sachgerecht gefiltert worden sei. In Stade hingegen habe der Abfall die "Deponieklasse null". Einfacher Hausmüll gelte als gefährlicher. Der Rotschlamm werde aufwendig aufbereitet. In zwei Reinigungsgängen werde die Natronlauge ausgewaschen, das Wasser mit Filtern noch einmal gereinigt, bevor es in dem See ankommt. Der PH-Wert entspreche dem von gewöhnlicher Seife.

Auch künftig werde, so Buhrfeindt die Anlage stabil sein. Ein Hamburger Unternehmen und Landesbehörden würden die Festigkeit des Bodens vor einer Aufstockung überprüfen.

Natürlich habe es nach der Katastrophe in Ungarn Nachfragen von den Bürgern gegeben, sagt Buhrfeindt. Doch die meisten Anwohner beschäftige viel mehr der erwartete zusätzliche Verkehr bei einem Ausbau der Deponie. In 15 Jahren soll die Dammerhöhung abgeschlossen sein. Bis dahin soll Sand aus der Geestregion, aus Wiepenkathen und aus Fredenbeck herangeschafft werden. Das Problem ist dabei, dass die Straßen, über die der Sand herangeschafft werden muss, über Moor führen und keine großen Belastungen aushalten. Die Folge ist, dass nur kleinere Lastwagen den Sand anliefern können. Je kleiner die Lastwagen, desto mehr Fuhren sind nötig. "Die Lärmbelästigung ist deshalb auch die größte Sorge vieler Bürger", sagt Buhrfeindt. Doch eine Lösung hat er bereits parat: Mit Konvoifahrten soll die Lärmbelästigung in Grenzen gehalten werden.