Vor allem in Jork und Horneburg sind immer mehr Läden ehemaliger Einzelhändler verwaist. Der Trend kam zunächst schleichend

Stade/Buxtehude. Der Trend kam zunächst schleichend und hält seit etwa vier Jahren kontinuierlich an: Das Sterben der kleinen Läden in den größeren Orten im Landkreis Stade. Ob in Jork am Altländer Markt, in Horneburg in der Langen Straße oder in Steinkirchen am Alten Markt: In all diesen Orten klaffen neue Lücken, wo einst alteingesessene Einzelhändler für ihre Kunden die Versorgung mit fachlicher Beratung sicherten.

Obwohl seit zwölf Jahren der Umsatz im Einzelhandel konstant bei rund 400 Milliarden Euro liegt, haben sich die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher geändert. 120 Millionen Quadratmeter Verkaufsflächen gibt es derzeit in Deutschland, das ist mit 1,5 Quadratmetern pro Kopf statistisch absolute Spitze in Europa.

"Die Gründe für das unaufhaltsame Verschwinden kleiner Fachgeschäfte sind vielfältig", sagt Rolf Knetemann, Geschäftsführer des Unternehmerverbands Einzelhandel Nordwest. "Handel ist ein schwieriges Geschäft. Auf dem gesättigten Markt herrscht ein unglaublicher Konkurrenzkampf. Die Existenzgründungen im Einzelhandel sind deutlich rückläufig." Wegen der großen Konzerne und Filialbetriebe vollziehe sich ein Strukturwandel im Einzelhandel, so Knetemann.

Im Raum Stade nutzen die meisten Menschen das umfangreiche Angebot in den Städten Stade und Buxtehude sowie die Nähe zu Hamburg für ihren Großeinkauf. Sie fahren mit dem Auto von den Dörfern dort hin, weil sich die Warenvielfalt an einem Standort konzentriert. Das entspreche den hohen Ansprüchen der Verbraucher ebenso wie preisgünstige Sonderaktionen, so der Einzelhandelsexperte.

Die großen Filialisten haben in Deutschland und Europa von Profis durchdachte Konzepte, daher ist kein Zufall, dass neben den Lebensmitteln jede Woche auch so genannte "Non-Food-Sortimente" im preisgünstigen Angebot sind. "Gibt es bei Aldi, Lidl oder Tchibo Skikleidung, dann blutet der Sportladen aus", nennt Knetemann ein Beispiel. Dazu komme, dass zehn Prozent des Umsatzes im Internet gemacht werden.

"Für viele kleine Geschäfte auf dem Land ist die Nahversorgung der Kunden nicht mehr lukrativ. Die alten Betreiber kleiner Läden finden folglich keine Nachfolger, weil sich der Handel dort nicht mehr rechnet. Wer es dennoch riskiert, steht betriebswirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand", erklärt Knetemann.

Hinzu kommt, dass die Region trotz ihrer landschaftlicher Schönheit und zahlreichen Besuchern vor allem auf das Binnengeschäft angewiesen ist. Man dürfe das Geschäft mit den Touristen, wie etwa im Alten Land nicht überschätzen, so Knetemann. "Im Handel kann auf Dauer keiner allein vom Tourismus leben."

Das bestätigt auch Gerhard Buchner vom Ordnungsamt der Samtgemeinde Lühe. "Ein tendenzieller Rückgang von kleineren, alteingesessenen Einzelhandelsgeschäften ist seit Jahren erkennbar." So sind im Zentrum von Steinkirchen zum Beispiel das Geschäft der Firma Mohr, der Drogeriemarkt Klug sowie der Radio- und Fernsehhandel Pein verschwunden. Außerhalb des Ortskerns gibt es die Bäckerei Giese und den Feinkosthandel zum Felde "Ihre Kette" nicht mehr, rechnet Buchner vor.

Meist gab es familiäre Gründe für die Schließung der Läden oder es wurden keine Nachfolger gefunden. Neu eröffnet und sich bisher gehalten haben nur wenige kleine Geschäfte, etwa Lebensmittelbedarf und Geschenkartikel in Steinkirchen und Hollern-Twielenfleth. Dort gibt es seit Jahren noch einen privaten Getränkemarkt, der auch Grundnahrungsmittel im Sortiment hat, so Buchner. Doch in den vergangenen fünf Jahren haben etwa acht kleine bis mittlere Familienbetriebe ihre Läden abgemeldet. Vier kleine, neue Einzelhandelsgeschäften wurden stattdessen eröffnet.

Es geht aber auch anders: Voll im Trend liegen im Alten Land die Hofläden, die mit Obst, Gemüse, Grundnahrungsmitteln und Touristik-Artikeln die Versorgung sichern.

Die sieht auch Matthias Riel, Kämmerer der Einheitsgemeinde Jork, als konstante Größe mit hoher Kunden- und Besucherfrequenz im Alten Land. "Das attraktive Angebot dieser Läden birgt langfristig ein positives Potenzial und hebt das Image", sagt Riel.

Leere Ladenzeilen im Ortskern wie am Altländer Markt hingegen verursachen bei Urlaubern und Tagesgästen erhebliche Imageprobleme. "Nach wie vor stehen wir dort vor dem Problem des Ladensterbens, welches die ganze Ecke schwächt" sagt Riel.

Etwas Konkretes sei dort jedoch nach wie vor nicht absehbar, die Nachfrage fehle. Allerdings wolle die Gemeinde für mögliche Interessenten als Ansprechpartner da sein und sie beim Umsetzen neuer Ideen unterstützen, so Riel. In Top-Lagen klaffen im Jorker Ortskern Lücken, etwa in der optisch reizvollen Bürgerei, der Borsteler Reihe und eben am Altländer Markt. "Wir müssen bei unserer politischen Arbeit alle an einem Strang ziehen, um neue Konzepte zu finden, damit es besser wird", sagt Riel.

Nach neuen Konzepten suchen auch die Kommunalpolitiker um Gerhard Froelian, Samtgemeindedirektor in Horneburg und seinen Wirtschaftsförderer Reiner Kuball. "Das Erscheinungsbild der Langen Straße muss umgestaltet werden", sagt Kuball. Tatsächlich wirkt die Tristesse leerer Läden mit grauem Charme der 60er-Jahre wenig einladend für Touristen wie Einheimische. "Zu viele haben dort aufgegeben und keine Nachfolger gefunden", erklärt Kuball die Lage vor Ort. "Einzelkämpfer haben es im Handel schwer, vieles läuft über große Ladenketten und das Internet, zudem ist es nach Hamburg, Stade oder Buxtehude nicht weit", sagt Kuball.

Er könne sich gut vorstellen, die Lange Straße eher zum Wohngebiet umzugestalten. Für die Sanierung des Ortskernes habe man sich vor zwei Jahren um eine Teilnahme am Städtebauförderungsprogramm beworben, so der Wirtschaftförderer. "Horneburg hat davon noch nie etwas in Anspruch genommen, so sind wir optimistisch, für 2012 Mittel zu bekommen."

Der demografische Wandel werde für die Zukunft neue Standortanalysen notwendig machen, so die Prognosen von Rolf Knetemann. Politiker, Kaufleute und Immobilienbesitzer müssen gemeinsam für mehr Attraktivität im Einzelhandel sorgen.

"Etwa 5000 Euro gibt jeder der 80 Millionen Deutschen statistisch im Durchschnitt jedes Jahr im Einzelhandel aus, dazu kommen noch Ausgaben für Kfz-Kraftstoff, Heizungsbrennstoffe und Ausgaben in Apotheken", rechnet Knetemann vor. "Mit dem Älterwerden der Leute werden kleine Fachgeschäfte mit guter Beratung und übersichtlichem Sortiment eine Renaissance erleben", so Knetemanns Blick in die Zukunft zum generationsfreundlichen Einkauf. "Denn die Kaufkraft der Senioren birgt ein großes Potenzial für den Einzelhandel."